Bewertung
Karrenbauer, Katy

Ich wollte einen Hund - jetzt habe ich einen Vater

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Katy Karrenbauer: Ich wollte einen Hund - jetzt hab ich einen Vater
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Inhalt

Demenz ist ein Thema, das uns alle angeht. Es ist ein Thema, welches emotionale Höhen und Tiefen bietet. Was passiert, wenn man über 50 Jahre keinen wirklichen Kontakt zum eigenen Vater hat und dann aber in die Situation gerät, sich um den entfremdeten Vater zu kümmern, der an Demenz leidet? Was ist, wenn man einen Beruf hat, der eher ortsungebunden ist und dann auch noch andere Faktoren dazu kommen, die einen auch belasten wie beispielsweise die eigene Vergangenheit oder eine gewisse Einsamkeit? Demenz geht uns alle an, weil jede*r jemanden kennt, der davon betroffen ist und dennoch ist es nach vor gewissermaßen ein 'Tabu'-Thema.

Kritik

Ich bin eigentlich spät auf das neueste Werk von Katy Karrenbauer aufmerksam geworden. Das ist sogar irgendwie seltsam, weil ich schon finde, dass sie ein Mensch ist, der Dinge beim Namen nennt, dabei aber dennoch ein großes Maß an Einfühlungsvermögen hat. Besonders bei diesem Thema hat man in meinen Augen gemerkt, dass sie von der Seele geschrieben hat. Ich denke, sie hat zum einen von der Seele geschrieben, weil sie, wie sie selbst im Buch geschrieben hat, anderen Mut machen will. Der andere Teil ist eben, dass sie über ihren Vater schreibt. Über ein Familienmitglied zu schreiben, erfordert einiges an Offenheit. Aber ich bin froh, dass Katy Karrenbauer diesen Schritt getan hat. Ich selbst habe kein Familienmitglied mit dieser Krankheit, aber einige im Freundes- und Bekanntenkreis. Man bekommt und bekam zwar immer 'Schnipsel' mit, aber man fragt eben nicht genauer nach. Warum? Teils aus Angst bzw. vorwiegend für mich persönlich, ob man denjenigen, besonders den Personen, die es erleben und vielleicht auch pflegen, zu nahe tritt. Weil man sich nicht sicher ist, ob der Zeitpunkt nun passend ist, zu fragen oder nicht. Oder auch, ob man die Fragen/Ansichten nicht ganz verständlich formuliert und es dadurch zu Missverständnissen kommt. Ich persönlich warte dann immer, wann die Person selbst bereit ist, über das zu reden, was sie beschäftigt.

Katy schreibt hier sehr offen und ehrlich, was sie am meisten beschäftigt hat. Es waren vor allem Dinge, die ihren Vater betreffen und wenn man das so liest, lernt man das Innere von der Schauspielerin, die jahrelang die knallharte Walter in "Hinter Gittern – Der Frauenknast" gespielt hat, viel mehr und besser kennen und bei ihr kann man gut das Sprichwort anwenden 'Harte Schale, weicher Kern' - denn genau das trifft es haargenau. Beim Lesen ging mir auch noch etwas anderes durch den Kopf, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich es schriftlich so rüberbringen kann, wie ich es meine. Ich habe mich gefragt, ob es für Katy nochmal anders gewesen wäre, ihren Vater zu pflegen, wenn sie das innige, emotionale und vertraute Verhältnis zu ihm schon vor Jahren gehabt hätte, was sich die beiden jetzt aufgebaut haben. Aber wie sagt man immer so schön? Manche Dinge sollen eben zu bestimmten Zeiten passieren, auch wenn man die Gründe dafür niemals erfahren wird und genauso scheint es hier zu sein. Vater und Tochter sollte diese gemeinsame Zeit erst jetzt geschenkt werden, vielleicht auch, weil besonders Katy als Tochter jetzt noch ein viel besseres Verständnis und vor allem auch eine andere Perspektive auf die Dinge hat und sie erkannt hat, dass ihr Vater sie immer geliebt hat, eben nur auf seine Art und Weise.

Mich hat vor allem berührt, wie sie über die damaligen Erinnerungen und gepaart mit den Perspektiven, gesprochen hat, die wirklich ans Herz gehen und bei denen man sich selbst für sie wünscht, manche Dinge wären eben anders gekommen. Allerdings nicht von dem Hintergrund her, dass die jetzige Gegenwart schlimmer ist, sondern nur anders. Hier spielte für mich auch ein bisschen die 'Was wäre wenn'-Frage hinein. Aber wie gesagt, die Gegenwart ist deswegen nicht schlechter. Ich fand es auch interessant und wichtig, dass Katy geschrieben hat, dass die Dinge zwar schwierig und anstrengend sind, aber eben nicht unmöglich und ich denke, das ist mit die wichtigste Botschaft dieses Buches und nicht nur für diejenige, die Demenzkranke pflegen, sondern für körperliche eingeschränkte Personen, bei denen ja auch immer wieder und teilweise auch über sie gesagt wird, xy sei zu anstrengend und nicht machbar. Bei Katy gibt es das nicht. Es gibt vielleicht Momente, wo es auch für sie den Anschein hatte, das geht nicht. Aber es sind eben Momente, die vergehen, wenn man den Weg zum Ziel 'sehen' kann und mich hat es emotional sehr berührt, als ihr Vater sie unbedingt bei den 'Karl-May-Festspielen' sehen wollte. Bei diesem Abschnitt konnte man fast wörtlich herauslesen, wie sehr ihr das Seelenheil am Herzen liegt und sie wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, damit der Herzenswunsch ihres Vaters in Erfüllung geht. Und auch hier gab es (berechtigte) Zweifel, ob die ganze Aufregung nicht doch auch einen Demenzschub bei ihrem Vater hätte auslösen können – nun ja. Katy hat sich und macht sich die ganze Zeit darüber Gedanken, ob das, was sie tut, auch das Richtige ist. Ich denke, hier spielt auch das Bauchgefühl eine entscheidende Rolle und wie gut man die Person kennt. Vater und Tochter verbringen eine sehr intensive Zeit miteinander, so dass ich rein vom Lesen her sagen kann, dass es die richtige Entscheidung war.

Bei "Ich wollte einen Hund - jetzt habe ich einen Vater" kann man auch ganz wunderbar den Oscar-Film "Still Alice" mit Julianne Moore anbringen, der eine sehr ähnliche Thematik hat. Denn für mich haben Buch und Film eines gemeinsam: Es geht im Großen und Ganzen um die Liebe, die verbindet und an die man sich immer irgendwie wird erinnern können. Katy Karrenbauer schreibt in diesem Buch aber auch ganz offen über ihre eigenen Gedanken und Gefühle, die mich mehr als einmal an mich selbst erinnert haben und die mich erstaunt haben, weil ich mich genau von ihr verstanden gefühlt habe und ich konnte sie dadurch auch gut verstehen.

Fazit

Katy Karrenbauer hat "Ich wollte einen Hund - jetzt habe ich einen Vater" vor allem als Mutmacher für andere Betroffene geschrieben, jedoch finde ich, dass es noch so viel mehr ist als das, was sie 'beabsichtigt' hatte. Ich kann dieses Buch mit seinen knapp 225 Seiten jedem empfehlen, auch wenn man kein Fan von ihr ist. Man wird es nicht bereuen.

Daniela S. - myFanbase
06.11.2023

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