Bewertung
Armstrong, Kelley

Die dunklen Mächte: Schattenstunde

"Ich heiße Chloe Saunders, und mein Leben wird nie mehr so sein, wie es einmal war."

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Inhalt

Die fünfzehnjährige Chloe Saunders glaubt verrückt zu werden: von einem auf den anderen Tag sieht sie plötzlich Geister. Oder war alles nur Einbildung? Als ihr mitten in der Schule ein verbrannter Hausmeistergeist hinterher läuft und eine Heidenangst einjagt, rastet sie aus und landet schließlich im Lyle House, einer psychiatrischen Einrichtung für Jugendliche. Dort angekommen muss Chloe bald feststellen, dass sie nicht die Einzige mit übernatürlichen Kräften zu sein scheint. Und dann gibt es noch einen Geist, der ihr etwas Wichtiges mitteilen will, das mit der idyllisch gelegenen Einrichtung zu tun hat. Chloe versucht ihn zu ignorieren, ist es doch ihre einzige Chance, um schnellst möglichst die Koffer packen zu können und zurück in die Normalität zu flüchten. Kein leichtes Unterfangen. Denn als ihre Zimmergenossin Liz nach einem merkwürdigen Vorfall verlegt wird, erscheint sie Chloe nur wenige Stunden später als Geist...

Kritik

"Die dunklen Mächte: Schattenstunde" bildet den Auftakt zu Kelly Armstrongs neuer Urban-Fantasy-Reihe. Legte die kanadische Autorin ihren Fokus bisher vorrangig auf die Erwachsenliteratur, bedient sie in diesem Fall ausnahmsweise eine etwas jüngere Leserschaft. Als Jugendbuch ausgelegt, ist "Die dunklen Mächte: Schattenstunde" dennoch für Jung und Alt bestens geeignet. Mit einer Mischung aus "Ghost Whisperer – Stimmen aus dem Jenseits" und einem leichten "Dark Angel"-Einschlag (zum Ende hin), hat die Autorin einen echten Gruselschmöker geschaffen, bei dem sich einem zwischenzeitlich die Nackenhaare sträuben und man nicht anders kann, als mit der Hauptprotagonistin mitzufiebern. Denn eines wird schnell klar: hier sind wahrlich dunkle Mächte am Werk.

Bereits der Prolog aus der Sicht der kleinen Chloe Saunders, in der personalen Erzählperspektive geschildert, weckt die Neugierde des Lesers und kommt gespenstisch daher. Schnell wird klar, dass Chloe kein gewöhnliches Mädchen ist – sie kann Geister sehen und wird von diesen heimgesucht. Das erste Kapitel schließt zwölf Jahre später an und wird erneut aus Chloes Sicht erzählt, diesmal allerdings in der Ich-Erzählperspektive. Sofort bekommt man ein Gefühl dafür, dass Chloe glaubt, ein gewöhnliches Mädchen zu sein. Von ihrer Begabung ahnt sie zu diesem Zeitpunkt nämlich noch nichts bzw. hat diese verdrängt. So träumt sie noch davon in ferner Zukunft Drehbuchautorin und Regisseurin zu werden und vielleicht mit einem Jungen anzubandeln. Beides scheint in greifbarer Nähe zu sein, denn beim Filmclub der Schule steht sie bereits auf der Liste der möglichen Regisseure für einen Kurzfilm und ein Mitschüler sendet bereits erste Flirtsignale an ihre Adresse.

Bis zu dieser Stelle lernt man den gewöhnlichen Alltag einer High-School-Schülerin kennen, wie man ihn bereits aus zahlreichen Jugendromanen kennt. Das bleibt jedoch nicht lange so. Nachdem Chloe bereits auf dem Weg zur Schule ihre erste übernatürliche Erfahrung hinter sich hat – was sich aber noch leicht als Hirngespinst abtun lässt – geht es plötzlich ans Eingemachte. Ein Geist spürt das zierliche Mädchen mit den roten Strähnen auf und rückt ihr nicht mehr von der Pelle. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass sie davon keinesfalls begeistert ist und in Panik gerät, insbesondere, weil die verbrannte Seele eines Hausmeisters wie ein Zombie hinter ihr her ist. Und so landet sie schließlich im Lyle House, einer Einrichtung für verhaltensauffällige Jugendliche – Psychos, wohl gemerkt.

Kam mir bis zu dieser Stelle noch der Gedanke, dass die Story in Richtung "Engelsnacht" von Lauren Kate geht, der mir als eher mittelmäßig in Erinnerung blieb, wurde ich schnell positiv überrascht. Denn hier steht weder eine herzzerreißende Liebesgeschichte (obwohl es in den Folgebänden durchaus denkbar wäre), noch der Bad Boy mit umwerfenden Charme im Vordergrund, sondern die Charaktere an sich. Neben Chloe befinden sich noch fünf weitere Jugendliche in der psychiatrischen Einrichtung und nicht alle sind begeistert von der Neuen. Allen voran die Egomanin Tori, die hier sozusagen den Part einer High-School-Zicke einnimmt. Für Chloe keine ungewöhnliche Situation. Kennt sie doch kein anderes Gefühl nach zahlreichen Umzügen und Schulwechseln.

Armstrong hat mit Chloe Saunders eine sensible und zugleich starke Heldin erschaffen, die selbst noch wachsen muss und alles andere als perfekt wirkt. Mit ihren geschädigten Mitinsassen Derek, einem unfreundlichen und bepickeltem Zeitgenossen, dessen gut aussehenden Bruder Simon und der Pyromanin Rae ist sie dabei in bester Gesellschaft. Steht sie anfangs insbesondere mit den mysteriös wirkenden Brüdern auf Kriegsfuß, stellt sich bald eine Gemeinsamkeit heraus, wodurch die Karten neu gemischt werden. Denn das Lyle House scheint keine gewöhnliche Einrichtung zu sein. Ein mysteriöses Ereignis jagt das Nächste und fordert Chloes gesamte Aufmerksamkeit. Denn, wenn jeder versucht einem einzureden, man sei verrückt, glaubt man es dann nicht selbst irgendwann?

Anfangs schreitet die Handlung schnell voran und wird durch eine düstere Atmosphäre verstärkt. Somit ist das Lesen teilweise eine echte Herausforderung, kann es doch nicht schnell genug gehen. Da sich Armstrong dann aber wieder sehr viel Zeit für ihre Charaktere und deren Hintergründe nimmt, bleibt die Spannung zwischenzeitlich auf der Strecke. Hin und wieder dümpelt die Story ein wenig vor sich hin, wird dann aber wieder durch interessante und gruselige Spannungsmomente unterbrochen. Auch bleiben zum Ende hin eine Menge Fragen offen und der allseits (un)beliebte Cliffhanger bleibt auch hier nicht aus. Eigentlich keine große Sache, würde nach den Spannungslücken und dem plötzlich auftretenden Fahrtwind zum Ende des Buches hin das Stoppschild nicht so abrupt auftauchen. Aber das scheint bei Mehrteilern wohl stark in Mode zu sein – die Schattenseite guter Fortsetzungsromane.

Und dämonisch geht es weiter. Neben einem Interview mit der Autorin, am Ende des Buches, befindet sich nämlich ein kleiner Ausschnitt zum Folgeband "Die dunklen Mächte: Seelennacht", der bereits im Dezember 2010 erscheint. Also ich für meinen Teil kann es kaum erwarten, denn die kleine Leseprobe verspicht so einiges und der Roman hoffentlich noch viel mehr.

Fazit

"Die dunklen Mächte: Schattenstunde" ist ein gelungener Auftakt zu Kelly Armstrongs neuer Urban-Fantasy-Reihe, schöpft aber noch längst nicht das komplette schriftstellerische Potential aus. Trotz Gruselfaktor und geschickten Spannungsmomenten zieht sich die Story zwischenzeitlich in die Länge und man bekommt besonders zum Ende hin eine Ahnung, dass diese Geschichte noch so einige Überraschungen bereit hält.

Zur Rezension von Band 2 "Die dunklen Mächte: Seelennacht"

Zur Rezension von Band 3 "Die dunklen Mächte: Höllenglanz"

Doreen B. - myFanbase
04.11.2010

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