Serienentdeckungen 2015

Wie jedes Jahr lassen unsere Autoren kurz vor dem Jahresende noch einmal Revue passieren, welche Serienperlen sie nun endlich entdeckt haben. Denn schließlich kann auch der leidenschaftlichste Serienfan nicht alle Serien gleichzeitig schauen und es gibt immer wieder Lücken im Repertoire, die man versucht nach und nach zu schließen. Hier erzählen wir, wie wir auf manche alte, aber feine Serie gestoßen sind und warum diese zu empfehlen sind.


Serienentdeckungen von Maria

"Graceland"

Die Nummer eins meiner Serienentdeckungen in diesem Jahr ist sicherlich "Graceland". Völlig ohne Erwartungen habe ich mit dieser Serie angefangen und sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Agenten von verschiedenen Agencies leben zusammen in einem Haus in Kalifornien und haben vor allem eines gemeinsam: Sie sind alle Undercover unterwegs. Während man in den ersten paar Episoden von "Graceland" vor allem zusieht, wie die undercover Agenten arbeiten, entwickelt sich bald eine staffelübergreifende Storyline und es geht mehr darum, was dieses Undercoverleben für einen Einfluss auf die einzelnen Agenten hat. So muss auch der Frischling Mike Warren (Aaron Tveit), welcher in der ersten Staffel zu dem Team stößt, schnell feststellen, dass man in diesem Leben nicht immer nach den Vorschriften handeln kann und es schwer ist, nicht auf die andere Seite abzudriften. Neben diesen hervorragenden Charakterentwicklungen, die "Graceland" bietet, sind aber auch die Beziehungen der Agenten untereinander unglaublich spannend aufgebaut. Obwohl zwischen den Mitbewohnern immer wieder Spannungen herrschen und die verschiedenen Charaktere, wären sie nicht durch ihre Arbeit und ihre Wohnsituation verbunden, sich vielleicht sonst kaum was zu sagen hätten, entwickeln sich zwischen ihnen Freundschaften, Liebschaften und manchmal sogar eine Art familiärer Zusammenhalt. Der Grund dafür ist sicherlich, dass ihr Zuhause Graceland der einzige Ort ist, an dem sie vollkommen sie selbst sein können und ihre Mitbewohner auch die einzigen Menschen sind, die genau wissen was sie tun, beziehungsweise wer sie sind. Gegenüber allen anderen sind sie entweder die Rolle, in welche sie gerade undercover schlüpfen, bei neuen Bekanntschaften eine in gewissen Bereichen fiktive Person und in ihren Agencys dann die Agenten. So haben mir es vor allem die einzelnen Charaktere und ihre Beziehung untereinander bei "Graceland" angetan. Nebenbei laufen aber spannende Handlungsstränge ab, die es schaffen den Zuschauer auch immer wieder in die Irre zu führen und ihn zu überraschen. Zu meinem Leidwesen wurde die Serie nach der dritten Staffel abgesetzt, ich persönlich hätte nämlich gerne noch ein paar Stunden mit Paul Briggs (Daniel Sunjata), Mike Warren und Co. und ihrem Leben in Graceland verbracht.

"The Night Shift"

Seit "Emergency Room" hat es ja zahlreiche Krankenhausserien, einige mehr und andere weniger erfolgreich, gegeben. Gerade in dieser Season sind auch wieder ein paar neue gestartet. Was also macht "The Night Shift" besonders beziehungsweise sehenswert? Gestoßen bin ich auf die Serie, weil sie in Deutschlandausstrahlung zwischen "Chicago Fire" und "Chicago PD" auf VOX ausgestrahlt wurde. Als ich dann gelesen habe, dass da Brendan Fehr mitspielt, musste ich mir das ansehen und ich muss gestehen, mir hat die Serie ganz gut gefallen. Vor allem zwei Punkte weckten mein Interesse. Einerseits war die Serie, da sie in der Notaufnahme spielt, sehr schnell und man "vergeudete" keine Zeit mit langer Suche nach einer Krankheitsursache oder mehrmaliger Diagnose, die immer wieder anders ausfiel. Der andere Punkt waren die Charaktere beziehungsweise deren medizinischer Hintergrund. Die meisten Ärzte von "The Night Shift" haben beim Militär gedient und waren im Einsatz in einem Kriegsgebiet. Dadurch haben sie manchmal eine etwas andere Art ihre Patienten zu behandeln, müssen sich aber auch mit dem Erlebten in diesen Kriegsgebieten und mit Verlusten von Kollegen auseinandersetzen. Etwas was immer wieder in die Storylines einfügt, vor allem in die Beziehung zwischen den zwei Hauptcharakteren Dr. Jordan Alexander und TC Callahan, die vor seinem Einsatz im Irak ein Paar waren, sich danach aber aufgrund seiner psychischen Probleme getrennt haben. Leider liegt in dieser Beziehung aber auch der Schwachpunkt der Serie. Vor allem in der zweiten Staffel wird diese Beziehung oftmals zu sehr dramatisiert, was sich dann bei Jordan in einem ziemlich nervigen Verhalten zeigt. Trotzdem freue ich mich auf eine dritte Staffel und bin gespannt was die Charaktere nach dem Cliffhanger der zweiten Staffel entscheiden und wie sie weiter mit ihrer Vergangenheit umgehen werden.

"Leverage"

Foto: Leverage - Copyright: TBS/Gavin Bond
Leverage
© TBS/Gavin Bond

Die Serie "Leverage" lebt nach dem Motto "Manchmal sind die Bösen, die besseren Guten". Eine moderne Robin Hood Story, denn Nathan Ford (Timothy Hutton) und sein Team haben sich zur Aufgabe gemacht denjenigen zu helfen, die von reichen Firmen oder skrupellosen Geschäftsmänner übers Ohr gehauen wurden. Dies machen sie in jeder Folge mit ausgereiften, manchmal verrückten und nicht ganz ernstzunehmenden Plänen, die eigentlich immer so gut funktionieren, wie sie auch geplant werden. Die Aktionen von Nathan Fords Team, welches aus einem Waffenexperten, einem Computergenie, einer Meisterdiebin und einer Trickbetrügerin zusammengesetzt ist, sind eigentlich durchwegs spannend, interessant und vor allem witzig, etwas was mir besonders gefallen hat. Bei "Leverage" handelt es sich um eine Produceral Serie, was ich ab und zu ganz angenehm finde, da es auch nicht schlimm ist, wenn man mal bei einer Folge nicht so aufpasst oder sogar eine verpasst. Natürlich bleiben dabei die Charakterentwicklungen etwas auf der Strecke, was schon etwas schade ist, vor allem da es Staffeln gibt, bei denen daran sozusagen nichts gearbeitet wird. Trotzdem habe ich es genossen mit von "Leverage" berieseln zu lassen und mich darüber zu amüsieren, wenn eine der reichen, skrupellosen Firmen wieder einmal in die Falle von Nate Ford und seinem Team gegangen ist.

Serienentdeckungen von Melanie

Streamingdienste verändern das TV-Sehverhalten der Zuschauer, das dürfte eigentlich jedem klar sein. Durch die Veröffentlichung einer kompletten Staffel ergeben sich ganz neue Möglichkeiten – man kann sich seine Serie an einem Stück reinziehen oder eben nach eigenem Gusto so strecken, wie es einem passt. Das verleitete insbesondere mich dazu, einmal in Serien hineinzuschnuppern, die ich zwar irgendwo auf meinem Radar hatte, die ich aber mangels unmittelbarem Interesse irgendwie auf die lange Bank geschoben hatte.

"Orphan Black"

Foto: Orphan Black - Copyright: polyband
Orphan Black
© polyband

Eine in den USA und Kanada hoch gehandelte Sci-fi-Serie, die nicht zuletzt von ihrer grandiosen Hauptdarstellerin Tatiana Maslany lebt. Zugegeben, die Thematik ist vielleicht nicht unbedingt neu, aber das Thema Klonen von Menschen ist spannend und mysteriös erzählt. Das faszinierende an der Serie ist jedoch dabei zuzusehen, wie wandlungsfähig Maslany in ihren unterschiedlichen Rollen ist und wie spielend es ihr doch gelingt, verschiedene Frauencharaktere authentisch und nachvollziehbar zu verkörpern. Jedem Charakter verpasst sie etwas unverwechselbares und einzigartiges, so dass man nicht selten vergisst, dass es sich bei der Darstellerin tatsächlich um die ein und dieselbe Person handelt. Dass Maslany dieses Jahr sogar mit einer Emmy-Nominierung als beste Hauptdarstellerin bedacht wurde, adelt ihre Leistung in "Orphan Black" zurecht. Dass rein storytechnisch in den ersten beiden Staffeln nicht immer alles wirklich zusammenpasst und es hier und da ein wenig zu große Längen und zu passende Zufälle gibt, ist aber zu verschmerzen. Wer sich auf "Orphan Black" einlässt, bekommt eine interessante Geschichte erzählt, in der es um die Frage geht, was einen Menschen eigentlich ausmacht.

"Orange Is the New Black"

Die amerikanische Version von "Hinter Gittern – der Frauenknast", könnte man kurz und knapp die Serie beschreiben, würde ihr damit aber nicht gerecht werden. Nichts erinnert an die RTL-Serie über einen Frauenknast, in denen es häufig um Liebe und Leid, Recht und Gerechtigkeit ging. "Orange is the New Black" ist wesentlich vielschichtiger. Das Setting ist spannender und die Charaktere sind tiefgründiger. Was als kleine Geschichte einer jungen Frau beginnt, die für eine "Jugendsünde" hinter Gittern muss, avanciert binnen nur einer Staffel zu einer spannenden Charakterstudie der vielen Insassinnen des Gefängnisses, in der zu Beginn oberflächliche Charaktereigenschaften mit viel liebe zum Detail zerpflückt und hinterleuchtet werden, so dass man als Zuschauer gar nicht umherkommt, in die Schicksale der einzelnen Personen hineingesogen zu werden. Verwoben werden hier traurige Schicksale mit spannenden Situationen, in denen jedoch nie der Humor zu kurz kommt und man ohne weiteres mit jedem einzelnen Charakter warm wird und sei es nur, um ihn zu hassen. Natürlich gibt es hier und da ein paar Ungereimtheiten in den Geschichten und nicht jede Geschichte ist wirklich in sich stringent erzählt, "Orange is the New Black" bietet jedoch so viele Nuancen, so viele Kleinigkeiten, dass es ein Muss ist, die Serie zu verfolgen.

"Fargo"

Foto: Billy Bob Thornton, Fargo - Copyright: 2014, FX Networks. All rights reserved.; FX/Matthias Clamer
Billy Bob Thornton, Fargo
© 2014, FX Networks. All rights reserved.; FX/Matthias Clamer

Zugegeben, den Film habe ich nicht gesehen, daher kann ich auch keine Parallelen zu den Ereignissen dort ziehen und schon gar nicht sagen, ob der Film eine Kopie oder eine Hommage des Kultphänomens ist. Ich kann nur meine subjektiven Eindrücke beim Sehen der ersten Staffel schildern. "Fargo" ist ein grandioses Kunstwerk, getragen durch tolle Schauspieler in denkwürdigen Rollen. Und dabei sind nicht nur Martin Freeman und Billy Bob Thornton in den Hauptrollen gemeint. Die Serie beheimatete eine ganze Reihe toller Figuren, zum Leben erweckt durch wandlungsfähige Schauspieler, die mit jeder Geste und jedem Wort zu überzeugen wissen. Eine langsame Erzählweise ergänzt dabei die stellenweise recht brutale Gewaltdarstellung und bietet eine rundum gelungene Miniserie, die ihre Stärke gerade aus der limitierten Episodenzahl zieht und einen in sich spannenden Kriminalfall bietet, der von vorne bis hinten mitzureißen vermag. Viel mehr Worte kann ich gar nicht über "Fargo" verlieren. Die Serie sollte man gesehen haben, denn sie bietet fantastisches Kino auf der kleinen Leinwand.

Maria Schoch & Melanie Wolff - myFanbase

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