Bewertung
Dido

Girl Who Got Away

Wenn man sich fünf Jahre im Musikbusiness kaum bemerkbar macht, dann kann man schonmal vergessen werden. Besonders, wenn das letzte Album kein kommerzieller Erfolg war. So geschehen bei Dido. Dido wer? Dido, die erste Königin von Karthago? Der Kleinplanet aus "Doctor Who"? Das Kriegsschiff aus dem Zweiten Weltkrieg? Nein, Dido, die mit der "White Flag" und die Eminem die Hook für "Stan" bescherte. Deren erste zwei Alben mit zigtausend Einheiten unter den Top 7 der meistverkauften Platten im Vereinigten Königreich sind.

Foto: Dido - "Girl Who Got Away" - Copyright: RCA Int.
Dido - "Girl Who Got Away"
© RCA Int.

Wer sich immer noch nicht an das "Mädchen, das abhanden kam" erinnert, der wird es nach zwölf Sekunden des Openers wieder wissen. Dann, wenn die Oscar-Nominierte mit ihrer markanten Stimme beginnt zu singen, weicher noch als Jem oder Beth Orton. "No Freedom" ist typisch Dido: Angenehm, von dezenten Gitarren und leisen Beats begleitet, das Gegenteil von "überladen". Im Titeltrack kämpfen sich dann mit der Zeit mehr Synthieklänge ans Tageslicht, der Sound wird voller und der Song zum zweiteingängigsten Titel der Platte. Der eingängigste folgt danach und ist zugleich das Albumhighlight: Nicht nur dass der Refrain von "Let Us Move On" über Tage im Kopf bleibt, durch den Rap von Kendrick Lamar wird der Song auch immer in den Top 5 der coolsten Dido-Songs bleiben. Während sie vor über zehn Jahren noch Eminems Feature war, sind die Rollen nun vertauscht und sie darf sich Unterstützung holen, die den Song von "gut" zu "sehr gut" aufwertet.

Das folgende "Blackbird" schafft wunderbar die Brücke von diesem kantigen Beat zu chilligeren Stücken, indem es die flotteren Strophen mit einem TripHop-Beat einleitet, während der Refrain an Milde kaum zu überbieten ist. "End Of The Night" wirkt mit seinen ruhigen und im Refrain mehrstimmigen Vocals über einem vibrierenden Beat wie eine Nummer aus den späten 80ern oder 90ern, in deren Videoclip durch die nächtliche Großstadt gecruist wird. Ähnlich funktionieren die atmosphärischen Soundcollagen von "Go Dreaming", die an "Worthless" und "Take My Hand" aus dem großartigen Debüt erinnern, mit Ethno-Trommeln aber weitere Akzente setzen. Mit diesem Disco-reifen Track oder dem überraschend funkigen "Love To Blame" ruft Dido allen Kritikern "Aber ich kann doch viel mehr!" zu und kommt zwar nicht qualitativ, aber doch stilistisch an "No Angel" tatsächlich näher als die zwei letzten Platten ran.

"Sitting On the Roof of the World" wird kaum hörbar von Instrumenten unterstützt. Warum, ist klar, wenn man hinhört: Die Weihnachten 1971 als Florian Cloud de Bounevialle O'Malley Armstrong Geborene erzählt in dem Song ihre Geschichte. "There I was sitting of the roof of the world / There I was not knowing how I got there or how to leave / Everyone says I was lucky to have got there / As now, many can / Truth be told I was saved by the look of a good man." Jeder kann sich vorstellen, wie plötzlicher Ruhm einen überrumpeln kann – Dido glaubt man auch, dass Lieben und Geliebtwerden hilft, damit umzugehen.

Die letzten drei Lieder der zum Großteil wieder von ihr und ihrem Bruder Rollo, der früher Teil von Faithless ("Insomnia", "God Is a DJ") war, produzierten Scheibe sind ähnlich leise. Wer genau hinhört, entdeckt mehr als Easy Listening: Er wird noch nie ein so trauriges "Happy New Year" gehört haben – obwohl die Mutter eines 1-Jährigen so mühelos und warm wie immer singt, lässt der dumpfe Basston eine einnehmende Melancholie entstehen. Er wird vom Dance von "Loveless Heart" kurzzeitig mitgerissen, bevor man den Track aber leider wieder vergisst, und von den Worten von "Day Before We Went to War" zu Tränen gerührt. Ein eingängigerer Melodiebogen hätte jenem Schlusslied allerdings gut getan.

Fazit

Dido, die Königin der sanften Töne, ist nach wie vor alles andere als eine kleine Nummer im Musikuniversum. Schnell missverstanden als harmlose Liedchen, finden sich auch auf "Girl Who Got Away" einige Werke voller Charme und Hörgenuss. Der bestechenden Mischung aus chilliger Electronica und melancholischer Versunkenheit von "No Angel" hat sie sich mehr angenähert als es der ebenso erfolgreiche Zweitling tat. Nach fünf Jahren Pause hätte man von Dido aber mehr Ohrwürmer erwarten können, zumal sie eigener Aussage zufolge sofort nach der Veröffentlichung von "Safe Trip Home" ins Studio ging. Mit diesem Titel wird sie sich nicht so sehr bemerkbar machen können, wie Sound und Poesie es verdient haben.

Anspieltipps

No Freedom

Girl Who Got Away

Let Us Move On

Sitting On the Roof of the World

Artistpage

DidoMusic.com

Tracks

1.No Freedom
2.Girl Who Got Away
3.Let Us Move Onfeaturing Kendrick Lamar
4.Blackbird
5.End of Night
6.Sitting On the Roof of the World
7.Love to Blame
8.Go Dreaming
9.Happy New Year
10.Loveless Hearts
11.Day Before We Went to War

Micha S. - myFanbase
14.03.2013

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