Interview mit Sabine Schoder

September 2015 | Manchmal braucht es eine eigenwillige Kombination aus Phantasie, Schwarzmalerei und Disziplin, um an das erträumte Ziel zu gelangen. Mit diesen Eigenschaften eroberte die in Vorarlberg lebende Autorin Sabine Schoder inzwischen die Welt der Agenturen, Verlage und Buchhandlungen – und die Herzen zahlreicher Leser. Am 23. Juli 2015 erschien ihr Debütroman "Liebe ist was für Idioten. Wie mich." für Jugendliche und (junge) Erwachsene im Fischer KJB Verlag. Trotz Vollzeitjob im Büro und der Arbeit am neuen Romanprojekt nahm sich die studierte Grafikdesignerin, Jahrgang 1982, spontan Zeit und stellte sich unseren Fragen rund um ihr Erstlingswerk und den Erkenntnissen einer frisch veröffentlichten Autorin.

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Sabine Schoder
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myFanbase: Mit "Liebe ist was für Idioten. Wie mich." liegt dein Debüt vor. Wie entstand die Idee zu deinem ersten Jugendroman und gab es bestimmte Vorbereitungen, um sich (wieder) mit den Gedanken und Gefühlen einer siebzehnjährigen Schülerin vertraut zu machen?

Sabine Schoder: Ich überlege gerade, welche Vorbereitungen das wohl für Kapitel 1 gewesen wären … Eine wilde Party mit Blackout? (lacht) Nein, spezielle Vorbereitungen gab es nicht. Ich fürchte, meine Jugend und Schulzeit haben mich so sehr geprägt, dass ich sie auch fünfzehn Jahre später noch nicht vollständig verdrängen konnte.

Die Grundidee kam mir auf der Beerdigung eines Kollegen. Ich habe an unser letztes Gespräch gedacht und wie bestimmte Ereignisse unsere Einstellung zum Leben verändern können. Aus diesen Gedanken formte sich später das Konzept für die Geschichte.

Deine Ich-Erzählerin Viktoria Stein ist, so könnte man sagen, eine echte Schwarzmalerin. Sie ist kein Gothic-Girl, hat ihre optische Erscheinung (Kleidung, Haare und Zimmerwände) aber dem aktuellen Seelenzustand angepasst. Was hat dich an dieser Figur gereizt?

Es war reizvoll mit Viki in die Dunkelheit abzutauchen – und wieder zurück ans Licht zu finden. Unser soziales Leben besteht aus viel (scheinbarem) Perfektionismus: Wir streben nach dem perfekten Aussehen, der perfekten Wohnung, der perfekten Beziehung … Und fühlen uns unglücklich, wenn wir das Unmögliche nicht erreichen. Es war befreiend, eine Figur zu schaffen, an der solche Zwänge weitgehend abprallen. Außerdem mag ich Charaktere, die nicht perfekt sind, aber trotzdem ein gutes Herz haben.

Neben Sex, Drogen und Rockmusik spielen Themen wie Verlust, Herzschmerz und elterliche Vernachlässigung eine wesentliche Rolle. Dennoch haben Vikis Gedanken und Sprüche rund um Abiturstress, böse Lehrer und (insbesondere) Mädchenschwarm Jay Feretty unterhaltsame Pageturner-Qualitäten. Hat dich Vikis schwarzer Humor beim Schreiben eigentlich selbst hin und wieder zum Schmunzeln gebracht? Es scheint, du hattest trotz der Schwere viel Spaß beim Schreiben.

Die humorvollen Dialoge sind für mich das Highlight beim Schreiben. Und so schizophren das auch klingen mag: Ja, ich muss oft über die Sprüche schmunzeln, manchmal sogar richtig lachen – obwohl ich sie mir selbst ausgedacht habe. Meine Figuren entwickeln oft ein erschreckendes Eigenleben!

Kommen wir noch einmal auf Sex, Drogen und Rockmusik zurück. Im Roman wird gerne mal Gras geraucht. Überdies werden Viki und Jay, der Ex-Rocksänger der Schulband Major Malfunction, sehr intim miteinander. Welcher Altersgruppe würdest du deinen Roman empfehlen und warum lohnt es sich (aus deiner Sicht), ihn als Jugendlicher zu lesen?

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 14 Jahren. Ich selbst habe schon mit zwölf Stephen Kings "ES" gelesen, obwohl das nun alles andere als ein Jugendbuch ist. Es kommt sehr auf die eigene Reife an und die Fähigkeit, gewisse Themen kritisch zu hinterfragen. Manche haben das schon mit zwölf, andere vielleicht erst viel später.

Gerade was das Thema Drogen im Buch anbelangt, ist ein Mitdenken des Lesers gefragt. Man wird im Buch nicht lesen "Drogen sind schlecht", aber es werden ausreichend negative Auswirkungen aufgezeigt, die genau diese Botschaft vermitteln. Den erhobenen Zeigefinger zu verwenden funktioniert in den wenigsten Fällen, weder bei Jugendlichen noch Erwachsenen. In meiner Geschichte können solche Erfahrungen miterlebt werden – und zwar aus sicherer Entfernung.

Was Sexualität in Jugendbüchern betrifft, habe ich eine ganz persönliche Meinung. Ich selbst lese viel und es ärgert mich, wenn jungen Frauen in Büchern regelrecht Angst vor Intimität gemacht wird, als wäre es etwas Schlechtes, das man möglichst lange hinauszögern sollte. Verhütung ist ein sehr wichtiges Thema und auch mit welchen Erwartungen man sich einem bestimmten Partner anvertraut. Das berücksichtigt soll jeder seine eigenen Erfahrungen sammeln und Spaß dabei haben. Auch auf spätere Beziehungen kann sich das positiv auswirken.

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Arbeitsplatz Sabine Schoder
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Jedes Kapitel beginnt mit einem Satz, der zur nachfolgenden Szene passt wie "Dein Atem knistert in meinem Ohr". Wie würdest du die Liebesgeschichte zwischen Viki und Jay in einem Satz zusammenfassen?

Du und ich werden wir.

Auf den letzten Seiten bedankst du dich unter anderem bei deinem Mann, der dich aus deinen Tagträumen geweckt hat, indem er dir einen Stups in Richtung Veröffentlichung gegeben hat. Wie fühlt sich nun die Realität an, in der dein Roman in den Buchhandlungen zu finden ist und auf etlichen Medien-Plattformen besprochen wird?

Unwirklich. Fantastisch. Beängstigend. Oder um es mit jugendlicheren Worten zu sagen: Ich bin immer noch total geflasht. Die Feedbacks übersteigen meine Erwartungen und es ist ein wirklich tolles Gefühl, dass ich so viele Leser mit meinem Text berühren konnte. Außerdem möchte ich mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die eine Rezension geschrieben haben. Als Debütautor muss man sich auf Mundpropaganda verlassen, da zählt jede Stimme. DANKE!

Oft ist es für Autoren eine beschwerliche Reise vom fertigen Manuskript bis hin zur Veröffentlichung. Nicht selten wird das Nervenkostüm durch etliche Absagen geschult. Wie gestaltete sich dein Weg von "Ich habe meinen Roman beendet" bis hin zur endgültigen Verlagsfindung?

Ich bin ein sehr phantasievoller Mensch. Und ich kann gut schwarzmalen. Eine Kombination, die nicht gerade förderlich ist, wenn man etwas Neues wagen möchte (lacht). Auch ich kenne die Berichte von jahrelangen Absagen anderer Autoren und ich ließ mich davon so sehr einschüchtern, dass ich es um ein Haar gar nicht erst versucht hätte. Allerdings hatte das auch etwas Positives: Im festen Glauben, dass meine Geschichte nicht gut genug für eine Veröffentlichung wäre, habe ich sie vom Groben bis ins kleinste Detail überarbeitet. Mehrfach. Letztendlich entstand dadurch eine Textqualität, die mir die Türen zu Agenturen und Verlagen geöffnet hat. Im Sommer 2014 habe ich mich bei meiner Literaturagentur beworben, im Sommer 2015 kam mein Buch heraus. Manchmal geht es also doch verdammt schnell.

Man hört oft, dass der Beruf des Schriftstellers (anfangs) eher ein Nebenbrot zum Vollzeitjob darstellt. Ist das Dasein einer Vollzeitautorin bei dir noch ein Traum oder schon Realität? Wie kann man sich deinen Schreiballtag vorstellen?

Wer reich werden möchte, sollte auf jeden Fall einen anderen Beruf ergreifen. Natürlich gibt es ein paar wenige Bestseller-Autoren, die sich eine goldene Nase verdienen, aber es gibt bei weitem viel mehr Autoren, die nicht mal von ihrem Handwerk leben können. Wer wirklich schreiben will, tut es, egal ob am Ende etwas dabei herausspringt.

Für mich stellt das Schreiben einen wichtigen Ausgleich zum Büroalltag dar. Ich habe einen ganz normalen Vollzeitjob und schreibe an den Wochenenden oder im Urlaub. Am liebsten draußen an der frischen Luft, mit einer Katze auf dem Schoß und viel Ruhe.

Im Oktober wirst du bei der Frankfurter Buchmesse vertreten sein. Warst du schon einmal auf einer Buchmesse? Und wie blickst du diesem Ereignis entgegen?

2014 war ich als unvorbereiteter Besucher völlig überfordert. Dieses Jahr gehe ich das Ganze aber systematisch an: Alle Essenseinladungen, Beglückwünschungen und Partys werden strikt vorausgeplant! Das Leben als Autor kann echt hart sein...

Abschließend stellt sich natürlich die Frage: Arbeitest du bereits an einem neuen Projekt? Wenn ja; bleibst du der Jugendliteratur treu oder faszinieren dich auch andere Genres?

Mich faszinieren auch andere Genres, aber ich bleibe der Jugendliteratur treu. Ich würde ja schon soooo gerne was verraten, aber es ist einfach noch zu früh … Wer "Liebe ist was für Idioten. Wie mich." mochte, dem wird (hoffentlich) auch das neue Buch gefallen!

Okay, eine bekannte myFanbase-Frage muss einfach noch sein! Gibt es derzeit eine Serie, die dich regelmäßig vor die Mattscheibe lockt?

Ich habe keinen Fernseher, die verplanen meine Zeit zu sehr. Aber ich sehe mir gerne Filme und Serien auf dem Laptop an. Im Frühjahr/Sommer waren das "Penny Dreadful" und "Awkward". Außerdem bin ich schon gespannt, ob die neueste Staffel von "American Horror Story" und die Adaption von Cassandra Clares "Shadowhunters" meine Erwartungen erfüllen werden.

Herzlichen Dank für das sympathische wie informative Interview!

Zur Rezension von "Liebe ist was für Idioten. Wie mich."

Doreen B. - myFanbase

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