Bewertung
Coupland, Douglas

Generation A

"Ich erkläre euch hiermit zur Generation A und stelle euch damit an den Anfang einer ebenso langen Reihe spektakulärer Errungenschaften und Reinfälle wie einst Adam und Eva" - Kurt Vonnegut

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Inhalt

Die Bienen sind ausgestorben - so schien es zumindest, bis fünf junge Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt gestochen werden: der US-Maisfarmer Zack, die Neuseeländerin Samantha, die unter dem Tourette Syndrom leidende Kanadierin Diana, der französische Student Julien sowie Harj, ein Callcenter-Mitarbeiter aus Sri Lanka.

Sogleich werden die fünf Bienenstichopfer in Quarantäne gesteckt, um wochenlang verhört und untersucht zu werden. Nach ihrer Freilassung müssen Zack, Samantha, Diana, Julien und Harj feststellen, dass sie Berühmtheiten geworden sind und ihr gewohntes Leben nicht mehr aufnehmen können. Stattdessen folgen sie dem Wissenschaftler Serge auf eine abgelegene Insel und gelangen zu unerwarteten Erkenntnissen.

Kritik

Vieles weiß man erst zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist. Dies trifft in Douglas Couplands Roman "Generation A" auf die Bienen zu, die etwa um das Jahr 2000 herum spurlos von der Erde verschwunden sind. Plötzlich müssen die Menschen erkennen, dass die schwarz-gelben Fluginsekten nicht nur existiert haben, um sommerliche Picknicke und Grillfeste zu stören. Die Abwesenheit der Bienen verändert das Ökosystem und stürzt die Welt in eine Bestäubungskrise. Blumen, Früchte und Obstsorten sterben aus und weitere Insekten folgen den Bienen ins Jenseits.

Da die Menschen nun überglücklich wären, die Bienen wiederzubekommen, werden Zack, Samantha, Diana, Julien und Harj in dem Moment, da sie von den totgeglaubten Insekten gestochen werden, zu Stars, Hoffnungsträgern, höchst interessanten Forschungsobjekten und Freaks zugleich. Dank des nimmermüden Internets und der allgegenwärtigen Handys, Laptops, PDA's und iPods weiß die Welt nur Sekunden nach den Stichen darüber Bescheid. Douglas Coupland widmet sich in "Generation A" genüsslich dieser massiven Verknüpfung der Welt. Wir leben in einem Zeitalter des Kommunikationswahnsinns, in dem wir jeden Tag einem Trommelfeuer elektronischer Informationen ausgesetzt sind. Wir können von zu Hause aus Millionen von Menschen auf einmal kennenlernen, wir finden blitzschnell so ziemlich alles, was es über die Welt zu erfahren gibt, und werden Zeugen von Ereignissen, die eigentlich weit außerhalb unserer Reichweite geschehen sind. Was dadurch immer mehr verloren zu gehen scheint sind Individualität, Anonymität und Seelenruhe. Viele Informationen bedeuten auch eine Menge Dinge, die uns beschäftigen, uns ängstigen, die wir kopieren und von denen wir uns beeinflussen lassen.

Coupland gelingt es in diesem einen Roman auf sehr unterhaltsame Weise, beinahe alle Symptome des jungen 21. Jahrhunderts einzufangen. Als Leser fühlt man sich auf jeder Seite an sein eigenes Umfeld erinnert und entdeckt ständig Phänomene, die man selbst schon erlebt hat, über die man gelegentlich nachdenkt oder von denen man weiß, dass darüber vielerorts debattiert wird, auch wenn man selbst nicht unbedingt eine kritische Meinung dazu hat. Ob nun der Einfluss der Medien, der Klimawandel und die zunehmende Radikalität in Bezug auf Umweltschutz, das Thema Sprachverfall, Problemfelder wie Drogen und Sekten, Glaubensfragen, der Kapitalismus - all dies taucht in "Generation A" auf, ohne aufdringlich zu wirken und jemals etwas anderes als Teil der cleveren und satirischen Unterhaltung zu sein.

Dies gelingt dem Autor nicht nur durch die Rahmenhandlung, sondern auch durch die Kurzgeschichten, die sich die fünf Bienenstichopfer als Teil eines seltsamen Experiments ab Mitte des Romans gegenseitig erzählen. Damit greift Coupland auf ein Konzept zurück, das bereits im 14. Jahrhundert perfektioniert wurde. Damals, zwischen 1349 und 1353, entstand Giovanni Boccaccios Novellensammlung "Das Dekameron", in der sich sieben Frauen und drei Männer auf der Flucht vor der Pest in ein Landhaus begeben und sich dort zur Unterhaltung gegenseitig Geschichten erzählen, deren Themen die damalige Zeit widerspiegeln. In "Generation A" sind es zwei Frauen und drei Männer (plus dem Wissenschaftler), die sich vor der Welt auf einer abgelegenen Insel verbergen und sich solche Geschichten, mit freilich provokanterem Ton, erzählen.

Fazit

David Couplands "Generation A" ist eine sehr unterhaltsame Gesellschaftssatire, die praktisch kein Thema unserer Gegenwart auslässt, dabei aber nie dickflüssig wie das überaus seltene und kostbare Bienenhonig wird.

Maret Hosemann - myFanbase
16.09.2010

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