Bewertung
Deppe, Monika

Zeugen Jehovas, Die – Auch ich habe ihnen geglaubt

Sanfter Einstieg, harter Ausstieg. Ein Lebensbericht.

Foto:

Inhalt

Monika Deppe und ihr Ehemann Werner führen ein angenehmes Leben. Sie haben sich vor kurzem selbstständig gemacht und leben damit recht gut. Sie haben einen gemeinsamen Sohn und auch in ihrer Ehe läuft alles glatt. Doch irgendwann merken sie, dass ihnen etwas fehlt. Da beide schon lange an Religion und dem Glauben an Gott interessiert waren, beschließen sie, dieses Interesse wieder aufleben zu lassen. Doch ihre Freunde können damit nichts anfangen und auch bei den Kirchen und Glaubensgemeinden in ihrem Umfeld treffen sie niemanden an, der seinen Glauben wirklich ernst zu nehmen scheint oder sich mit ihnen ernsthaft darüber unterhalten möchte. Und so kommt es, dass die beiden an ein Ehepaar aus der Sektengemeinschaft der "Zeugen Jehovas" geraten.

Hier treffen sie zum ersten Mal auf Menschen, die sich vermeintlich gut in der Bibel auskennen und Antworten auf ihre Fragen haben. Schließlich entscheiden sie sich für die Taufe und werden vollwertige Mitglieder der Zeugen Jehovas, wodurch alles erst so richtig beginnt. Psychischer Druck, Manipulation, Fehlauslegung von Bibelstellen und ständige Kontrolle bringen die Familie schon bald dazu, sich von ihren "ungläubigen" Freunden und Verwandten loszusagen und nur noch im Dienst der Gemeinde zu stehen. Nach circa zwei Jahren beginnt das Ehepaar jedoch an den Dogmen zu zweifeln. Trotz der Verachtung ihrer kritischen Aussagen durch "Brüder und Schwestern" aus der Gemeinde und dem verstärkten Druck, der auf sie ausgeübt wird, schaffen die beiden schließlich den Absprung und sind seitdem in der Lage, befreiter zu leben und ihren Glauben neu zu entdecken.

Kritik

Erstmal vorweg ist das Buch sicher nichts für jemanden, der sich nur allgemein für die Struktur der Sekte interessiert und die genauen Lebensdetails eines Mitglieds erfahren will. Vielmehr richtet sich das Buch an Glaubensinteressierte, wie es die Autoren selbst einmal waren, als sie sich schließlich an die Zeugen gewendet haben.

Es wird viel mit Bibelstellen argumentiert und aufgezeigt, wo die Zeugen Jehovas in ihrer Bibelübersetzung diese Stellen schlicht aus dem Zusammenhang reißen oder gar völlig falsch übersetzen, um sie ihren Lehren anzupassen. Darauf angesprochen wird meist mit eingeprügelten Automatismen geantwortet oder der kritische Nachfrager mit Missachtung gestraft. Dabei wird auch sehr gut aufgezeigt, welchen unterschwelligen psychischen Druck die Gemeinde auf ihre Mitglieder ausübt, die schon so weit manipuliert sind, dass sie das selbst als ganz normal empfinden. Als Außenstehender kann man solche Mechanismen nur schwer nachvollziehen und gerade das wird in diesem Buch besonders gut rübergebracht.

Die Organisationsstruktur erinnert schon fast an Nazi-Zeiten. So erfährt man, dass bei gemeinsamen Bibelstudien nur vorgefertigte Antworten auf vorgefertigte Fragen gewünscht sind und alle Mitglieder, die sich nicht daran halten, mit bösen Blicken gestraft werden. Außerdem darf kein Kontakt zu "Ungläubigen" aufgenommen werden, selbst wenn sie zur Familie oder zum engsten Freundes- und Bekanntenkreis gehören. Jeder Zeuge muss weiterhin an allen Veranstaltungen teilnehmen und jeden Monat ein gewisses Pensum an Predigtdiensten abarbeiten. Das bezeichnet das wohl jedem geläufige Überreichen von Wachtturm-Heftchen und dem Angebot einer "Heimbibelstunde", wie sie auch Monika und Werner Deppe damals in Anspruch genommen haben.

An manchen Stellen war ich wirklich so empört, dass ich das Buch kurz zur Seite legen musste. Es ist wirklich kaum zu glauben, mit welchen Methoden da vorgegangen wird, die den meisten Leuten nicht mal bewusst werden. Noch viel erschütternder fand ich jedoch die Berichte der Autorin über die Reaktion von Kirchen, Religionslehrern etc., die die beiden um Hilfe gebeten haben. Da hat die Kirche mal die Möglichkeit, zwei hilflosen Menschen auf der Suche nach Gott weiterzuhelfen, und dann hat der zuständige Pfarrer leider zu viel zu tun, aber er "hat sie auf dem Schreibtisch liegen"? Da braucht man sich wirklich nicht wundern, wenn sich viele Menschen in ihrer Verzweiflung an eine Sekte wenden, die wenigstens Interesse an den Problemen der Menschen heuchelt. Das dürfte nun wirklich nicht zu viel verlangt sein, gerade von einem gläubigen Christen, dem das Konzept "Liebe deinen Nächsten" wohl nicht unbekannt sein sollte. Wirklich traurige Erlebnisse, die sich vielleicht besonders die Mitglieder von Nicht-Sektengemeinden mal genau durch den Kopf gehen lassen sollten…

Fazit

Sehr interessantes Buch mit vielen Hintergrundinformationen und sehr genauem Aufzeigen der widersprüchlichen Lehren der Zeugen Jehovas. Allerdings wirklich eher für Menschen geeignet, die selbst in irgendeiner Weise dabei sind, sich mit dem Glauben auseinander zu setzen, und für den wirklich "neutralen", informativen Lesegebrauch daher eher ungeeignet. Deshalb nur 7 Punkte, obwohl ich das Buch für ersteren Zweck mit 9 Punkten bewerten würde.

Nadine Watz - myFanbase
16.07.2007

Diskussion zu diesem Buch