Das Konzertjahr 2010

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Denkwürdigster Konzertmoment

Stephanie Stummer meint:

#1 Tocotronic (Posthof, Linz, 31.3.)
Zwei Zugaben waren schon gespielt, die übliche musikalische Beschallung und die Lichter wieder an, der Saal bereits zu zwei Dritteln leer – nur eine Handvoll Wahnsinniger klatschte sich noch immer die Finger wund. Und sie wurden belohnt: Tocotronic kehrten noch einmal zurück und legten eine triumphale Version von "Pure Vernunft darf niemals siegen" hin - wegweisend!

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Kurt Wagner and Cortney Tidwell present KORT im Kino, Ebensee
© myFanbase/Stephanie Stummer

#2 Kurt Wagner and Cortney Tidwell present KORT (Kino, Ebensee, 13.11.)
Ein bestuhltes Konzert, nur ein einziger Stockbesoffener schwankte halb weggetreten vor der Bühne rum – anstatt sich zu ärgern, widmeten ihm Kurt und Cortney eine herzzerreißende Version von Jefferson Airplanes "Today", bei der an großen Gesten ("to be living for you is all I want to do") nicht gespart wurde. Während der Saal Tränen lachte und selbst die Musiker Mühe hatten, an sich zu halten, schien der Gute sein Glück nicht mal mitzukriegen.

#3 Wilco (Circus Krone, München, 24.9.)
Für ein paar Augenblicke drischt Drummer Glenn Kotche im wahrsten Sinne des Wortes auf das so schöne "Via Chicago" ein – während wahrscheinlich nicht nur mein Herzschlag vor Schreck für einen Moment aussetzte, zuckten Jeff Tweedy und Nels Cline nicht mal mit der Wimper und sangen so gelassen und lieblich weiter, als könnten sie den ohrenbetäubenden Krach hinter sich gar nicht hören. Während man diese Verfremdungen auf CD als gar nicht so tragisch empfindet, fiel man auch beim zweiten Frontalangriff wieder aus allen Wolken – aber dazu sind Konzerte schließlich da!


Paulina Banaszek meint:

#1 Trombone Shorty (Enjoy Jazz, Karlstorbahnhof, Heidelberg, 27.10.)
Der Auftritt von Posaunist Trombone Shorty bei Enjoy Jazz wäre mir schon ohne Zugabe als denkbar denkwürdiges Konzerterlebnis in Erinnerung geblieben. Was dem Abend jedoch die absolute Krone aufsetzte war eine immens coole Aktion, die wahrscheinlich wirklich nur eine Band aus New Orleans bringen kann. Denn nach einem herrlichen Moment gespielter Ratlosigkeit, in dem sich alle Musiker auf der Bühne kurz zu einem Kreis zusammenfanden, um gemeinsam tuschelnd den letzten Song zu bestimmen, und das Publikum bereits ahnte, dass was Großartiges nahte, folgte ein "Bäumchen wechsle dich"-Spiel der ganz besonderen Art: Trombone Shorty setzte sich ans Schlagzeug und der Drummer griff zur Gitarre, der Gitarrist übernahm das Saxofon, der Saxofonist hängte sich den Bass um und der Bassist spielte einen Song lang Posaune. Und das Faszinierende: Man merkte kaum einen Unterschied im Sound.

Foto: An Evening With Stars: A bei Stars im eXcentris, Montreal - Copyright: myFanbase/Willi S.
An Evening With Stars: A bei Stars im eXcentris, Montreal
© myFanbase/Willi S.

#2 An Evening With Stars: A (eXcentris, Montreal, 16.2.)
Die kanadischen Indie-Popper von Stars spielten einen Charity-Gig zu Gunsten von Warchild und luden dafür gleich eine ganze Reihe von Support-Acts ein - darunter auch A, ein herrlich schräges Projekt von Andrew Whiteman, seines Zeichens Gitarrist von Broken Social Scene und Frontman von Apostle of Hustle, und seiner Frau Ariel. In voller Proll-Montur (Sonnenbrille, Jogginganzug, fette Goldkette) bzw. weißem Indianerbraut-Fransenkostüm spielten sie ein leicht orientalisch angehauchtes Mini-Set auf Mini-Synthesizern sowie scheinbar selbst gebastelter, mit nackten Frauen versehener Ramkie-Gitarre und sorgten nicht zuletzt durch ihre urkomisch unkoordinierten kleinen Tanzeinlagen für einen Heidenspaß. Denn es geht einfach nichts über eine gesunde Portion Selbstironie.

#3 Caribou (Enjoy Jazz, Karlstorbahnhof, Heidelberg, 16.11.)
Es war eng im ausverkauften Karlstorbahnhof. Sehr eng. Und stickig noch dazu. Was eine ganze Horde Intelligenzbestien im Saal jedoch nicht daran hinderte, sich auf der Suche nach besserer Sicht, frischerer Luft, einem weiteren Bier oder der aus den Augen verlorenen Begleitung permanent mit ausgestreckten Ellenbogen an einem vorbei zu drängeln. Doch pünktlich zu den ersten Tönen von "Jamelia", die mich einen kleinen Freudenschrei ausstoßen ließen, da ich nie damit gerechnet hatte, den Song ohne Gastsänger Luke LaLonde live hören zu dürfen, war plötzlich Luft und Platz da, die nervtötenden Menschen um mich herum scheinbar verschwunden und der Ersatzsänger noch dazu kaum vom Original zu unterscheiden. Als daraufhin auch noch eine phänomenale Performance des Überhits "Odessa" folgte und man den neu gewonnenen Raum ausgiebig zum Tanzen nutzen konnte, war alles wieder gut.


Willi S. meint:

#1 Sophie Hunger (Haus der Musik, Wien, 4.6.)
Dass Sophie Hunger das Haus der Musik rechtzeitig zu dessen zehntem Geburtstag mit einem Gratiskonzert beehrte, war allein schon Grund genug zur Freude. Als sie dann aber die Bühne betrat und spontan verkündete, dass sie und ihre Bandkollegen den kompletten Gig (ungeprobt!) unplugged spielen würden, war die Überraschung perfekt. Diesem unvergesslichen, lautstark umjubelten Moment folgten im weiteren Verlauf des Abends zum Glück noch viele weitere.

Foto: Emily Jane White im Cabaret Fledermaus, Wien - Copyright: myFanbase/Willi S.
Emily Jane White im Cabaret Fledermaus, Wien
© myFanbase/Willi S.

#2 Emily Jane White (Cabaret Fledermaus, Wien, 10.11.)
Zu Beginn schien es so, als stünde Emily Jane Whites Auftritt unter keinem guten Stern: Aus Platzgründen musste sie ihre Tour ohne Klavier bestreiten und sich somit auf ihre Gitarrenstücke beschränken. Darüber hinaus teilte sie gleich vorweg mit, dass ihr neuestes Album, welches ich am Ende dieses Abends endlich in Händen halten wollte, inzwischen ausverkauft war. Das alles war jedoch dank einer freudigen Überraschung zum Schluss schnell vergessen: Als Entschädigung für die beiden schlechten Nachrichten kündigte sie eine sieben Lieder umfassende Zugabe an, die, wie sich herausstellen sollte, fast alle meine Favoriten von ihrem famosen Debüt umfasste.

#3 The Unthanks (Haus der Musik, Wien, 25.4.)
Welch sympathischer Haufen! Nicht nur mit ihrer starken Gesangsleistung, sondern auch mit ihrer unverschämt charmanten Art spielte sich das Geschwisterpaar Rachel und Becky Unthank direkt in die Herzen des Publikums. Den Höhepunkt des Abends stellte eindeutig ihre mitreißende Interpretation von "Betsy Bell" dar, die mit einer äußerst unterhaltsamen Stepptanzeinlage untermalt wurde.


Christian Finck meint:

#1 Lady Gaga (O2 World, Berlin, 11.5.)
Es gibt ja immer noch einige Leute, die behaupten, dass Lady Gaga keine gute Sängerin wäre. Wären diese Leute bei einem der Gigs gewesen, wüssten sie es nun besser. Besonders dann, wenn Gaga "Speechless" am brennenden Klavier performt und über 10 000 Leute im Chor mitsingen, muss man einfach hin und weg sein. Großartig!

Foto: Lady Gaga, O2 World, Berlin - Copyright: myFanbase/Christian Finck
Lady Gaga, O2 World, Berlin
© myFanbase/Christian Finck

#2 Lady Gaga (O2 World, Berlin, 11.5.)
Betrachtet man die Show, war Lady Gaga sicherlich das Konzerthighlight für mich in diesem Jahr. Aufgrund einiger durchschnittlicher Songs im Set hat es jedoch nicht für die Top 3 gereicht. Highlights hatte die Show genug und deshalb wird sie hier gleich zwei Mal gelistet, denn die Performance von "Paparazzi", während der überraschend ein gigantisches Tentakel-Monster die Künstlerin bedroht, ist irrwitzig und wunderbar übertrieben.

#3 Shakira (O2 World, Berlin, 9.12.)
Eigentlich klingt es bescheuert. Da nervt uns Shakira über Monate mit dem zugegeben ziemlich guten "Waka Waka"-Song und man ist sich sicher, dass man das Stück nicht mehr hören kann und dann das: 12 000 Leute feiern und singen frenetisch diesen letzten Song des Konzerts als gäbe es keinen Morgen. Kurios, aber ich hatte wirklich eine Gänsehaut bei "Waka Waka". Das ist mir unangenehm!


Maria Gruber meint:

#1 John Mayer (Mall of Asia, Manila, 1.10.)
Schon nach den ersten drei Takten des Liedes war mir klar: Jetzt kommt "No Such Thing". Dass John Mayer eines der wichtigsten Lieder meiner Teeniejahre spielen würde, war wie ein wahrgewordener Traum.

Foto: Angus & Julia Stone im Backstage, München - Copyright: myFanbase/Maria Gruber
Angus & Julia Stone im Backstage, München
© myFanbase/Maria Gruber

#2 Johnny Flynn (Atomic Café, München, 30.11.)
Da will der Johnny sein nächstes Lied anspielen und die Gitarre streikt. Ob es eine gerissene Saite war, wurde nicht ganz klar, doch Johnny nahm es locker: Er entschuldigte sich, reparierte sein Instrument und kam wenige Minuten später wieder zurück auf die Bühne. Etwas verlegen erzählte er dann, dass er und seine Gitarre so etwas wie eine schwierige Ehe führen: Manchmal verstehen sie sich ganz wunderbar, manchmal funktioniert es aber nicht so, wie er es gerne hätte. Sympathisch.

#3 Angus & Julia Stone (Backstage, München, 14.11.)
Julia Stone glich an diesem Abend einem vom Himmel herabgestiegenen Engel. Vor allem, als sie solo ihren selbstgeschriebenen "Wedding Song" vortrug, zu dem sie vorher eine witzige Anekdote erzählte: Beim letzten Mal, als sie das Lied gespielt hatte, hatte sich tatsächlich ein Paar direkt verlobt. Julia hatte die zwei auf die Bühne gebeten, wo sie sich so wild küssten, dass Julia sich gar nicht mehr konzentrieren konnte. Herrliche Story, wunderschönes Lied.

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