Bewertung
Belasco

61

Schon knapp ein Jahr nach ihrem Best-Of "Something Between Us" halten Belasco ein brandneues Album für ihre Fans, deren Zahl zukünftig rasant vergrößern dürfte und vor allem auch verdientermaßen sollte, bereit. Fleißig sind sie gewesen. Haben sich fürs neue Werk in gewisser Weise neu erfunden und sind doch die Alten geblieben. "61" setzt an genau der Stelle an, wo mit "Something Between Us" aufgehört wurde.

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Der Mensch an sich feiert gern. Wenn man so will, hangelt er sich Jahr um Jahr von Feiertag zu Feiertag, von Ostern zu Pfingsten zu Weihnachten zu Ostern. Erkenntlich zeigt er sich für jeden kleinen Anlass, anzustoßen bzw. auch mal werktags bis Mittag ausschlafen zu können. Siehe hierzu Tag Der Deutschen Einheit oder auch der erste Mai. Besonders dankbar ist der Mensch für Ferien. Der kleine zumindest. Große Menschen freuen sich dann irgendwann nicht über mehr Ferien, sondern über den so genannten Urlaub, welcher allerdings unglücklicherweise ungleich knapper bemessen ist. Für Groß und Klein hält das Leben darüber hinaus noch eine weitere Pläsier parat: Den Karneval – und das sogar über eine komplette Jahreszeit hinweg.

Aber auch, wenn der Aschermittwoch verstrichen und somit der Ernst des Lebens in eben jene zurückgekehrt ist, ist das noch lange kein Grund zum Schnuteziehen. Denn in diesen Tagen kommen Belasco mit einer Platte um die Ecke, die so gut ist, dass sie damit nicht nur Katzen hinterm Ofen hervor-, sondern auch Karnevalsmuffel aus ihrem Versteck und verkaterte Feierfreunde aus dem wohlig warmen Bett herauslocken könnten. Und wenn diese nicht dumm sind, geben sie dieser Versuchung nach.

Denn was Tim Brownlow, Bill Cartledge und Duff Battye in weniger als zwölf Monaten zustande gebracht haben, kann sich durchaus hören lassen. Das leider nicht gerade vom Glück verfolgte Londoner Trio stampfte in Windeseile elf Songs aus dem Boden, von denen keiner den Eindruck eines zweitklassigen Lückenfüllers hinterlässt. Die Vorfreude jener, welche bereits in den Genuss von Belascos schier unendlichen Klangwelten und –weiten gekommen sind, darf als berechtigt angesehen werden. Das inzwischen sechste Werk der Jungs ist nämlich alles andere als enttäuschend. Zwar finden sich auf ihm nicht gleich die ganz großen Melodien, die an Belascos Vorzeige-Hymnen "Chloroform" oder "Something Between Us" anknüpfen können. Muss auch nicht: Der kleine Tim Brownlow steckt wieder einmal ein solches Herzblut in seine Lieder, dass es eine wahre Freude ist, ihm zuzuhören. Und man kommt nicht umhin, sich immer wieder zu fragen, ob all diese Kraft wirklich aus diesem sonst in aller Regel zerstreut bis schüchtern wirkenden Charmebolzen mit dem starken britischen Akzent entspringt und wie das denn bloß möglich ist. Zwar muss man sich damit zufrieden geben, es sich nicht erklären zu können, dennoch: Es ist definitiv möglich. Da ist einer, der weiß um die Wandelbarkeit seiner Stimme und die diversen Möglichkeiten, sie einzusetzen. Vielleicht weiß er sogar um die Begeisterungsjauchzer und all die "Mhhs" und "Haachs", welche er den weiblichen Fans mit Titeln wie "Lawman" und "Finest Things" entlocken dürfte. Denn hier greift der gute Mann einmal mehr dermaßen gekonnt in eine Ecke der Balladenkiste, die immer wieder Lieder hervorzubringen weiß, die auch Männer berühren und im dunklen Kämmerlein womöglich gar die eine oder andere Träne in die Augenwinkel zaubern könnten. Das alles so authentisch und ganz und gar kitschfrei, wie Brownlow und seine Jungs es zuletzt auf ihrem Best-Of Album vormachten.

Das exotische "Butterflies" versprüht nicht nur ein seltsames, selten gekanntes gutes Gefühl in der Magengegend, es versprüht in erster Linie Charme. Nun wäre es jedoch falsch und vermessen zu sagen, dass der Song deswegen nicht zum Stil von Belasco passe, denn dieser Stil ist so vielfältig, dass viele, viele Richtungen unter seiner Definition Platz finden, ohne jemals fehl am Platze zu sein.

Und so macht es auch hier die Mischung. Brownlow, Battye und Cartledge halten an ihrem Rezept fest, ihre insgesamt vor Energie nur so strotzenden Alben mit der einen oder anderen sanfteren Nummer zu spicken und hauptsächlich Vollgas zu geben. "Vollgas" – Das ist wohl auch das Wort, mit dem sich der Einstiegssong "The Earth" am ehesten bezeichnen lässt. Mit Bleifuss legen die Briten auf "61" los und mit diesem großen Opener auch mächtig vor.

Scheinbar mühelos wird mit "Swallow" weiter hochgestapelt, der seinem Vorgänger in Sachen epischem Hörgenuss kaum nachsteht. Song um Song webt Tim Brownlow mithilfe seiner Stimme und gewohnt anspruchsvollen Texten ein Spinnennetz, das so gefährlich klebrig wie verlockend zugleich den Hörer einwickelt und letzten Endes erfolgreich in seinen Bann zieht. Alles unterlegt von Battye am Bass und Cartledge an den Drums, die einen nicht weniger guten Job machen als ihr Sänger. Spätestens nach kleinen Höhepunkten wie "Ask Me" und "Joseph Conin" fühlt sich der von Qualitätsgitarrenmusik betörte Verführte in diesem Bann gut aufgehoben.

Mit "On A Wire" steht bereits die erste Single-Auskopplung fest und diese für den ganz eigenen Stil Belascos, den man einfach lieben muss, wenn man auch nur ein bisschen für Männer mit Gitarren in Bands übrig zu haben meint. Wenn das der Fall ist, sollte man sich "61" zum Pflichtkauf und (mindestens) eine ihre Live-Shows zum Pflichttermin machen.

Tracks

1.Intro
2.The Earth
3.Swallow
4.On a wire
5.In the end
6.Ask me
7.Butterflies
8.What if God
9.Lawman
10.Joseph Conin
11.Finest things

Aljana Pellny - myFanbase
01.05.2007

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