Bewertung
Davys, Tim

Amberville

Mörderische Stofftiere auf der Suche nach der Todesliste.

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Inhalt

Die Stadt Amberville ist die Heimat von Stofftieren wie Eric Bär und seiner Frau Emma Kaninchen. Eines Tages erhält Eric von dem skrupellosen Casino-Besitzer Nicholas Taube den Auftrag, die berüchtigte Todesliste aufzuspüren, deren Existenz unbewiesen ist, auf der jedoch Nicholas Name stehen soll. Notgedrungen trommelt Eric seine zwielichtigen Jugendfreunde zusammen und beginnt in den schmutzigen Gassen von Amberville nach der Wahrheit zu suchen.

Kritik

Viele von uns haben als Kinder mit Stofftieren gespielt. Wir haben sie als fiktive Familienmitglieder an kleine Tische gesetzt oder sie als Patienten für unsere Phantasie-Krankenhäuser benutzt, doch zu Mördern, Dieben, Schlägern und Prostituierten haben wir sie nicht gemacht. Wir haben ihnen keine Waffen in die plüschigen Hände gedrückt und nicht spielerisch dargestellt, wie sie aufeinander einprügeln. Was Tim Davys als Kind mit seinen Teddybären und Plüsch-Häschen gemacht hat, weiß ich selbstverständlich nicht, doch als Erwachsener verkehrt er die Vorstellung von niedlichen, weichen Stofftieren komplett ins Gegenteil. Sein Roman "Amberville" ist ein knallharter, pessimistischer Plüschtier-Thriller.

Ihren putzigen Namen zum Trotz sind die Figuren in diesem Buch düster und voller Abgründe. So treffen wir unter anderem auf eine sexuell abgedrehte und drogensüchtige Gazelle (was dem Stoff in Stofftier eine ganz neue Bedeutung verleiht), auf eine strickende Krähe, die zu rasenden Wutausbrüchen neigt, und auf eine diabolische Taube, die in der Unterwelt die Fäden zieht. Amberville ist das Sin City der Spielzeugwelt. Den Fragen nach Gut und Böse, nach Schuld und Vergebung, nach Macht und Unterwerfung kommen in diesem Roman wesentliche, leider etwas ermüdende Rollen zu. Vor allem die Kapitel, die aus der Sicht von Eric Bärs Zwillingsbruder Teddy geschrieben sind und sich fast durchgängig mit philosophischen Fragen befassen, erweisen sich als recht langatmig und verwirrend.

Als Leser stößt man in diesem Roman durchaus an die Grenzen seiner Einbildungskraft. Es fällt schwer, sich eine Stoffgazelle, eine Stoffkrähe oder eine Stofftaube bei Tätigkeiten wie Autofahren, Schreiben und Kaffeetrinken vorzustellen. Die vertrauten Gesetze von Größe, Kraft und Beweglichkeit gelten hier nicht. Obwohl ich es durchaus grotesk mag, konnte ich mich mit diesem Kopfkinofilm nicht wirklich anfreunden. Tim Davys verleiht seiner Stofftierstadt zwar eine gewisse Mythologie, was zum Beispiel das Zustandekommen von Familien betrifft, doch Vieles bleibt schwammig und oberflächlich. Die Bilder, die im Kopf des Lesers ablaufen, sind irgendwie unvollständig.

Fazit

"Amberville" ist düster und gewagt, aber auch schwer verdaulich und irritierend.

Maret Hosemann - myFanbase
03.12.2010

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