Bewertung
Palahniuk, Chuck

Flug 2039

"Geliebter Trottel. Verpfuschter Messias. Möchtegern-Lover."

Foto: Copyright: Verlagsgruppe Random House GmbH
© Verlagsgruppe Random House GmbH

Inhalt

Tender Branson ist der letzte Überlebende einer Selbstmord-Sekte, allerdings nicht mehr lange, denn er sitzt alleine in einem von ihm entführten Flugzeug, das bald mangels Treibstoff abstürzen wird. In den letzten Stunden, die ihm noch bleiben, hält er seine Lebensgeschichte auf der Black Box fest. Er erzählt von der seltsamen Religionsgemeinschaft, in die er hineingeboren wurde, von seiner Arbeit als Hausdiener reicher Paare, von seiner Beziehung zu der Hellseherin Fertility Hollis und von seiner kurzen Karriere als neuer Messias.

Kritik

Kann es ein besseres Speichermedium für die eigene Lebensgeschichte geben als die Black Box eines Flugzeuges? Immerhin ist dieser kleine Kasten, der in den meisten Fällen nicht wirklich eine schwarze Farbgebung hat, speziell dazu konzipiert, die schlimmsten Crashs zu überstehen, und wird nach einem Absturz sofort händeringend gesucht. So kann man sich fast sicher sein, dass die Lebensgeschichte überdauert und gehört wird, auch wenn man selbst nur noch Asche ist. Makaber, aber wahr.

Tender Branson, der "Held" dieses Romans, hat der Black Box von Flug 2039 nonstop nach Sydney eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen, die von religiösem Eifer, modernem Sklaventum, Fitnesswahn, fatalem Medienhype und sexueller Unterdrückung handelt. Tender wurde in die Gemeinschaft der Credisten hineingeboren und obwohl er nur wenige Minuten jünger ist als sein Zwillingsbruder Adam, gilt er wie alle Kinder der Sekte, die nach dem Ersgeborenen kommen, als Drohne, dazu bestimmt, ab seinem 17. Lebensjahr außerhalb der Gemeinschaft zu arbeiten, um den Wohlstand der Sekte zu mehren. Familiengründung und ein behütetes Leben auf den Ländereien der Credisten ist nur den Erstgeborenen vorbehalten.

Nachdem die erstgeborenen Credisten und ihre Kinder kollektiven Selbstmord begangen haben, nehmen sich auch nach und nach die Drohnen überall im Land das Leben, auch wenn Sozialarbeiter versuchen, dies zu verhindern, und sich dabei teilweise selbst zu Grunde richten. Als Tender Branson schließlich als der letzte verbliebende Credist gilt, steigt er zur Berühmtheit auf und wird mit einem radikalen Fitnessprogramm zum attraktiven Medienstar gedrillt. Dass er selbst gar keine Wunder vollbringen kann, ist nicht weiter tragisch, denn dafür hat er ja seine Freundin Fertility Hollis, die über die Gabe der Hellseherei verfügt.

Die Seitenzahlen in diesem Roman laufen rückwärts, von 313 bis 1, und stellen damit gewissermaßen den Countdown bis zum Absturz des Flugzeugs dar. Wie es nun einmal seine Spezialität ist, teilt Chuck Palahniuk kräftig aus, vor allem Richtung Medien, und garniert die ohnehin schräge Handlung mit unzähligen kuriosen Fakten und Nebensächlichkeiten. Da sich diese kleinen Kuriositäten allerdings hauptsächlich um Haushaltsführung und Fitness drehen, haben sie mich persönlich nicht so sehr amüsiert, wie zum Beispiel die Details in Palahniuks "Snuff".

Insgesamt würde ich "Flug 2039" in Palahniuks Romankosmos unter ferner liefen, oder in diesem Fall vielleicht eher unter fernen fliegen, einordnen. Die Handlung offenbart durchaus die groteske Gesellschaftskritik, für die der Autor berühmt ist, allerdings in zurückhaltenderem Maße als beispielsweise in "Die Kolonie" und auch erzählerisch nicht so stark wie in einigen seiner anderen Werke, zum Beispiel "Fight Club". In gwisser Weise taugt "Flug 2039" durchaus als Einstiegsroman in Palahniuks Literaturwelt. Wem die Lebensgeschichte von Tender Branson nicht zu skurril, schockierend und kritisch ist und wer Lust auf mehr hat, der ist bereit für "Snuff", "Die Kolonie", "Der Simulant" und Co.

Fazit

"Flug 2039" zeigt nicht alles von dem, was Chuck Palahniuk drauf hat, deutet es aber an und ist daher durchaus ein guter Einstiegsroman.

Maret Hosemann - myFanbase
04.04.2012

Diskussion zu diesem Buch