Bewertung
Niven, John

Gott bewahre

"Da kommt Gott – tut so, als wärt ihr beschäftigt."

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Inhalt

Gott ist sauer. Da war er nur mal ein paar Tage, umgerechnet etwa 400 Erdenjahre, zum Angeln und schon sind die Menschen außer Rand und Band. Kriege, Umweltverschmutzung, Kapitalismus, Reality-TV ... Gott beschließt, seinen Sohn Jesus wieder runterzuschicken, damit dieser den Menschen die einzig wahre Botschaft verkündet: seid lieb! Auf der Erde angekommen, schlägt sich Jesus in New York wenig erfolgreich als Musiker durch und versammelt eine kleine Schar von Außenseitern und Ausgestoßenen um sich. Seine einzige Chance, die Welt auf sich aufmerksam zu machen, scheint die Castingshow "American Pop Star" zu sein, die er zwar bescheuert findet, die jedoch als erfolgreichste Fernsehsendung der USA ein Millionenpublikum erreicht. Also macht sich Jesus kurzerhand mit seiner kleinen Gemeinde auf den Weg nach Los Angeles, um für Furore zu sorgen.

Kritik

Wenn man sich die amerikanische Gesellschaft als einen großen menschlichen Körper vorstellt, dann ist John Nivens Roman "Gott bewahre" ein Stiefel, der diesem Körper gehörig in den Hintern tritt. Niven nimmt das US-Fernsehen ebenso aufs Korn wie die amerikanische Rechtsprechung und die großen US-Behörden, doch vor allem rechnet er ohne Umschweife mit dem Christentum ab, speziell eben mit dem Christentum in den USA.

Der erste Abschnitt dieses in insgesamt sechs Teile gegliederten Romans spielt im Himmel bei Gott, Jesus Christus, diversen Heiligen und Jimi Hendrix. Schnell wird deutlich, dass die Katholische Kirche und alle anderen christlichen Kirchen, die aus ihr erwachsen sind, sehr viel missverstanden haben. Gott erwartet nämlich keineswegs, angebetet zu werden, er will nicht, dass man in seinem Namen Kirchen errichtet, und es nervt ihn total, wenn Promis sich bei Preisverleihungen bei ihm bedanken. Gott hat auch kein Problem mit vorehelichem Geschlechtsverkehr, ebenso wenig wie mit Schwangerschaftsverhütung oder Abtreibung. Des Weiteren gehören Homosexuelle zu seinen erklärten Lieblingsmenschen und dass Marihuana illegal ist, kann er absolut nicht verstehen, schließlich hat er es erfunden, um den Menschen eine Freude zu machen. Die Zehn Gebote haben wir auch nicht Gott zu verdanken, sondern einem profilneurotischen Moses, der eigentlich nur ein einziges Gebot in die Welt tragen sollte: seid lieb! Genau dieses Credo soll nun Jesus bei seinem zweiten Besuch auf Erden verkünden.

Jesus' Erlebnisse, seine Reise von New York nach Los Angeles, sein Auftritt in der Castingshow "American Pop Star" und die Zeit danach, sind eine zynische Neuinterpretation des Neuen Testaments. Vieles von dem, was Jesus vor 2000 Jahren in Israel erlebt und getan hat, erlebt und tut er nun wieder, nur eben in einer modernen, US-amerikanischen Version. So schart Jesus erneut Jünger um sich, mit denen er durchs Land reist, bei denen es sich diesmal jedoch nicht um fromme Fischer und Handwerker handelt, sondern um Ausgestoßene der amerikanischen Gesellschaft, um Alkoholiker, Obdachlose, Ex-Prostituierte, HIV-Infizierte, usw. Wieder wird Jesus zeitweise von den Massen gefeiert, in diesem Fall als Kandidat einer Fernsehshow, dann von allen Seiten verurteilt und beschimpft, um letztlich triumphal aufzuerstehen und zur Legende zu werden. Es gibt zudem neue Varianten des Letzten Abendmahls und der Armenspeisung, wir erleben Entscheidungsträger, die ihre Hände á la Pilatus in Unschuld waschen wollen, und auch das Judas-Motiv wird aufgegriffen.

"Gott bewahre" ist eine bitterböse und intelligente Satire, die hervorhebt, wie erschreckend bigott viele Christen in den USA, aber auch in Europa, sind. Dass manche Menschen tatsächlich glauben, sie seien gute Christen und tun Gottes Werk, wenn sie Homosexuelle attackieren oder Abtreibungskliniken in die Luft sprengen, kann man fast nur noch mit Zynismus quittieren. Logische Argumente helfen da nicht mehr. Natürlich sind auch Nivens Spitzen gegen das Konzept der Castingshows nicht zu verachten und fallen bei mir persönlich auf fruchtbaren Boden, da ich diese Sendungen nicht ausstehen kann. Das habe ich, wie dieser Roman zeigt, mit Gottes Sohn gemeinsam.

Trotz vieler Stärken schöpft "Gott bewahre" sein Potential aber nicht so ganz aus, wie ich finde. Von den Verballduellen zwischen Jesus und dem skrupellosen Chef der Castingshow, neben dem Dieter Bohlen wie ein harmloses, unbedeutendes Gänseblümchen wirkt, hatte ich mir etwas mehr versprochen. Auch hätten im letzten Kapitel die Nachwirkungen der Ereignisse noch etwas mehr thematisiert werden können, um vielleicht auf den Aspekt der modernen Apostel (Journalisten, Blogger etc.) einzugehen. Doch welcher Roman ohne Makel ist, der werfe den ersten Buchstaben ...

Fazit

Fans von zynischen, intelligenten Satiren, die reich an Anspielungen sind (in diesem Fall biblischer Natur), kommen bei John Nivens "Gott bewahre" voll auf ihre Kosten.

Maret Hosemann - myFanbase
10.09.2011

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