Interview mit Carolin Wahl

Oktober 2013 | Am 1. Oktober erschien das humorvolle Jugendbuch "Mondscheinküsse halten länger". Es ist zugleich Carolin Wahls Debütroman. Dennoch ist sie längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, so wurde sie zum Beispiel beim Stuttgarter Jugend-Lyrikpreis 2010 Vierte und ihre Kurzgeschichte "Herzabdrücke" gewann im letzten Jahr den Schreibwettbewerb "Liebe in Zeiten der Angst" und somit einen Platz in der 2012er Anthologie "Herzfeinde". Mit MyFanbase unterhielt sie sich über Wanderungen im Erzgebirge, Ideenfindung und was sie als Lehrerin erreichen möchte.

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© Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

1. Du bist erst 21 und veröffentlichst gerade deinen Debütroman "Mondscheinküsse halten länger" – wie bist du zum Schreiben gekommen?

Ich wollte eigentlich nur eine Geschichte erzählen und habe das sehr öffentlich getan, in einem Schreibforum. Dabei war meine Intention gar nicht mal, ein Buch schreiben zu wollen. Ich habe dann deswegen weitergemacht, weil ich aus dem Forum, von den Mädels dort, gutes Feedback bekommen habe. Sie haben immer ganz aufgeregt gefragt: "Wie geht's weiter?" Und dann hatte ich plötzlich 240 Seiten. So habe ich angefangen.

2. Zuletzt hast du einen sehr großen Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen.

Das war so ziemlich der größte, bei dem ich mitgemacht habe. Und der "Tribute von Panem"-Schreibwettbewerb von Oetinger, triboox und LovelyBooks war sehr kommerziell. Ich kam in die Top 10 – als ich das erfuhr, bin ich schreiend durchs Haus gehüpft. Dann wurde gevotet, wer letztlich die Siegergeschichte geschrieben hat. In der Zeit – ich hatte auch noch gerade Prüfungsphase! – habe ich wie eine Wilde ständig auf meine F5-Taste gedrückt und fast meinen Laptop aus dem Fenster geschmissen.

3. Daraus ist ein eBook entstanden – wir von MyFanbase beschäftigen uns gerne mit neuen Wegen der Literatur. Wie stehst du dazu – siehst du im eBook die Zukunft?

Meiner Meinung nach geht das Medium eBook mit dem Medium Print Hand in Hand. Ich muss sagen, ich habe eine Zeit lang wirklich nicht sehr viel gelesen, bis ich meinen Kindle bekam und mir da Sachen draufgeladen habe. Aber von zehn 99-Cent-Büchern waren vielleicht zwei, drei gute dabei. Was ich aber empfehlen kann: "Kirschroter Sommer", oder die Bücher von Katrin Koppold! Und alle literarischen Werke wie "Faust" gibt es umsonst und der ganze gelbe Reclam-Berg entfällt - ich als angehende Germanistin finde das wirklich toll. (lacht)

4. Nun aber zu deinem ersten gedruckten Roman ...

Ja! Und es ist so süß illustriert! Überall so kleine Monde und Katzen, die sich küssen, mit wegfliegenden Herzen ... ich freue mich so darüber!

5. Wie ist die Idee zu "Mondscheinküsse halten länger" entstanden?

Ich hatte die Idee schon, als ich 13 war. Als ich von Stuttgart nach Nürnberg gezogen bin – ich hatte dort zuerst Grundschullehramt studiert -, habe ich den Zettel wiedergefunden, neben alten Skizzenblöcken und Pitches. Als mein Agent mich gefragt hat, was ich so in petto hätte, habe ich ihm von dieser Idee erzählt, weil sie mir gefiel. Wir haben es dann zusammen ausgearbeitet, ich habe die Geschichte geschrieben und dann ist sie beim Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag gelandet.

6. Und jetzt studierst du in München Gymnasiallehramt ...

Ja, und zwar mit den Fächern Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Ich habe vorher mein Praktikum in einer Grundschule gemacht, woran ich große Freude hatte, aber nach einer Woche war mir schon klar, dass ich das nicht mein Leben lang machen kann. Mir hat der Gedankenaustausch mit Älteren gefehlt – und ich würde gerne später richtungweisend für Pubertierende sein. Einen Schreibkurs anbieten oder eine Theater AG oder so. Ich denke schon, dass es für das Künstlerische, Kreative einen Ansprechpartner an der Schule benötigt – und das wäre ich gerne.

7. Ich kenne eigentlich sogar relativ viele Autoren, die Deutsch auf Lehramt studieren. Was ist für dich persönlich der Vorteil für die schriftstellerische Arbeit? Tut man sich gar leichter mit der Jugendsprache bei der Arbeit an einem Jugendbuch?

Also, das fachliche Handwerk Deutsch hat relativ wenig zu tun mit der Arbeit an einem belletristischen Roman oder einem Unterhaltungsroman. Daher glaube ich, dass der Bezug der Jugend mir mehr bringt, als das Fachdeutsch, ja.

8. Kannst du dich noch daran erinnern, wie du mit 13 schon auf die Idee zum Buch gekommen bist?

Ich war mit meiner Mama und meinem Stiefpapa im Erzgebirge wandern! (lacht)

9. Hast du dich auch so verlaufen wie deine Hauptfigur Lene?

Nein, ich bin nicht verloren gegangen. (lacht) Wir waren auf der tschechischen Seite wandern und man spürt dort sehr die Umwelt. Ich konnte da richtig in mich gehen. Das Hotel war auch im Nirgendwo und es war wirklich schön dort.

10. Die 16jährige Lene freut sich überhaupt nicht auf den dreitägigen Wanderwettbewerb im Erzgebirge. Wie war das bei dir?

Ich glaube, mit 13 freut man sich generell nicht, wenn man mit seinen Eltern irgendwohin fährt. (lacht) Innerlich habe ich mich aber wohl schon gefreut, so richtig erinnern kann ich mich nicht.

11. Provokant gefragt: Ist Lene eigentlich eine Tussi?

Nee, sie hasst einfach das Wandern. Sie hat auch ein bisschen Angst vor sich selbst, dass sie da hin geht und sich mit sich selbst auseinander setzen muss ... und die Kriechviecher, die überall sind! Und keine Möglichkeit zum Haarewaschen! Mädels und keine Möglichkeit zum Haarewaschen, das ist ja sowieso so ein Thema für sich. Lene hätte lieber einen Hip-Hop-Tanzkurs während der Projekttage belegt, aber sie hat dann ihrer Freundinnen zuliebe doch zum Wandern zugesagt.

12. Lene landet in einem Team mit Ferdinand, der total angesagt ist, aber auch ziemlich arrogant. In Serien ist die Hauptfigur trotzdem in den eingebildeten Schulschwarm verliebt – Lene hingegen nicht ...

Diese 'Arschlochtaktik' von Männern habe ich auch im Buch analysiert! Das darf man dann gerne nachlesen, auch was Ferdinand betrifft (lacht). Marc Meier aus "Doctor's Diary" zum Beispiel! Lene ist so ein bisschen die Person, die ich selbst gerne in dem Alter gewesen wäre. Sehr ehrlich, steht sehr zu sich selbst, sagt ihre eigene Meinung, ist sehr reflektiert – ich glaube einfach, viele Mädels in dem Alter schwimmen so ein bisschen. Sie sagen bei der einen das eine und bei der anderen das andere. Lene soll so ein bisschen auch Vorbild sein für Mädels in dem Alter. Sie zeigt auch, dass man durchaus Fehler machen darf – sie hat zum Beispiel Krach mit ihrer besten Freundin, weil sie eben zu viel Lene ist.

13. Hast du die Inspiration für Lenes beste Freundin Pia im echten Leben gefunden?

Die Mädels um Lene herum sind auch sehr eigenständige Persönlichkeiten. Die Inspiration habe ich mir nicht aus dem Umfeld geholt.

14. Mein liebster Ratschlag ist ja gerne: 'If you have to cry, go outside." Was hättest du dir gewünscht, das man dir früher über den Literaturbetrieb gesagt hätte?

Ich muss sagen, für mich ist das alles eine große Familie. Ich habe bisher kaum Negatives erfahren. Autoren, zu denen ich aufgeschaut habe, als ich elf war, schreiben mir supernette Nachrichten auf Facebook. Und in diesen Schreibforen pusht sich auch jeder.

15. Wenn du doch mal Schreibblockade hast, was hilft dir dann?

Ich habe verschiedene Playlists für verschiedene Stimmungen, die passen dann immer gut, um mich in die richtigen Stimmungslagen zu bringen.

16. Welche Pläne hast du für die Zukunft?

Ich würde gerne mehr New Adult schreiben – man hat in der Pubertät diese großen Gefühle und Ende zwanzig Torschusspanik, aber das man mit Anfang zwanzig an der Uni rumrennt mit der Frage: "Ist das das richtige Studium oder soll ich nicht doch lieber eine Ausbildung machen und was ist eigentlich mit dem Typ von letzter Woche?" – das ist auch wichtig und das ist jetzt auf dem Literaturmarkt im Kommen. Mal schauen, ob sich dahingehend nicht etwas entwickelt ...

Ich danke dir für das Gespräch, liebe Carolin!

Simone Bauer - myFanbase

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