Bewertung
Helloween

Unarmed - Best of 25th Anniversary

Fast genau zehn Jahre ist es her, dass mein Bruder mich in ein Metalkneipe geschleppt hat und ich zum ersten Mal live gehört habe, welch grandiose Stimmung man mit E-Gitarren, einem Bass und einem Schlagzeug erreichen kann. Unter anderem spielte die regional bekannte Cover-Band damals auch den "Helloween"-Klassiker "Future World" und ich habe erlebt, dass auch Metaller mit Inbrunst und absolut textsicher mitsingen können. Damals hatten Helloween schon 15 Jahre auf dem Buckel. Und nun, 2010, feiern die Jungs also ihr 25-jähriges Bestehen.

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Zweifelsohne haben die Hamburger Jungs in dem vergangenen Vierteljahrundert viel für den Powermetal getan; und das nicht nur hier in Deutschland. Doch wie so viele Hard 'n' Heavy-Bands überzeugen Helloween vor allem live und gehören auch heute noch zu gern gesehenen Gästen auf den einschlägigen Festivals. Dass man anläßlich des anstehenden Jubiläums auch etwas feiern möchte, versteht sich daher von selbst. Was liegt also näher, als ein paar Klassiker auf ein Scheibe zu pressen, um so an die guten alten Zeiten zu erinnern.

Doch Helloween waren schon immer etwas eigen. Auch dieses Mal geben sie sich nicht damit zufrieden, ein simples Best-Of-Album auf den Markt zu bringen. Vielmehr haben sich Michael Weikath und Co. entschieden, einige Klassiker neu aufzulegen. Dass dies vor allem bei langjährigen Fans zu kontroversen Diskussionen führen wird, war da vorprogrammiert, denn ein neuer Anstrich eckt grundsätzlich immer erst einmal an.

Tatsächlich klingt das Album beim ersten Hören auch überhaupt nicht nach dem typischen Helloween-Album, obwohl Texte und Melodien der einzelnen Songs einem furchtbar vertraut vorkommen. Schell wird jedoch klar, dass die Neufassungen der Klassiker mit Metal absolut nichts mehr zu tun haben. "Future World" wird zu einem eingängigen Pop-Song umgeschrieben, während "Eagle Fly Free" tatsächlich zur Ballade mutiert ist. Hin und wieder klingt ein wenig das alte Helloween durch, es dominieren jedoch Streicher, Bläser und akustische Gitarren. Sogar ein Akkordeon kommt zum Einsatz und ein Gregorianischer Chor stimmt auch mal mit ein.

Bis dato bin ich fassungslos und fasziniert zugleich. Die Scheibe lädt zum gemütlichen Zusammensitzen am Lagerfeuer ein, doch eigentlich höre ich doch Helloween, eine der wichtigsten Metal-Gruppen der letzten Jahrzehnte. Was ist aus den brachialen Riffs geworden, aus den kraftvollen Gitarren und dem "Krach"?

In der Mitte der Scheibe wartet dann doch ein kleines Highlight, im positiven wie negativen Sinne. Wer bis hierhin noch nicht enttäuscht und entgeistert abgeschalten hat, der muss sich durch "The Keepers Trilogy" kämpfen. Über siebzehn (!) Minuten lang breitet sich das Werk aus und kombiniert die drei Klassiker "Halloween", "Keeper of the Seven Keys" und "The King for a 1000 Years" - immerhin handelt es sich bei den drei gewählten Titeln um Schlüsselsong ihrer jeweiligen Alben. Wieder einmal wird sich beim Arrangieren des Prager Symphonieorchesters bedient, was aber niemanden mehr richtig vom Hocker hauen dürfte - zu viele Bands haben sich bereits an der klassichen Instrumentalisierung versucht. Das durchaus positive an dem überlangen Medley ist sicherlich, dass es endlich etwas härter zur Sache geht, wenngleich dies nicht vergleichbar ist mit alter Helloween-Stärke.

Der Rest der Songs plätschert mehr oder weniger belanglos vor sich hin. Absoluter Tiefpunkt ist dann mit "Forever & One" erreicht. Der Song ist bereits in der Originalversion nicht sonderlich kraftvoll. Die Neueinspielung jedoch nimmt noch mehr Tempo heraus, was letztendlich nur ganz knapp an zu viel Pathos oder gar Kitsch vorbei schrammt.

Irgendwie fehlt dem Album etwas essentielles und doch lässt es sich am Ende ganz gut durchhören, ohne dass viel Aufsehen erregt wird. Wenn man sich klar macht, dass dies ein einmaliges Experiment ist, man sich auf den veränderten Stil einlässt und vergisst, dass Helloween im CD-Player rotiert, kann das Album stellenweise sogar ganz interessant sein.

Fazit

Tja, was soll ich sagen? "Unarmed" haben Helloween das Best-Of-Album genannt und irgendwie wirken die Songs auch entwaffnet und ihrer Stärke beraubt. Sicherlich gibt es ein paar ganz gute Momente, doch auch mit sehr viel Wohlwollen ist das Album nicht gerade hitverdächtig. Dennoch: Hut ab, vor so viel Mut, nach 25 Jahren einen komplett anderen Weg einzuschlagen und vielen Fans vor den Kopf zu stoßen. Helloween wirds verschmerzen können. Im Gespräch sind sie mit dem Album auf jeden Fall.

Tracks

1.Dr. Stein
2.Future World
3.If I Could Fly
4.Where the Rain Grows
5.The Keepers Trilogy ( Halloween / Keeper of the Seven Keys / The King for a 1000 Years)
6.Eagle Fly Free
7.Perfect Gentleman
8.Forever & One
9.I Want Out
10.Fallen to Pieces
11.A Tale That Wasn't Right

Melanie Wolff - myFanbase
17.03.2010

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