Willkommen im Leben - Review

Wenn Angela weint, muss man einfach mitweinen. Das war 1996 schon so, als die Serie zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, und das ist heute noch so. Es gibt ein Lied mit dem Titel "Du bist schön, auch wenn du weinst", an dieses Lied muss ich immer denken, wenn ich Claire Danes in ihrer Rolle hier weinen sehe, denn es ist genau das Gegenteil. Ihr Kinn zittert, sie wird rot, die Mundwinkel verziehen sich und dann erreicht das Weinen ihre Augen. Sie sieht dabei eigentlich gar nicht schön aus, sondern absolut natürlich. Genauso wie man sich selbst fühlt, wenn man weint. Claire Danes spielt Angela so, dass man sich so gut mit ihr identifizieren kann, wie mit keiner anderen weiblichen Teenierolle im TV.
Sometimes someone says something really small and it just fits right into this empty place in your heart.
Die Autoren haben es in "Willkommen im Leben" wunderbar verstanden, den Teenagern keine großen, dramatischen Dialoge in den Mund zu legen, sondern sie absolut glaubhaft in ihrer Überforderung zu zeigen. Angelas Lachanfall voller Scham, den sie auf eine provokante Frage Jordans hin bekommt, ist ein Beispiel für die Glanzleistung der jungen Claire Danes. Der Moment ist so natürlich, dass man fast nicht hinsehen kann, da man sich selbst in Angela sieht und an Situationen erinnert wird, in denen man ähnlich reagiert hat. In anderen Teenie- und Familiendrama-Serien der Neunziger wie "Beverly Hills 90210" oder "Dawsons Creek" oder auch heutigen Serien wie "One Tree Hill", "Gossip Girl" u.ä. reagieren die Teenies in diesen Situationen meist cool, locker und frech. Angela dagegen ist einem so nah, sie verhält sich genauso, wie man sich auch zum ein oder anderen Zeitpunkt, in dem man eben kein Drehbuch zur Hand hatte, mal verhalten hat.
"Willkommen im Leben" ist zeitlos, und obwohl es keine zweite Staffel gab, eine der besten Teendrama-Serien überhaupt und wegweisend für folgende realistische Teen- und Familiendrama-Serien wie "Friday Night Lights". "Willkommen im Leben" wurde damals wahrscheinlich gezielt als Gegenbewegung zur (teilweise) oberflächlichen Glamourwelt von "Beverly Hills, 90210" entwickelt, um den Teenies Seriencharaktere zu präsentieren, mit denen sie sich etwas mehr identifizieren können. Manche lassen sich beim Fernsehen gern in fremde, irreale Welten entführen, andere sehen gerne authentische Stories und Charaktere. Die Serie ist zeitlos, weil die Problematik der identitätssuchenden Teenager zeitlos ist.
There are so many different ways to be connected to people. There are the people you feel this unspoken connection to, even though there's not even a word for it. There's the people who you've known forever who know you in this way that other people can't because they've seen you change. They've let you change.
Angelas Abnabelungsprozess wird mit ungemein viel Gefühl und Verständnis für alle beteiligten Seiten dargestellt. Der Wunsch, den eigenen Weg zu finden, Abenteuer zu erleben, Liebe und Freundschaft zu finden, lässt einen eben auch auf Hindernisse stoßen und Enttäuschungen erleben. Angela erkennt nach und nach, dass vieles für sie selbstverständlich war, was andere sich nur wünschen können, und lernt dies aus sich selbst heraus zu schätzen. Erst dadurch wird es ihr möglich, mehr Verständnis für ihre Eltern und ihre alten Freunde aufzubringen, so dass ihr klar wird, dass sie keine Brücken abbrechen muss, wenn sie Neues entdecken will.
Die schönsten Szenen der Serie sind die, wenn zwei Charaktere einen wirklichen Draht zueinander finden, einen intimen Moment erleben und ein richtiges Gespräch führen können. Dabei mag es sich um Angela und Jordan handeln, Ricky und Mr. Katimsky, Rayanne und Sharon oder Brian und Jordan. In ihren Voice Overs gelangen die Charaktere manchmal zu wohldurchdachten Erkenntnissen, aber die Dialoge sind einfach nur liebenswert, authentisch und zeugen gleichzeitig von tiefempfundenen Gefühlen. Besonders erwähnenswert sind auch die Achterbahnfahrten der Gefühle, da reiht sich in kürzester Zeit himmelhoch jauchzend neben tiefbetrübt, so wie es in den Teeniejahren typisch ist.
"You know those guys ...up in the mountains ...who make snow ...like as their job ...I'd really like to do that."
Der Cliffhanger der Serie, der nie aufgelöst wurde, dreht sich um die Frage, wer wird künftig in Angelas Herzen sein: Jordan, dem es schwer fällt, seine Gefühle zu artikulieren, oder Brian, der ihr den wunderbaren Liebesbrief geschrieben hat?
Von Jordan, der nicht von Anfang an als wiederkehrender Charakter geplant war, haben wir am wenigsten erfahren, dennoch hat er neben Angela die größte Entwicklung innerhalb der 19 Folgen durchgemacht. Von seinem Background weiß man nur, dass er von seinem Vater verprügelt wurde, insofern wird er zuhause nicht gerade gelernt haben, Gefühle zu äußern. Dadurch wurde er ziemlich introvertiert. Sein Kumpel Tino ist der einzige "Freund" in der Serie, der überhaupt einen Namen bekommt, dessen Abwesenheit aber schon sprichwörtlich ist. Wenn Tino Jordans Freund ist, dann ist er vor allem eines, nie da! Tiefe wird da in keiner Beziehung gewesen sein, was sich darin zeigt, dass er meist nicht damit klarkommt, wenn Angela ihm Aufmerksamkeit und Interesse entgegenbringt. Er kennt es nicht, wenn jemand sich für ihn als Mensch interessiert. Und die Veränderung, die diese erste Erfahrung mit der Liebe in den beiden Hauptfiguren bewirkt, hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.
Es ist und bleibt eine der schönsten Szenen der Seriengeschichte: Buffalo Toms wunderschöner Song "Late at night", Jordan, wie er zum ersten Mal im Schulflur vor aller Augen Angelas Hand nimmt, und Jared Leto und Claire Danes, die es so wirken lassen, als sei dies die schönste Sache auf der Welt!
Nicole Oebel - myFanbase
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25.11.2025 19:51 von chili.vanilli
Malice: Malice
Hab die Serie jetzt beeendet und schon lange keinen so... mehr
28.11.2025 00:19 von Sonia
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