Die enttäuschendsten Staffeln 2012/2013
The Following, Staffel 1

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Es hatte so gut angefangen. Ein berüchtigter und vor allem brutaler Serienkiller schafft es, sich ohne viel Mühe aus seinem Gefängnis zu befreien und kann untertauchen. Ein ehemaliger FBI Agent, der den Mann schon einmal hinter Gitter gebracht hat und dabei fast sich selbst verloren hat, wird zur Rate gezogen und kann binnen einer Episode ihn nicht nur wieder aufspüren, sondern auch wieder hinter schwedische Gardinen bringen, nur um sich dann anhören zu müssen, dass dies alles zu einem großen perfiden Plan gehört, den der Mörder während seiner Einkerkerung ausgeheckt hat.

"You don't find us. We find you. And we're everywhere."

Foto: James Purefoy & Kevin Bacon, The Following - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Michael Lavine/FOX
James Purefoy & Kevin Bacon, The Following
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Michael Lavine/FOX

Ich muss zugeben, dass der Pilot mich wirklich gepackt hat. Er war spannend inszeniert und wich am Ende von dem typischen Klischee nach der Jagd auf den Serienkiller erfreulicherweise einmal ab. Auch wenn die Person des Ryan Hardy vielleicht etwas überspitzt dargestellt war, so fesselte doch vor allem die Interaktion zwischen dem scheinbar abgehalfterten und gebrochenen Mann und dem gebildeten Mörder mit der charismatischen Ausstrahlung. Und so sah man hinweg über die ersten Ungereimtheiten, die sich während der ersten Episoden aufgetan hatten. Man akzeptierte sogar die wirklich exzessive Darstellung von Gewalt, denn die Idee, eine Art Sekte um Joe Carroll zu etablieren, war eine durchaus interessante. Und so war es (zunächst) nicht weiter schlimm, dass das FBI und Ryan Hardy immer zu spät zum Tatort kamen und aus ihren manchmal wirklich dummen Fehlern nie wirklich zu lernen schienen.

Doch irgendwann reichte es nicht mehr, jede Episode einem neuen Anhänger dabei zuzusehen, wie er Menschen ohne Gewissen abschlachtet, denn es war klar, worauf die Autoren hinaus wollten: jeder Mensch ist potentiell ein Anhänger von Carroll und daher gefährlich. Dies veranlasste das FBI bei weitem nicht dazu, vorsichtig oder überlegt zu reagieren. Nein, man ging weiter Spuren nach, ignorierte sämtliche Eingebungen des Mannes, den man extra engagiert hatte, um die Sache irgendwie systematisch anpacken zu können, nur um jedes Mal wieder einen Tick zu spät am nächsten Tatort zu erscheinen.

Gut, dass die Polizei oder örtlichen Behörden nicht immer gut wegkommen, wenn es um richtige Ermittlungsarbeit geht, kann akzeptiert werden. Es sollte jedoch auf ein wenig Realismus gesetzt werden. Es kann nicht sein, dass das FBI stets nur mit zwei Mann los rennt und niemals Verstärkung mit an einen Tatort nimmt. Jedes SWAT-Team oder Koordinatoren einer GSG9 dürften sich die Haare über solch ein Vorgehen raufen.

Aber in Ordnung. Ich könnte damit leben, wenn das einzige Problem von "The Following" nur die Inkompetenz des FBI wäre. Leider machten die Autoren es den Zuschauern aber auch nicht leicht, mit den Charakteren warm zu werden, was nicht zuletzt daran liegt, dass wir kaum etwas über die einzelnen Protagonisten erfahren. Zwar bekommen wir über Rückblenden erzählt, warum einzelne Leute sich Carroll angeschlossen haben, wie er jedoch überhaupt zu einer so charismatischen Person außerhalb seiner Universität werden konnte, bleibt schleierhaft. Natürlich ist er ein guter Erzähler und schafft es durch tolle Rhetorik, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Eine richtige Sekte mit so vielen Menschen um sich zu scharen, die so gar kein Problem damit haben, zum Messer zu greifen, ist jedoch etwas anderes. Mir fehlt hier eindeutig eine Erklärung, wie er rekrutiert hat, was die Menschen an ihm fasziniert und warum er so viele Leute aus so vielen unterschiedlichen sozialen Schichten erreichen kann. Das wird in keinem der Rückblicke deutlich.

Richtig interessant wird es erst, als eine mysteriöse Figur namens Roderick auftaucht, die ein paar Folgen lang nur als Name existiert, ehe er dem Publikum präsentiert wird. Und seine Einführung als Heißsporn und potentieller Gegner von Carroll wird wirklich interessant begonnen. Leider verläuft die ganze Sache irgendwann im Sande. Roderick hätte ein vielschichtiger Charakter werden können. Eine echte Gefahr für Carroll und seine Mission. Doch es wird nicht einmal klar, warum er sich am Ende gegen ihn wendet. Es kann doch nicht sein, dass es blanke Unruhe und Ungeduld ist, die ihn durchdrehen lässt.

Obwohl. Eigentlich kann ich mir das sehr wohl vorstellen, denn immer wieder wird von einem großen Plan erzählt, an dem Carroll vom Gefängnis aus gearbeitet hat und für den all die Anhänger trainiert wurden. Etwas Großes soll über die Menschen in der Region kommen, das die Welt erschüttern wird. So wird uns die ganze Geschichte jedenfalls verkauft. Am Ende passiert was? Richtig, nichts. Carroll sitzt nach seinem (zweiten) Ausbruch die ganze Zeit in einem eleganten "Büro", trinkt Scotch, schläft mit Anhängern und zitiert munter Passagen aus Poes Werken. Das geht irgendwann sogar seinen Anhängern auf die Nerven. Anstatt schnell und hart zuzuschlagen, wartet er ab, lässt seine Ex-Frau entführen und treibt seine Spielchen mit ihr, bis sie sein dümmliches Gefasel nicht mehr aushält und ihm ein Messer in die Seite rammt. Nicht dass sie ihn anschließend außer Gefecht setzen würde, wenn er schon einmal überrascht von ihrem Angriff ist.

Spätestens jetzt verliert Carroll komplett jede Mystik. Er wandelt sich von einem Mann mit ungeheurem Weitblick zu einem verbitterten Ehemann, der nichts als Rache an dem Mann und der Frau üben will, die ihn hintergangen haben. Es kann doch nicht sein, dass Eifersucht wirklich die einzige treibende Kraft hinter Carrolls Tun ist. Wozu dann die ganze Sache mit der Sekte, wenn es ihm nur darum ging, seine Frau wieder zu gewinnen und Ryan Hardy zu bestrafen. Und als wäre das nicht alles schon genug mündet das Staffelfinale in einem gigantischen Showdown mit einem mächtigen Kabumm, in dem Carroll das Zeitliche segnet. Oder aber auch nicht, wer weiß das schon. Das alleine wäre ja nicht so tragisch, würden nicht in einem finalen Cliffhanger noch Ryan und Claire niedergestochen. Nicht, dass Carroll jetzt noch etwas davon hätte. Aber selbst wenn die Sekte noch existiert, wen gibt es denn noch, der die Gruppe zu führen in der Lage ist? Jetzt wäre eigentlich der ideale Zeitpunkt für Roderick, dass Zepter zu übernehmen, aber der ist ja bekanntlich schon längst unter der Erde. Ich hoffe doch inständig, dass nicht Emma die neue Gegenspielerin in Staffel zwei wird, denn sie hat am wenigsten Charisma, um eine angeblich so große Sekte führen zu können. Aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben.

Egal wie man es dreht und wendet, "The Following" machte aus einer guten Idee durch schlechte Entscheidungen der Autoren eine Tour de Farce, die in dieser TV-Season wohl unerreicht bleibt. Gut, ich hab "American Horror Story: Asylum" nicht gesehen, aber das konnte unmöglich schlimmer gewesen sein als dieser inkonsistente, brutale, leidlich spannende Mist, um einen schier übermächtigen Geisteskranken, der eine Sekte um sich schart, damit er sich letztendlich an seiner untreuen Ehefrau rächen kann. Unglaublich, dass so etwas eine zweite Staffel erhält.

Melanie Wolff - myFanbase

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