Expats - Review Staffel 1

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Im weitläufigen Angebot an Serien wird es immer herausfordernder für Produktionen das eine Merkmal anzubieten, wegen dem man unbedingt einschalten möchte. "Expats" auf Prime Video hatte mit Brian Tee eigentlich ein tolles Argument, denn ihn siebeneinhalb Jahre in einer Hauptrolle bei "Chicago Med" gesehen zu haben, macht es durchaus reizvoll, so jemanden mal anders zu erleben. Dennoch erschien mir der Inhalt mit drei Frauenschicksalsschlägen zu nichtssagend. Da war der Hinweis einer treuen Leserin ganz hilfreich, denn für Empfehlungen bin ich immer offen und vor allem die Einschätzung, dass der Schwerpunkt mehr auf dem Zwischenmenschlichen liegt, hat mich dann überzeugt. Denn Figurenentwicklung ist für mich genauso wie Spannung ein wichtiges Element, um am Haken zu bleiben.

Foto: Expats - Copyright: Amazon Studios
Expats
© Amazon Studios

Grob erzählt die Serie, wie es der Titel sagt, von Auswanderern in Hong Kong und mit den drei zentralen Frauen bietet man da trotz derselben Bezeichnung als Expat dennoch eine große Bandbreite ab. Margaret (Nicole Kidman) ist da wohl eher der Klassiker. Sie ist eine US-Amerikanerin und auch ihr Mann Clarke (Tee) ist Amerikaner, wenn auch mit asiatischen Wurzeln. Er hat die berufliche Herausforderung gesucht und wegen ihm lebt die Familie nun in Hongkong mit Haushaltshilfe Essie (Ruby Ruiz), die auch in die Kindererziehung eingebunden ist. Auch Hilary (Sarayu Blue) ist Amerikanerin mit ihrem Mann David (Jack Huston) und sie sind ebenfalls aus beruflichen Gründen gekommen, aber sie hat durch ihre indischen Wurzeln und die komplizierte Familiengeschichte dennoch andere Herausforderungen. Zuletzt gibt es noch Mercy (Ji-young Yoo), die immer mal wieder als eine Erzählerin fungiert und die ursprünglich aus Südkorea kommt, dort aber unter dem Erwartungsdruck der Eltern so gelitten hat, dass sie dann in Hongkong eine neue Herausforderung gesucht hat. Drei Frauen, drei unterschiedliche Geschichten, aber doch ein Ereignis, was sie miteinander verbindet. Erzählerisch ist es so, dass man mit dem Auftakt regelrecht in das Setting geworfen wird. Es ist erstmal schwierig mit dem Orientieren und man merkt man aber schnell, es ist etwas passiert, dass auf alle drei Frauen Auswirkungen hat, aber es bleibt unklar, was genau. In der zweiten Episode wiederum tauchen wir in die Vergangenheit ein und es ist die ideale Ergänzung zum Auftakt, weil wir dort viele Antworten auf aufgeworfene Fragen bekommen. Hiernach leben die Frauen eher separiert ihr Leben. In der fünften und auch längsten Episode stehen mehr die Angestellten und die Bewohner von Hongkong im Fokus, ehe das große Finale wieder das Schicksal der drei Frauen kreuzt. Man sieht also schon an der Erzählweise, es wird viel Unterschiedliches geboten, aber alle Episoden haben es gemeinsam, sehr echte Schicksale zu erzählen.

Foto: Sarayu Blue, Expats - Copyright: Amazon MGM Studios; Atsushi Nishijima/Prime Video
Sarayu Blue, Expats
© Amazon MGM Studios; Atsushi Nishijima/Prime Video

Ich fange mit der für mich stärksten Perspektive an und das ist mit weitem Abstand Hilary. Das lag auch mit daran, dass Blue für mich mit Abstand die beste schauspielerische Leistung angeboten hat. Ihre Hilary ist zwar sicherlich kein einfacher Charakter, weil sie sich in Kinderwunsch und Umgang mit ihren Angestellten Puri (Amelyn Pardenilla) sehr ambivalent zeigt. Hier muss ich aber gleich schon Margaret einbinden, denn bei Hilary habe ich mir intuitiv gedacht, dass sie für mich mehr eine grundsätzliche Wärme ausstrahlt und damit auch mütterlicher wirkt. Als Gus (Connor James) beispielsweise in der Rückblicksepisode in eine andere Etage flieht, da war mir das auch in einem konkreten Beispiel vor Augen geführt. Dennoch ist es absolut berechtigt, dass trotz ihrer Wirkung der Kinderwunsch nicht ihr Ideal sein muss. Aus ihrer Ehe mit David bin ich zwar nicht immer schlau geworden, auch weil die Spannungen augenscheinlich nicht nur auf die verschiedenen Positionen bezüglich des Kinderwunschs zurückzuführen sind, aber ich denke auch, dass Margarets Anschuldigungen gegenüber David und dass er Gus entführt hat, viel zerrüttet haben. Auch wenn wir merken, dass Margaret und Hilary nicht mehr die Freundinnen sind, die sie mal waren, aber vielleicht ist David die Entfernung auch nicht konsequent genug gewesen. Weiterhin sind natürlich auch seine Alkoholprobleme nicht zu vergessen. Denn speziell bei diesem Punkt musste ich auch sehr daran denken, was wir zu Hilarys Eltern erfahren. Beide Elternteile Brinder (Sudha Bhuchar) und Daleep (Kavi Raz) haben ihren Auftritt, so dass hier die Thematik, wie viel man als Partner aushalten kann und will, ins Zentrum rückt. Auch wenn ich Brinder und Daleep ungerne mit Hilary und David vergleichen würde, weil es kulturell und von der Generation her ohnehin schwierig ist, so merkt man Hilary zumindest an, dass sie durch die Eltern geprägt ist, denn sie ist nicht so konsequent für sich selbst eingestanden, wie man es vielleicht aus ihren eigenen Erwartungen heraus hätte vermuten können. Umgekehrt hat sie ihren missbräuchlichen Vater aber sehr wohl im Hinterkopf und das führt zu dem so starken Finale, wo ich Hilarys Story sehr einnehmend fand. Ihre Ansage an ihren Vater war richtig stark, aber ebenso konnte ich nachvollziehen, warum sie anschließend zusammengebrochen ist. Dass dann David auch für sie da war, auf einer freundschaftlichen Ebene, hat für mich dann die andere Dimension offenbart. Hilary hat sich ursprünglich mal aus ganz bestimmten Gründen in David verliebt und die werden offenbar durch die Freundschaft wieder besser herausgearbeitet.

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Margaret und Mercy tun sich in der Betrachtung weniger was in dem Punkt, dass sie mich manches Mal halb in den Wahnsinn getrieben haben. Ich bin zugegeben von Kidmans Schauspiel nicht die größte Freundin. Es gibt durchaus Formate, wo sie mich einnehmen kann, aber sie hat auch eine ganz dünne Linie dahingehend, dass sie etwas roboterhaft wirkt, wenn sich bei ihr im Gesicht nichts tut. Es gab da genug Szenen, wo mir das bewusst geworden ist, vor allem wenn sie weint und ihre Augen sagen alles aus, aber im Gesicht tut sich einfach keine Regung und es irritiert mich. Aber das ist nicht alleine ein Grund, warum ich es mit Margaret schwieriger hatte. Denn ihre Mütterlichkeit habe ich schon angesprochen. Dabei hat sie mit Daisy (Tiana Gowen), Philip (Bodhi del Rosario) und eben Gus gleich drei Exemplare. Die ersten beiden Episoden machen sehr deutlich, wie unwohl sie sich in dieser Rolle fühlt. Margaret hadert auch damit, dass sie sich nicht ähnlich wie Hilary beruflich neben Clarke verwirklichen konnte. Da sie dem viel nachjagt und sich fragt, was andere deswegen über sie denken, ist die Mutterrolle Fluch und Segen zugleich. Das hat man besonders an Gus gut aufgezeigt, der für sie so unkontrollierbar ist, so dass sie eine Eifersucht auf Essie entwickelt, die scheinbar so natürlich Zugang zum jüngsten Sprössling findet. An wem lässt Margaret das dann aus? An den Kindern. Deswegen hat sie das Verschwinden von Gus vermutlich auch so aus der Bahn geworfen, denn sie hat sich selbst die größte Schuld gegeben, die sie dann zunächst an Mercy und dann an David weitergeleitet hat. Auch wenn es natürlich ein tragisches Schicksal ist und ich auch Momente, wie in dem Gerichtsmedizinerinstitut, hatte, wo ich voller Mitgefühl war, so war sie auch anstrengend, vor allem was sie in ihrer neuen Überfürsorglichkeit ihren anderen beiden Kindern angetan hat.

Foto: Brian Tee & Nicole Kidman, Expats - Copyright: Amazon MGM Studios; Glen Wilson/Prime Video
Brian Tee & Nicole Kidman, Expats
© Amazon MGM Studios; Glen Wilson/Prime Video

Dabei hat Margaret in Clarke wirklich eine starke Figur an ihrer Seite, zumindest in dem Punkt, dass ihre Ehe hält, auch wenn sie herausgefordert wird. Denn Clarke ist genauso in einem Loch. Er wendet sich dem Glauben zu, auch wenn er zuvor nie gläubig war, aber es ist das, weswegen ich überzeugt bin, dass der Mensch einen Glauben (egal welcher) braucht, denn es braucht einen Anker. In Pastor Alan Mambo (Blessing Mokgohloa) hat er da einen idealen Partner, denn er ist kein Missionar in dem Sinne, sondern wirklich ein Seelsorger, wie man es sich wünscht am Tiefpunkt. Auch wenn es natürlich traurig war, dass sich Clarke in dem Punkt Margaret nicht öffnen konnte, so glaube ich doch, dass es ihm geholfen hat, die Familie zusammenzuhalten. Ich kann daher auf jeden Fall auch sagen, Tee hat seine Rolle großartig gespielt und es ist mir leicht gefallen, seine alte Serienhauptrolle aus dem Kopf zu lassen und ihn zu wem Neues werden zu lassen. Tee und Kidman hatten auch viele sehr emotionale Momente und so sehr sie für sich alleine mich manchmal verloren hat, als Paar war das stark. Auch weil sie so als Zusammenhalt ein wichtiges Gegengewicht zu Hilary und David gelegt haben. Margarets Schicksal ist am Ende sicherlich das Traurigste, aber irgendwo für ihre Persönlichkeit sinnig und auch mit einer Entwicklung sichtbar. Am Ende gibt sie ihre Kinder voller Vertrauen an Essie, die ihr zuvor so ein Dorn im Auge war. Gleichzeitig ist es auch grausam, weil es keine Antworten zu Gus gibt, aber Margarets Entscheidung ist sicherlich die, die am meisten nachhallt und nachdenklich macht.

Foto: Jack Huston & Ji-young Yoo, Expats - Copyright: Amazon Studios; Courtesy of Prime Video
Jack Huston & Ji-young Yoo, Expats
© Amazon Studios; Courtesy of Prime Video

Mercy ist eigentlich eine Figur, wo ich im Vorfeld vermutet hätte, sie leicht mögen zu können. Aber sie hatte schnell eine Art an sich, die mich verwirrt hat und die schwer zu greifen war. Wer war Mercy letztlich eigentlich? Vielleicht liegt die einzige Antwort im Finale, wo sie in den Armen ihrer Mutter zusammengebrochen ist und die verletzliche Version ihrer selbst dargestellt hat. Ansonsten hatte ich aber ständig das Gefühl, sie spielt etwas. Ist sie die Frau von Welt, die sie unter Gleichaltrigen abbildet? Ist sie diese Frau, die mit David teilweise umgeht, als könnte sie an ihm all das ablassen, was sie bei anderen nicht kann? Oder ist sie doch die, die zu den Woo-Kindern sofort einen Draht hatte? Es war wirklich schwierig und auch wenn sie mit Charly (Bonde Sham) sicherlich eine Herzensperson gefunden hat, aber so richtig verstanden habe ich sie in den Momenten auch nicht. Sie steht sicherlich viel unter dem Einfluss der Eltern, was ihnen im ostasiatischen Raum viel nachgesagt wird mit Erwartungsdruck etc., aber so einfach war die Erklärung sicherlich nicht, aber bei mir kam es nicht recht rüber. Aber es war auch hier bezeichnend, dass sie ihre stärkste Episode am Ende hatte. Mit den drei Frauen wird dann auch eine besondere Erzählweise angeboten, denn sie treffen sich jeweils zu zweit und sprechen sich mit Stichwort Vergebung aus. Doch man sieht nie konkret, wer gerade mit wem spricht. Das wurde als Stilmittel gewählt, damit es so wirkt, als würden alle drei eigentlich zu uns Zuschauer*innen sprechen. Das fand ich sehr clever, denn gerade als Frau hat man dort drei sehr unterschiedliche Rollen angeboten, die sich am Ende doch in einem Punkt treffen: Verständigung.

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Nun muss ich noch unbedingt etwas zur fünften Episode kommentieren. Auch wenn die Länge sehr grenzwertig war, weil es Spielfilmlänge war, so ist sie doch auch faszinierend. Denn sie ist mehr aus der Sicht der Angestellten erzählt, wovon auch viele Expats sind, wie beispielsweise Essie, die eigentlich von den Philippinen kommt. Sie ist aber auch aus der Sicht von Hongkongern erzählt, so dass hier ein brandaktuelles Thema aufgegriffen werden kann, nämlich die zusehends beschnittene Autonomie durch China. Das fand ich so wichtig, denn wir befinden uns sechs Episoden lang in Hongkong, bekommen aber kaum etwas von der Stadt mit. Auch wenn es um die Expats geht, die vielleicht Hongkong mehr funktionell als kulturell sehen, so fand ich es doch stellenweise erschreckend, wie ignorant alles wirkte. Kaum jemand spricht die Sprache, noch nicht mal Brocken, dazu dann die hochaktuelle politische Gefährdungslage, die aber niemanden so recht zu interessieren scheint, als die Bewohner*innen selbst. Ist aber wohl sinnbildlich für den generellen Zustand auf der Welt. Auch wenn ich Lulu Wang als Serienschöpferin keinen Vorwurf der Ignoranz machen möchte, weil sie eben diese fünfte Episode anbietet und weil sie anhand der individuellen Verständigung der Figuren das Gemeinsame betont, so hat es mich manchmal sehr irritiert und wirkte seltsam separiert. Insgesamt hat mich "Expats" damit durch Episodenlänge, Ignoranz und Widersprüche abgeschreckt, durch Schauspielleistung, Emotionalität und Identifikationspotenzial mit einigen Figuren aber wieder eingefangen.

Fazit

Musste "Expats" unbedingt produziert werden? Schwierige Frage. Nicole Kidman hat die literarische Vorlage durch Janice Y.K. Lee selbst entdeckt und Lulu Wang vorgelegt. Ich verstehe durchaus, was zu dem Inhalt ziehen kann, weil es sehr individuelle Frauenporträts sind, die durch ambivalente Figurendarstellung nachdenklich machen. Gleichzeitig gibt es aber klare Problemstellen, die zwar auch etwas mit mir anstellen, die "Expats" aber sicherlich auch nicht auf das Podest heben, die Serie lange in Erinnerung zu behalten.

Die Serie "Expats" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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