Bewertung

Review: #1.08 Verschlungene Wege

Foto: Robert Wisdom, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Robert Wisdom, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Das Winterfinale wirbelt das Leben unserer Protagonisten noch einmal kräftig durcheinander. Für Deacon und Avery stehen zukunftsweisende Entscheidungen an. Auch Juliette hat eine Entscheidung getroffen, die zu überraschen weiß und uns mit einem dicken Cliffhanger in die Pause entlässt. Während auf der einen Seite Pläne für ein gemeinsames Leben geschmiedet werden, gerät eine Ehe massiv unter die Räder. Unterdessen wird Scarlett von einem Geständnis überrumpelt.

"I trusted you." – "And you still can." – "I don’t think so."

Zunächst einmal muss ich Teddy meinen Respekt zollen, dass er tatsächlich doch den Mumm hatte, Rayna über die Fotos einzuweihen. Ich hatte diesbezüglich zuletzt doch erhebliche Zweifel und eigentlich erwartet, dass Rayna per Zufall, zum Beispiel aus der Presse, davon erfahren würde. Im gleichen Atemzug muss ich dieses Zugeständnis aber auch schon wieder revidieren, denn letztendlich tischt er Rayna nur die mit Lamar in #1.07 Bühne frei abgesprochene Lüge über Peggys private Probleme auf. Das finde ich ehrlich gesagt mehr als unverständlich. Entweder man macht reinen Tisch oder lässt es gleich bleiben. Auf jeden Fall hat Teddy damit nun endgültig seine Sympathien bei mir verloren. Mag er zwar noch so der liebende Familienvater sein, als möglicher künftiger Bürgermeister und Mann der Tat hat er schon jetzt völlig versagt.

Wer will es Rayna da noch übel nehmen, dass Sie am Ende das Vertrauen in ihren Ehemann verloren hat? Dass Teddy dann erst durch Peggys Überdosis mit der ganzen Wahrheit rausrückt, hat erheblich dazu beigetragen. Und damit nicht genug: ihre eigene Familie hat sie im Unklaren gelassen. Das ist bei Lamar keine wirkliche Überraschung, aber ihre Schwester Tandy hat sie mehr als enttäuscht. Das gilt auch für ihren engen Freund und Vertrauten Coleman. So steht Rayna nun völlig isoliert da und kämpft jetzt mit allen ihr noch zur Verfügung stehenden Kräften um das Wohl ihrer Kinder. Nur derentwegen bringt Rayna schlussendlich ihr größtes Opfer und spielt bei Teddys Pressekonferenz die perfekte "Good Wife“. Alicia Florrick lässt grüßen. Der Auftritt wurde von Connie Britton übrigens wirklich überzeugend gespielt. Mit dem geschwundenen Vertrauen in Teddy steht nun ihre Ehe vor einem Trümmerhaufen. Ich bezweifele stark, dass diese noch eine Zukunft haben wird. Rayna arbeitet derweil schon an einem Ausweg aus ihrer Situation. Plötzlich ist ihre Ablehnungshaltung gegenüber einer Tour mit Juliette geschwunden ("I’m not saying no.). Ich denke, die Koffer können bereits gepackt werden.

Nicht übergangen werden soll Raynas Treffen mit Deacon. Auf den ersten Blick mag es nach ihrer Trennung unerwartet kommen, aber in schwierigen Zeiten finden und halten alte Freunde zusammen. Und auch wenn es nur eine sehr kurze Szene war, wirkte sie sehr passend und fühlte sich in dieser Situation stimmig an.

Und noch etwas, das mir aufgefallen ist: Inzwischen gab es wiederholt Andeutungen, dass sich Marshall und Liam wohl von früher kennen und nicht gut verstehen. Auch in dieser Episode. Was es damit wohl auf sich hat?

"What is keeping you tied down here in Nashville?"

Dieser Frage muss sich im Winterfinale Deacon stellen. Das Angebot früherer Weggefährten zur gemeinsamen Tournee kommt für ihn doch wirklich zum richtigen Zeitpunkt. Rayna hat ihn aus ihrem Leben verbannt, für eine Solokarriere scheinen inzwischen die Wege versperrt und selbst Juliette hat im Ärger über sein Engagement bei Jolene mit ihm gebrochen. Seine Anteilnahme am Entzug und sein Versuch der Annäherung von Mutter und Tochter ist bewundernswert und typisch für Deacon. Doch wenn dieser Einsatz nicht honoriert wird, muss man sich wohl schon fragen, warum man sich das noch weiter antun soll. Die Zusage für die Tour könnte ein Befreiungsschlag für ihn sein. Doch ich habe meine Zweifel, ob Deacon es wirklich schaffen kann, seine Fürsorge für andere auszuschalten und sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. Davon abgesehen, will ich mir “Nashville” ohne Deacon gar nicht vorstellen beziehungsweise wäre ich über einen weiteren, separaten Handlungsstrang nicht gerade erfreut.

"It’s over. It’s always been over."

Damit bringt es Hailey doch ziemlich treffend auf den Punkt. Ich hatte nie den Eindruck, dass die Autoren ein besonderes Interesse daran hatten, aus Hailey und Gunnar ein richtiges Paar zu machen. Die Idee gefiel mir eigentlich ganz gut, denn Scarlett und Gunnar steuerten mir einfach zu schnell auf ein Liebespaar zu und ich hätte lieber noch mehr von ihrer gemeinsamen Songwriter-Arbeit gesehen und vor allem gehört. Auf jeden Fall finde ich es sehr schade, dass in dieser Folge zum ersten Mal Zeit darauf verwendet wurde, Hailey etwas mehr Profil zu verleihen. Ihr Versuch Scarlett als Sängerin an eine Band zu vermitteln, war sicher nicht ohne Hintergedanken. Dass Gunnar mehr als nur professionelles Interesse an Scarlett hat, ist Hailey nicht entgangen. Und so ganz kann ich ihr den Versuch auch nicht verübeln, die Rivalin, egal ob es Scarlett bewusst ist oder nicht, aus dem Weg räumen zu wollen. Letztendlich sieht sie aber selbst ein, dass sie und Gunnar keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben werden und diese strenggenommen auch niemals hatten.

Stattdessen platzt es also aus Gunnar heraus. Mit seinem Liebesgeständnis überfordert er die verunsicherte Scarlett, die quasi gar nicht weiß wie ihr geschieht und verständlicherweise auch nicht mit seiner Ernsthaftigkeit rechnet. Doch Zweifel daran sollten spätestens mit Gunnars Auftritt im Bluebird mit ihrem gemeinsam geschriebenen Song "When the Right One Comes Along" (wieder einmal Gänsehaut pur) zerstreut sein. Der Text spricht für sich: Wenn man den/die Richtige/n gefunden hat, wird man es merken, oder auch "you think you know what you’re looking for 'til what you’re looking for finds you". Es ist typisch für Scarlett, dass sie Gunnar versucht zu meiden und damit auch ihre gemeinsame Arbeit aufs Spiel zu setzen bereit ist. Zuletzt ist in ihrem Leben einfach zu viel vorgefallen und sie braucht jetzt die Zeit, um all das einmal verarbeiten zu können.

"Don’t give up your career before it starts."

Zwei Szenen von Avery will ich hier hervorheben, insbesondere die Szene mit Scarlett. Ich hätte ihm sein Zugeständnis an Scarlett mit dem “Record Deal“-Champagner gar nicht mehr zugetraut. Es zeigt letztendlich, wie wichtig ihm Scarlett immer noch ist und er scheint wirklich eingesehen zu haben, dass er Fehler begangen hat. Mir kommt es gar so vor, als ob er verstanden hat, dass ihre gemeinsame Zeit nun tatsächlich vorbei ist. Ein wenig hatte die Szene damit auch etwas von einem Abschied.

Und die nächste Prüfung steht Avery bereits bevor. Wird er Dominos Angebot zur Zusammenarbeit annehmen und dafür seine Bandkollegen auf der Strecke lassen? Wenn ich da an seine Entscheidung hinsichtlich Marilyn denke, liegt die Antwort wohl bereits auf der Hand. Alles andere als ein Ja zur Solokarriere würde mich doch sehr wundern. Aber vielleicht kann mich Avery ja doch noch einmal positiv überraschen.

"We’ve worked hard to build Seans brand and we won’t see it tarnished just because he got himself tangled up in repairing yours."

Bevor ich auf die Entwicklungen und den Cliffhanger um Juliette eingehe, will ich zuerst kurz ihren Gesangsauftritt entsprechend würdigen. Mit "For Your Glory" legt sie für mich ihre bisher stärkste Gesangsleistung in "Nashville" ab. Das hätte ich Hayden Panettiere so gar nicht zugetraut. Ein berührender, emotionaler Song, der mit Unterstützung des Kirchenchors zu meinem Favoriten der Folge wurde und mich die Szene auch im Nachhinein mehrfach anschauen ließ.

Überhaupt gefiel mir Juliette in dieser Folge außerordentlich gut bei ihrem Versuch, bei Sean und seiner Familie einen guten Eindruck hinterlassen zu wollen. Dafür ist sie sogar bereit, ihn zum sonntäglichen Gang in die Kirche zu begleiten. Das hat nicht nur mich überrascht, schließlich ist sie bislang nicht als besonders religiös in Erscheinung getreten, sondern offenbar auch sie selbst. Ihr Blick nach ihrer Zusage an Sean spricht auf jeden Fall Bände. Zumindest finde ich es mehr als nachvollziehbar, dass Juliette von der Einladung von Seans Eltern zum Familienessen so begeistert ist. Sie ist tief beeindruckt von dem offenbar harmonischen Familienleben der Butlers. Gemeinsam Essen, einen Film anschauen, Geschwister. das sind Dinge, die sie in ihrer Kindheit nicht erleben durfte. Stattdessen musste sie meist selbst für ihr Essen sorgen und sich Annäherungsversuchen von schmierigen Freunden ihrer Mutter erwehren. Daher ist es auch verständlich, dass Juliette sämtliche Kontaktversuche von Jolene aus der Entzugsklinik ignoriert und sich lieber nach einer "neuen" Familie umsieht.

Doch leider folgt die Ernüchterung für Juliette direkt auf dem Fuß. Auch das ach so friedvolle Familienleben der Butlers entpuppt sich im Hinblick auf Seans Eltern als Trugschluss. Juliette bekommt die drastische Ablehnungshaltung von Seans Mutter zu spüren. Ein Schlag ins Gesicht für Juliette, die nach der jahrelangen Ablehnung durch Jolene nun auch noch die von Seans Mutter ertragen muss. Die bittere Erkenntnis: berühmt zu sein reicht alleine nicht aus, um auch beliebt zu sein.

Doch dann folgt der finale "Big Bang". In einer für Juliette typisch impulsiven Aktion, macht Sie Sean einen Heiratsantrag. Mit diesem überraschenden Cliffhanger lässt uns "Nashville" in die Winterpause gehen. Ich weiß noch gar nicht so recht, was ich davon halten soll. Im ersten Moment scheint mir die ganze Aktion zu gewollt auf einen großen Moment von den Autoren getrimmt. Auf den zweiten Blick, verwundert eine solche Reaktion von Juliette aber nicht wirklich. Agiert sie nach persönlichen Rückschlägen bislang doch häufig mit unüberlegten und überstürzten Handlungen. Noch bin ich von der Sache nicht überzeugt. Etwas mehr Bodenständigkeit und weniger überzogene Soaphandlung steht "Nashville" meines Erachtens besser. Mit “Revenge“ werden Fans solcher Geschichten bei ABC ja schon passend bedient. Nichtsdestotrotz bin ich natürlich gespannt, wie es nach der Pause mit Juliette und Sean weiter gehen wird.

Fazit

Die Folge leidet für mich etwas zu sehr darunter, vor der fünfwöchigen Pause unbedingt noch zahlreichen Handlungssträngen eine dramatische Note geben zu wollen. Rayna erfährt von den Fotos, Gunnars Liebesgeständnis an Scarlett, Averys Entscheidung über die Solokarriere, Deacon und das Tourangebot, Juliettes Heiratsantrag – im Prinzip sind das alles interessante Geschichten, die mir aber teilweise zu überstürzt erzählt wurden. So vermisse ich in der Folge ein wenig von dem, was "Nashville“"bislang auszeichnete, nämlich das Country Music-Business und seine Charaktere authentisch zu inszenieren. Das war mir einfach zu viel Drama und Soap. Das alles hat aber keinen negativen Einfluss auf die beiden großartigen Songs dieser Episode.

Jan H. - myfanbase

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