Bewertung

Review: #5.06 Verschwunden

Foto: Melissa McBride, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Melissa McBride, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

#5.07 Verschwunden ist eine unglaublich melancholische Episode geworden und beschäftigt sich eine ganze Stunde lang nur mit der Frage, wie es Daryl und Carol ergangen ist, seit sie sich in das Auto gesetzt haben und dem Wagen mit dem weißen Kreuz hinterher gejagt sind. Dabei setzt man wieder auf eine ruhige Erzählweise, lässt Bilder sprechen und generiert so eine bedrückende Stunde, in der die Verzweiflung der Charaktere wieder einmal mehr als deutlich wird. Dass man von vornherein weiß, wie die Episode enden wird (nämlich Daryl bei Rick und Carol bei Beth im Krankenhaus) schmälert nicht die Spannung, den beiden dabei zuzusehen, wie sie an den jeweiligen Punkt gelangen.

"I don't want you to die. I don't want Beth to die. I don't want anyone at the church to die, but I can't stand around and watch it happen either. I can't. That's why I left. I just had to be somewhere else."

Wenn man es genau nimmt, dann ist die Episode storytechnisch gesehen überflüssig wie ein Kropf. Sie stellt lediglich eine Verbindung zwischen dem Krankenhaus und der Gruppe um Rick her und es hätte wohl auch gereicht, wenn Daryl zurückgekehrt wäre und Rick in zwei Sätzen erklärt hätte, was ihm und Carol passiert ist. Aber in dieser Episode geht es nicht um das große Ganze, sondern um zwei Charaktere, deren Freundschaft und ihren Platz in der Welt, die düsterer ist als je zuvor.

Die Autoren nutzen die Gelegenheit, um dem Zuschauer noch einmal in kurzen Rückblicken vor Augen zu führen, was mit Carol in den letzten Staffeln passiert ist. Dabei verzichtet man allerdings darauf, ihre Wandlung von der misshandelten Ehefrau zu der verzweifelten Mutter zu porträtieren, die ihr Kind an die Seuche verliert. Nur in einer kleinen Szene wird der Zuschauer daran erinnert, als sie gemeinsam mit Daryl in einem Frauenhaus Zuflucht sucht und die beiden dort auf eine zombifizierte Mutter und Tochter treffen. Die beiden stellen keine unmittelbare Bedrohung dar, doch man sieht Carol an, dass sie in Gedanken immer noch bei ihrer Tochter ist und sich schwer tut, etwas zu finden, um sich am Leben zu halten. Dass es zwischen ihr und Daryl nicht vieler Worte bedarf, zeigt sich dann, als Daryl in der Nacht losgeht, die beiden tötet und am nächsten Morgen verbrennt.

Die Freundschaft zwischen Daryl und Carol ist über die Staffeln gewachsen und auch wenn die beiden aus unterschiedlichen Welten kommen, so haben sie ineinander jemanden gefunden, der ihnen Halt geben kann, gerade auch in Zeiten, in denen einer von ihnen den Boden unter den Füßen zu verlieren droht. Carol war nach der Verbannung aus dem Gefängnis verzweifelt und ein wenig verloren, dennoch hat sie nicht gezögert und ist sofort losgezogen, um ihren ehemaligen Weggefährten zur Hilfe zu eilen. Dennoch scheint diese Verbannung in ihr etwas zerbrochen zu haben, denn sie gibt offen zu, dass sie nicht weiß, was sie getan hätte, wäre Daryl nicht am Wagen aufgetaucht. Sie fühlt sich nicht mehr wirklich zugehörig zur Gruppe, nicht weil sie keine Verbindung zu den anderen hat, sondern eher deswegen, weil sie nicht mitansehen kann, wie ein Mensch nach dem anderen verstirbt und sie im Endeffekt nichts dagegen tun kann.

Daryl ist es, der ihr klar macht, dass sie keine andere Wahl hat, als immer wieder zu versuchen, Menschen, die ihr nahe sind, vor dem Tod zu bewahren. Auch wenn es wie ein aussichtsloses Unterfangen in einer Welt wie dieser ist.

"We can get her back. We can get Beth back." "What's it gonna take?" " A lot. They got guns, people." "So do we."

Ein kleiner Schwachpunkt ist für mich in der Episode jedoch erreicht, als die beiden das erste Mal auf Noah treffen und dieser sie ohne weiteres entwaffnen kann. Natürlich war es notwendig, denn ansonsten wären die beiden wohl nicht so einfach der Gruppe im Krankenhaus auf die Spur gekommen, doch mich störte ein wenig, dass die beiden in diesem Moment so unvorsichtig waren und ihre Deckung aufgegeben haben, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. So lassen sie sich von ihm überrumpeln und ihrer Waffen berauben, was in einer Stadt wie Atlanta eigentlich schon einem Todesurteil gleich kommt. Während Carol jedoch kurz davor ist, an der Situation zu verzweifeln, sieht Daryl es von der praktischen Seite und will sich nicht von seiner Mission, Beth zu retten, abbringen lassen.

So ärgerlich die ganze Sache auch ist, sie führt zu einer der besten Szenen in der Episode, als Daryl und Carol sich in einen kleinen Van einschließen müssen, um einer Horde Beißer aus dem Weg zu gehen und keine andere Wahl haben, als sich von dieser von der Brücke schieben zu lassen. Die Szene ist fantastisch, egal wie realistisch es sein mag, einen solchen Sturz zu überleben oder einigermaßen heil zu überstehen. Man hält den Atem an, als sich die beiden anschnallen und angespannt an den Händen halten, den Aufprall erwartend. Und man atmet tief durch, als man sieht, dass es beiden einigermaßen gut zu gehen scheint, als plötzlich die Beißer einer nach dem anderen von der Brücke auf das Dach des Wagens landen.

Carol ist durch den waghalsigen Stunt allerdings angeschlagen, was vielleicht auch erklären kann, weswegen sie am Ende einfach auf die Straße gerannt ist und von einem Auto angefahren wird, das gerade in den Hof des Krankenhauses eingebogen ist. Mir blieb da kurzzeitig das Herz stehen, als sie mit voller Wucht von dem Wagen erfasst wurde und leblos am Boden blieb. Carol ist am Ende von #5.04 Slabtown also nicht auf die Station eingeliefert worden, weil sie einen Plan ausgeheckt hat, um Beth daraus zu befreien. Vielmehr ist sie eine Patientin, die durch einen unglücklichen Umstand dort landet, wo auch Beth sich befindet.

Noah kann Daryl nur schwer zurückhalten, nicht sofort Carol zur Hilfe zu eilen, muss dann jedoch einsehen, dass er alleine wohl keine Chance gegen die Gruppe hat, von denen Noah ihm erzählt. Glücklicherweise ist die Gruppe um Rick nicht so weit entfernt, so dass sich am Ende Daryl und Noah auf dem Weg dorthin machen, um Unterstützung zu holen. Eigentlich war es nach #5.04 Slabtown schon offensichtlich, dass es wohl Noah gewesen sein muss, den Daryl am Ende von #5.03 Vier Wände und ein Dach im Dunkeln zu sich rief, wobei ich gestehen muss, dass ich mir immer noch gewünscht habe, dass es doch vielleicht Morgan gewesen wäre. So streift er immer noch durch die Wälder und ob und wann er nochmal auftaucht, ist mehr als unklar im Moment.

Fazit

Die Folge illustriert mit einer unglaublichen visuellen Intensität die Freundschaft zwischen Carol und Daryl, verzichtet dabei auf großartig viele Worte und lässt über weite Strecken die melancholische Stille für sich sprechen. Dabei schließt man eine Lücke zwischen zwei Erzählsträngen und setzt die Weichen für das nicht mehr allzu weit entfernte Winterfinale. Dennoch ist sie nicht ganz so stark wie die Episode zuvor, zum einen weil das Ende ein wenig überhastet wirkt und nicht ganz die Intensität der Enthüllung von Eugene aufweist. Zum anderen jedoch auch, weil nicht jeder Dialog wirklich immer zündet, vor allem wenn er auf die philosophische Schiene abrutscht und nicht ganz klar wird, worauf die Autoren bei der Charakterisierung von Carol wirklich hinaus wollten. Das alles ist jedoch wohl Meckern auf hohem Niveau, denn es sind insgesamt nur kleinen Schwachstellen, in einer unglaublich düsteren, schweren Stunde, die eindrucksvoll zeigt, dass "The Walking Dead" seine Stärke aus einem großartigen Setting und wundervollen Charakteren zieht, die einem in fünf Jahren sehr ans Herz gewachsen sind.

Melanie Wolff - myFanbase

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