Highlights 2016, Teil 2

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Die einen lieben sie, die anderen hassen sie: Ronja von Rönne, Jahrgang 1992, "Die Welt"-Redakteurin, Bloggerin, erklärte Anti-Feministin, Bachmann-Autorin und wahlweise die Stimme der Generation Y oder der Millenials, bringt im März im Aufbau Verlag ihren ersten Roman mit dem Titel "Wir kommen" heraus. Sie erzählt darin von einer polyamourösen Clique, die, gelangweilt vom Leben, sich in allem ausprobiert, was Abwechslung verspricht: Sex, Drogen, Gewalt. Trotz des auf den ersten Blick eher dünnen Inhalts könnte der Hype um die Jungautorin dem Roman ungeahnte Verkaufszahlen bescheren. Ob der Name Ronja von Rönne genauso schnell vergessen ist wie vor nicht allzu langer Zeit der von Helene Hegemann (wir erinnern uns – oder auch nicht – an ihr Debüt "Axolotl Roadkill" aus dem Jahre 2010), oder ob sie sich dauerhaft in der literarischen Welt etablieren kann, das wird sich noch zeigen.

Bereits seit vielen Jahren angekommen ist die Schriftstellerin Juli Zeh, deren Roman "Unterleuten" im März im Luchterhand Verlag erscheint. Die mehrfach preisgekrönte Autorin, die zuletzt 2014 eine Essay-Sammlung veröffentlichte, schreibt in ihrem Gesellschaftsroman über das Leben im brandenburgischen Niemandsland. Da tummeln sich schrullige Nachbarn und schräge Originale, die Natur ist unberührt und die Welt noch in Ordnung. Das Idyll ändert sich, als eine Investmentfirma einen Windpark konstruieren möchte. Aus ersten Streitigkeiten zwischen Alteingesessenen und Neuzugezogenen werden ernstzunehmende Konflikte, bis die Fronten unwiderruflich verhärten und schreckliche Dinge geschehen.

Ein zumindest an der Oberfläche leichteres Thema hat Valeria Luiselli gewählt. Die gebürtige Mexikanerin, die in Harlem, New York, lebt, erzählt in "Die Geschichte meiner Zähne" (Verlag Antje Kunstmann im März) von Gustavo Sánchez Sánchez alias Highway, der redlich darum bemüht ist, seine hässlichen Zähne ersetzen zu lassen. Dieses Thema interessiert den exzentrischen Highway so sehr, dass er alles daran setzt, die Zähne von Marilyn Monroe in seine Sammlung an Zähnen von berühmten Persönlichkeiten aufzunehmen. Und auch sonst hat er einige Anekdoten zur Hand. In ihrem hochgelobten, recht außergewöhnlichen Roman mixt die junge Schriftstellerin Luiselli verschiedene Genres und bindet in ihm zugleich viele Anspielungen auf die Kunst- und Literaturgeschichte ein.

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Ein weiterer junger und spannender Schriftsteller aus Lateinamerika ist der Kolumbianer Juan Gabriel Vásquez, dessen Roman "Die Reputation" im März im Schöffling Verlag erscheint. Vásquez' Protagonist ist der 65jährige Javier Mallarino, einer der einflussreichsten Politiker Kolumbiens, der sich problemlos über bestehende Gesetze hinwegsetzen und auch große Politiker zu Fall bringen kann. Als er durch eine Frau, die plötzlich auftaucht, mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird, wendet sich Mallarinos Blatt. Der kolumbianische Autor verschmilzt in seinem bereits sechsten Roman große Themen: Betrug, Erinnerung, Vergangenheit, der öffentliche Ruf, und liefert zugleich aufschlussreiche Überlegungen über die Instabilität latein- amerikanischer Politiker und Gesellschaften.

Nicht weniger komplex mutet "Der Ort, an dem die Reise endet", im Original schlicht "Dust" betitelt, von Yvonne Adhiambo Owuor (DuMont Verlag, ebenfalls im März) an. Es ist der erste Roman der kenianischen Autorin, für den sie auf der Shortlist des Londoner Folio Prizes stand und den Jomo Kenyatta Prize, benannt nach dem ersten Staatspräsidenten Kenias, erhielt. Kenia im Jahr 2007 ist auch Schauplatz der Handlung. Als ein Student namens Odidi Oganda in den Straßen Nairobis erschossen wird, kehren seine Schwester und sein Vater in ihre Heimat zurück, um den Leichnam nach Hause in den Norden des Landes zu überführen. Anhand der Familiengeschichte der Ogandas erzählt die Schriftstellerin von den offenen Wunden ihres Heimatlandes, von der gewalttätigen Kolonialherrschaft und den zahlreichen blutigen Kämpfen und Konflikten nach Erlangen der Unabhängigkeit 1963.

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Auch der Nachwuchsschriftsteller Pierre Jarawan mit deutsch-libanesischen Wurzeln aus Jordanien, der im Alter von drei Jahren nach Deutschland kam, berichtet in seinem Buch von einer Reise in die Vergangenheit. "Am Ende bleiben die Zedern" heißt Jarawans Debütroman, der im März im Berlin Verlag veröffentlich wird. Für den Roman erhielt der gerade mal dreißigjährige Poetry Slammer das mit 6.000 Euro dotierte Literaturstipendium der Stadt München. "Am Ende bleiben die Zedern" dreht sich um einen Jungen namens Samir, dessen Eltern in den 1980er Jahren vor dem Libanonkrieg nach Deutschland fliehen. Als Samir acht Jahre alt ist, verschwindet der Vater urplötzlich – und zwanzig Jahre später kehrt der Protagonist mit einer einzigen Dia-Aufnahme im Gepäck nach Libanon zurück, um zum einen nach seinem Vater und zugleich nach den eigenen Wurzeln zu suchen.

Wie Adhiambo Owuor und Jarawan blickt auch Shida Bazyar in "Nachts ist es leise in Teheran" (Kiepenheuer & Witsch im Februar) auf die bewegte Vergangenheit ihres Landes zurück. Wir befinden uns in Persien, 1979, der Schah ist vertrieben und das junge Paar Behsad und Nahid, er Kommunist, sie Literatin, kämpfen für eine neue Politik. Zehn Jahre später leben sie in Deutschland, geflohen vor den Mullahs, und bangen um ihre untergetauchten Freunde. 1999 ist es ihre Tochter und 2009 der Sohn, die hin- und hergerissen zwischen Deutschland und Teheran gescheiterte Revolutionen und Umbrüche im Iran mitverfolgen. Shida Bazyars Gesellschaftsroman ist ihr Debüt. Zuvor studierte die 27jährige Kreatives Schreiben an der renommierten Universität Hildesheim. Heute lebt Bazyar in Berlin.

Isabella Caldart - myFanbase

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