Bewertung
Damien Rice

9

And so it is. Mit diesen vier Worten begann der musikalische Eroberungszug eines irischen Songwriters, der mit seinem Debütalbum “O“ mittlerweile schon seit über fünf Jahren die Herzen dieser Welt berührt.

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Zunächst nur als Geheimtipp gehandelt, katapultierte ihn "The Blower’s Daughter", der Titelsong zum Film "Hautnah", schließlich in die Riege solch famoser Singer-/Songwriter wie Jeff Buckley oder Nick Drake sie einmal waren. Die Rede ist von Damien Rice, einem gefeierten Musikhelden wider Willen, den seine steigende Popularität eher ängstigt als erfreut und ihn sogar fast so weit trieb, die Musik völlig an den Nagel zu hängen. Zur Freude seiner Fans erschien nun aber doch sein mit Spannung erwartetes zweites Album "9".

Schon der erste Track "9 Crimes" erstaunt und entzückt gleichermaßen. War man von Damien Rice bisher hauptsächlich Gitarrenklänge gewohnt, so überrascht dieses Lied mit sanften Klavier-Arpeggios, die dem geneigten Hörer einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Der eigentliche Zauber dieses Songs liegt jedoch wieder einmal in dem großartigen Zusammenspiel mit der hinreißenden Lisa Hannigan, die Rice bereits auf seinem ersten Album stimmlich begleitete. Während der Anfang des Songs noch allein ihr gehört, setzt Rice erst zur zweiten Strophe ein, bevor die beiden Stimmen schließlich auf wundervolle Weise miteinander verschmelzen und von Streichern begleitet den Höhepunkt dieser schwermütigen Ballade erreichen.

"The Animals Were Gone" kann das hohe Niveau des Openers nicht nur halten, es setzt sogar noch einen drauf. Der Song besticht dabei vor allem durch sein großartiges Streicherarrangement sowie die herrlichen Lyrics, die mit solch brillanten Zeilen wie "I love your depression and I love your double-chin" oder "We could get a house and some boxers and on the lawn / We could make babies and accidental songs” wohl auch den letzten Zweiflern deutlich machen, dass Damien Rice das Schreiben in den letzten Jahren nicht verlernt hat. Ganz im Gegenteil, ist es ihm mit "Elephant" doch sogar gelungen ein Gegenstück zu "The Blower’s Daughter" zu schaffen, das mit seiner Rohheit und emotionalen Tiefe schlicht überwältigt und zu Tränen zu rühren vermag.

In "Rootless Tree" hingegen lässt Rice seinen Emotionen ganz anders freien Lauf. Was noch ganz harmlos und melodisch mit akustischer Gitarre beginnt, entwickelt sich im Refrain zu einem lauten wie rasenden "F*ck you, f*ck you, f*ck you / And all we’ve been through". So scheint sich Rice den Schmerz von der Seele singen zu wollen und steigert sich in eine regelrecht wilde Verzweiflung, der gegen Ende durch eine kleine Nuance in den Lyrics ("F*ck you, f*ck you, love you") noch zusätzlich Ausdruck verliehen wird. Da kommen die zwei unbeschwerten Songs "Dogs" und "Coconut Skins" gerade richtig, um wieder für etwas fröhlichere Stimmung zu sorgen, wobei letzterer sogar eindeutig zum Mitwippen verführt.

Mit "Me, my Yoke and I" folgt wiederum ein Lied, das sich nicht nur musikalisch, sondern auch durch seinen kuriosen Songtext stark vom restlichen Werk des Iren abhebt. Der verzerrte Gesang und die zum Ende zunehmend lauter schrammenden Gitarren mögen beim ersten Hören vielleicht noch ein wenig verstörend wirken. Der außergewöhnlichen Wucht dieses Songs tut dies jedoch keinerlei Abbruch. Als "Entschädigung" gibt es im Anschluss daran wieder eine typische Ballade wie sie auch auf "O" vertreten sein könnte. "Grey Room" beginnt tatsächlich erst mal trist und grau. Im Laufe des Songs wird die trübe Stimmung allerdings immer mehr aufgehellt, "’cause nothing is lost, it's just frozen in frost".

Ganz anders beim durchgehend tieftraurigen "Accidental Babies", in dem Rice seinem Ruf als Minimalist wieder mal alle Ehre macht. Lediglich von einem Piano begleitet, gewährt er uns sechseinhalb Minuten lang Einblick in sein intimstes Innerstes. "Well you held me like a lover / Sweaty hands / And my foot in the appropriate place" - Gepeinigt von solch zärtlichen Erinnerungen trauert er mit zerbrechlicher Stimme seiner großen Liebe hinterher. "Do you brush your teeth before you kiss? Do you miss my smell?” fragt er sich und erschlägt den Hörer durch seine brutale Ehrlichkeit: "But do you really feel alive without me? If so, be free / If not, leave him for me / Before one of us has accidental babies”. Zeilen, die man bei jedem anderen wohl als sentimentalen Kitsch empfinden würde, nimmt man Damien Rice nicht nur ab, sondern leidet selbst mit, wenn am Ende nur noch ein herzzerreißendes "What about me?" im Raum stehen bleibt. "Sleep Don’t Weep" erscheint dagegen wie Balsam für die Seele und lullt einen mit Lisa Hannigans besänftigendem Gesang zum Abschluss doch noch in eine wohltuende Stimmung.

Alles in allem bleibt sich Damien Rice auf seinem zweiten Album definitiv treu, auch wenn er mit einigen Überraschungen aufwarten kann. Die schlichte Schönheit der Songs und auch der Texte ist so ergreifend, dass man sich kaum von der Musik losreißen kann, da es heutzutage nur noch wenige Künstler gibt, die einen emotional dermaßen berühren können. Und um es mit den Worten einer bekannten britischen Wochenzeitung zu sagen: "It’s hard not to love this man."

Anspieltipps:

9 Crimes

The Animals Were Gone

Elephant

... im Grunde jeder einzelne Song.

Artistpage:

damienrice.com

Tracks

1.9 Crimes
2.The Animals Were Gone
3.Elephant
4.Rootless Tree
5.Dogs
6.Coconut Skins
7.Me, my Yoke and I
8.Grey Room
9.Accidental Babies
10.Sleep don't weep

Paulina Banaszek - myFanbase
27.11.2006

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