Bewertung
Coldplay

X&Y

Ich gebe zu, dass ich nicht von Beginn an, also dem Durchbruchsjahr 2000 und dem musikalischen schön-erdigen Debütalbum "Parachutes", Notiz von der Band Coldplay nahm. Es benötigte den Song "In My Place", der mich innerlich getroffen hatte. Eine sehr melodische, sensible Facette des Gitarrenrocks, die sofort zu gefallen wusste. Das erfolgreiche zweite Album "A Rush of Blood to the Head" musste ich damals umgehend erwerben. Es zählt zu meinen meist gehörten Alben, doch da war der Nachfolger "X&Y" noch nicht geboren.

Foto: Coldplay - "X&Y" - Copyright: Parlophone Label Group
Coldplay - "X&Y"
© Parlophone Label Group

Mit "X&Y" riskierten die Jungs einen gewagten Schritt nach vorne und brachten mehr Synthies und weitere Computerspielereien ein. Doch es erweist sich als wahrer Triumph, da die Songs dadurch einen sphärischen, teils recht dunklen und dazu melancholischeren Anstrich erhielten. Zur Berieselung oder ausgelassenen Anlässen ist dieser Longplayer nicht geeignet, da die Musik darauf wirklich sehr schwer, aber unheimlich schön ist. Es beginnt schon mit der treibenden Eröffnungsnummer "Square One", die große Erwartungen weckt. Spätestens mit der sanften, erwärmenden Ballade "What If" ist man gespannt und mit gespitzten Ohren voll dabei. Und es lohnt sich aufmerksam zuzuhören.

Der dritte Song "White Shadows" ist der hörbare Beweis dafür, was die Jungs für eine Begabung für einprägsame Melodien haben. Die Mischung der relativen rauen Gitarrenspielereien mit dem Synthiesound gefällt mir äußerst gut. Gefolgt von "Fix You" mit dem Orgelspiel, der insgesamt romantischen Aufmachung, und dem aufbrechenden schönen Gitarrensound am Ende noch ein leicht bekömmlicher Song, driftet man mit "Talk" bereits in dunkelste, melancholische Gewässer ab. Es ist das bislang beste Stück der Truppe, da das eingearbeitete Sample von Kraftwerk so herrlich den kühlen Sound nach vorne treibt und auf eine detailliert ausgefeilte Melodie und raue Gitarrenklänge trifft. Besonders in den Strophen bekomme ich stets eine Gänsehaut, während der Refrain einfach enorm einprägsam ist. Das Titellied "X&Y" überspringe ich manchmal sogar im Hörvorgang. Es ist melodisch und insgesamt qualitativ hervorstechend schön, keine Frage, jedoch dermaßen vor Melancholie triefend, dass man dafür wirklich in Stimmung sein muss. Wenn man sich die Zeilen wie "I wanna love you. But I don't know if I can. I know something is broken. And I'm trying to fix it . Trying to repair it. Any way I can" anhört, erkennt man, dass hier wohl Liebesschmerz aufgearbeitet wird. Es ist ein sehr emotionales Lied, dass atmosphärisch, soundtechnisch und dazu textlich tief unter die Haut geht.

Das vorantreibende wie ein Frischbonbon wirkende "Speed of Sound", das als erste Single veröffentlicht wurde, kann ich dagegen pausenlos hören. Es ist beeindruckend, wie unzerstörbar dieses Lied scheint, da es sich einfach nicht abnutzt. Dazu habe ich stets den schönen Videoclip mit den Farbspielereien im Hinterkopf. "A Message" wirkt zu Beginn schon fast bluesig nimmt dann aber auch zunehmend melancholischere und rockigere Züge an. Textlich ist die Message jedoch rechts stimmungsfroh. Der Auszug "My song is love, is love unknown. And I've got to get that message home" macht klar, dass hier jemand verliebt ist und das groß hinaus verkünden möchte. Wie da wohl die Stimmung im Studio gewesen sein muss, bei der Aufnahme der LP, nebenbei gefragt? Berechtigte Frage, denn "Low" führt dann wieder verstärkt die Schwere in der Musik und textlich ("... All you ever wanted was love . But you never looked hard enough.") auf schöne Weise fort. Man lauscht, man genießt besonders die schön eingeflochtenen Xylophonklänge, doch das Herz wird schwerer und schwerer und man braucht wohl zwischendurch einen knallfröhlichen Partysong zur Abwechslung.

"The Hardest Part" dürfte wohl der heiterste Song auf "X&Y" sein, dank des luftigen, klavierbetonten Arrangements. Hier ist es besonders der Text, der sehr zum Nachdenken anregt und Chris Martins Gesang, jener Melancholie mit einbringt. Die Textzeilen "Everything I do, it just comes undone . And everything is torn apart" geben deutlich Reue und eine trübe Erkenntnis wieder. Der Song ist textlich wohl auf eine unschöne Trennung zurückzuführen, bei der sich jedoch der Verfasser des Liedes selbst mehr die Schuld zuordnet. Bin allerdings der Überzeugung, dass zumeist zwei Personen beitragen, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Vielleicht sollte ihn seine Frau oder so mal öfter in den Arm nehmen?

"Swallowed in the Sea" wirkt sehr befreiend mit den sanft gestrichenen Gitarren. Ein hervorstechender Moment, der auch melodisch triumphieren kann. Dann hätten wir noch "Twisted Logic" in der Sammlung, der mich am wenigsten mitreißt. Das raue Gitarrenspiel, Martins Gesang und der Refrain überzeugen, doch in den Strophen verliert sich der Song. Wie gut, dass sich die Jungs dazu entschieden haben den Hiddentrack "Til KingdomCome" als Abschluss zu wählen. Mit den akkustischen Zügen, einem erwärmenden Soundgewand und einer hübschen Steigerung ist es ganz klar ein Highlight auf "X&Y".

Fazit

Ein auffallend schweres Album durch die melancholische Stimmung, die sich wie ein roter Faden durch die LP zieht. Dennoch eines der schönsten Alben, das Coldplay hervorgebracht haben. Die Melodien sind feinstens herausgearbeitet, genauso die Gitarren- und Synthiesounds. Dazu wurden die Tracks mit zusätzlichen Soundelementen veredelt. Es gibt eine ganze Reihe von Highlights und genau genommen 1% an Songmaterial das etwas schwächer ausfällt. Knapp jedoch nicht die volle Punktezahl dafür, da ich hoffe, Coldplay finden noch eine ausgewogenere Balance im Sound, denn nur melancholische Tracks schränken den Genuss beim Hören auf passende Stimmungen dafür ein. Wenn es auf dem Debüt "Parachutes" so toll klappte, funktioniert es eventuell ja wieder.

Artistpage

Coldplay.com

Tracks

1.Square One
2.What If
3.White Shadows
4.Fix You
5.Talk
6.X&Y
7.Speed of Sound
8.A Message
9.Low
10.The Hardest Part
11.Swallowed in the Sea
12.Twisted Logic
13.Til Kingdom Come

Samuel W. - myFanbase
19.01.2014

Diskussion zu dieser CD