"Versailles"-Interview mit Anatole Taubman

Der Schweizer Schauspieler Anatole Taubman zur Darstellung des Moncourt in "Versailles", einen ambivalenten Charakter, der in die Enge gedrängt wird, und zum Einfluss der Originalschauplätze auf einen Schauspieler


Foto: Pip Torrens, Anatole Taubman, Versailles - Copyright: © Tibo & Anouchka / Capa Drama / Canal+
Pip Torrens, Anatole Taubman, Versailles
© © Tibo & Anouchka / Capa Drama / Canal+

10. Januar 2017 by Nicole Oebel @philomina_

Hier könnt ihr das Originalinterview nachlesen. | Read the original interview in English.

Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst, Anatole, die "Versailles"-Fans freuen sich drauf, von dir zu lesen!

Ich beantworte eure Fragen mehr als gerne, es ist mir eine besondere Ehre, da die Zeit bei "Versailles" für immer in meinem Herzen ist und sein wird.

Woran denkst du, wenn du dich an die Dreharbeiten zu "Versailles" erinnerst, der ambitionierten Historienserie, die auf Englisch in Paris und Versailles gedreht wurde?

Was mir in den Sinn kommt, sind zwei Dinge: Zum einen hatte ich noch nie in einem im Grunde amerikanischen Showrunner-Produktionssystem gearbeitet, wo es vier Regisseure gab, die die zehn Episoden blockweise gedreht haben und der Regisseur den Tagesablauf zu verantworten hatte. Jedoch waren die Showrunner meine Bezugspersonen, wenn es um die Geschichte und das Innenleben meines Montcourts ging. Die Showrunner sind künstlerisch für das ganze Projekt verantwortlich. Meine Richtlinien waren ihre künstlerischen Vorstellungen. Sie waren für mich ausschlaggebend, wesentlich und entscheidend, um meinen Moncourt zu entwickeln. Sie waren immer ansprechbar, um alle Fragen zu beantworten und selbst wenn sie mal nicht in der Stadt waren, was selten aber gelegentlich vorkam, dann konnte man mit ihnen per Telefon oder Skype sprechen. Das war neu für mich. Sowie auch das Tempo in einem solchen Showrunner-System.

Zum anderen bin ich ein großer Teamplayer. Ich liebe Cast und Crew in jedem Job und ich habe schon einige Male an Ensemble-Projekten mitgewirkt. Was hier für mich neu war, war die Tatsache, dass meine Figur Moncourt am Ende der zweiten Episode des Hofes verwiesen wird und nicht vor der achten Episode zurückkehrt, so dass ich also auch gewissermapen entfremdet wurde. Ich habe nur mit Pip Torrens zusammen gespielt - mein lieber, hinreißender Pip - und dies hatte auch Auswirkungen auf meine Freizeit in Paris. Ich war selten so viel allein, was sehr angenehm war, aber im Grunde war ich nicht nur räumlich, sondern auch geistig und emotional etwas von anderen getrennt, da ich den größten Teil der Zeit nicht mit ihnen gefilmt habe. Und als dann meine Rückkehr anstand, die Szene, als Louis XIV von dem Geheimnis erfährt, das Moncourt kennt, beim Drehen dieser Szene hatte ich den ganzen Tag Gänsehaut und war den Tränen ganz nah. Es war so, als müsste ich gar nicht spielen oder etwas vorgeben, es fühlte sich einfach so natürlich an, da ich wirklich nach vier Monaten des Drehens an den Versailles-Hof und zum Rest des Casts zurückkehrte. Das war sehr emotional für mich. Gott sei Dank blieb in diesen sechs Monaten immerhin die Crew dieselbe.

Als du für das Projekt unterschrieben hast, wusstest du schon einiges über die königlichen Brüder von Versailles und wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

Geschichte fasziniert mich. Es war schon während meiner gesamten Schulzeit eines meiner Lieblingsfächer. Als ich also für das Projekt unterschrieben habe, hab ich mich direkt in diese gratis Geschichtsstunde gestürzt. Ich habe allerhand Stoff gelesen, Dokumentationen und Filme geschaut, alles, was mit der Regentschaft Louis XIV zu tun hat. Wie ein Schwamm habe ich alles, was ich finden konnte, aufgesaugt, und dies begleitete mich durch die gesamte Phase der Dreharbeiten. Ich habe es geliebt, ja, wirklich geliebt! Ich bin nun kein Experte, aber ich bin dankbar, dass ich bei meiner Arbeit als Schauspieler manchmal in andere Zeiten und Zeitalter eintauchen kann. Für einen Geschichtsliebhaber wird da ein Traum wahr.

Moncourt ist einer dieser ambivalenten Charaktere, mit denen man unwillkürlich mitfühlt. Er ist gerissen, wirkt aber nicht bösartig. Wird er erst böse, als er in die Enge getrieben wird?

Nun, meine liebe, geschätzte VersaillesFamily, ich bin nicht sicher, ob es böse ist, sein eigenes Leben zu retten. Wenn es um Leben und Tod geht, wie würdet ihr entscheiden? Wie reagieren wir in Extremsituationen? Darwinismus, Überleben des Stärkeren? Ja, Moncourt trägt das "Überleben des Stärkeren"-Gen in sich, auf jeden Fall. Er hat niemanden, seine Frau ist gestorben, sie hatten keine Kinder, die Familie seiner Frau hat sich nach dem ihrem Tod von ihm abgewandt. Er ist ein Kämpfer, ein Krieger, aber vor allem ist er ein wahrer, feiner Gentleman mit den Wertvorstellungen eines Musketiers.

Die "Was hat ein Nichts bei Hofe verloren?"-Szene hat eine fesselnde Dynamik. Der König nutzt ein großes Fest, um an Moncourt ein Exempel zu statuieren und dabei die "La Grande enquête" einzuleiten. Wie war es, eine so große Szene zu drehen?

Es war eine mächtige Szene, ein großes Set, viele Statisten, alle waren da, es war ein Außendreh... Wir waren in der Zeit, im späten 17. Jahrhundert. Ich musste mich so sehr konzentrieren, um nicht von allem, was vor sich ging, abgelenkt zu werden. Während der Umbauten bin ich immer ein wenig auf Abstand gegangen, um bei mir und bei meinem Montcourt zu sein. Der Tag war eine Herausforderung. Der Moment, als Moncourt rausgeworfen wurde, war schmerzhaft. Ich komme vom Method Acting, insofern war es schmerzhaft, weil es sich so real anfühlte. Ich hoffe, das kam auf dem Bidlschirm rüber.

Foto: Anatole Taubman, Versailles - Copyright: © Tibo & Anouchka / Capa Drama / Canal+
Anatole Taubman, Versailles
© © Tibo & Anouchka / Capa Drama / Canal+

Du hattest Szenen am Schloss von Versailles, Cassels Schloss und in den märchenhaften Schlossruinen, wo die Adligen ihren Komplott schmieden. Wie war es, an diesen Orten zu drehen?

Als Schauspieler versuche ich, mich so ehrlich und authentisch in die Figur in den gegebenen Umständen hineinzuversetzen. Wenn teil der Umstände so authentisch und real sind wie diese Schlösser, in denen wir gefilmt haben, und es war dort auch noch bitterkalt, hilft es dir sehr in der Rolle zu bleiben. Die Location wurde selbst zum Hauptdarsteller, jemand auf den du dich verlassen kannst, der dich einlädt und von dem du unterstützt wirst. Ich war sehr glücklich, dass wir an Originalschauplätzen drehen konnten. Es war großartig!

Der letzte Kampf zwischen Moncourt, dem König und Fabien wurde sehr direkt und nah gefilmt. Wir seid ihr, George Blagden, Tygh Runyan und du an diese Dreharbeiten herangegangen?

Das war auch so unvergesslicher Tag, Nicole! Wir hatten einen Tag, um die gesamte Szene zu drehen, und im Drehbuch war sie ca. 12 bis 16 Seiten lang, insofern war das ein ganz schönes Unterfangen. Und das Ganze hat allein dank unseres phantastischen, herausragenden Stunt-Team funktioniert. Sie waren meine "Schatzelis", ohne sie hätte die Szene niemals geklappt. Wir haben diese Kampfszene wochenlang im voraus geprobt. Einzelstunden und später zusammen, und Tygh war dabei besonders von Bedeutung, da er Kampfsport trainiert und mir sehr geholfen hat, da ich keinerlei Kampfsportkenntnisse habe (lacht). Ich finde die Genauigkeit der Bewegungen und die geistige Disziplin sehr faszinierend, und darin hat Tygh uns sehr geholfen. Ein sehr intensiver Tag, ich werd ihn nie vergessen! Und es wurden sogar einige Momente gekürzt, eine Sequenz von George und mir.

Du warst auch Teil der oppulenten "Grand Levée"-Szene, in der Alex Vlahos als Philippe den Zeremonienmeister und George als Louis eine Vorstellung innerhalb der Vorstellung gibt. Kannst du vom Dreh dieser Szene erzählen, war es so witzig für euch, wie es für uns war, die Szene anzuschauen?

Oh, das Grand Levée, oh, mon dieu! Ich weiß nicht, ob es witzig war, es war vor allem beeindruckend! Ich erinnere mich, dass ich als Moncourt einfach nur demütig da stand. Es war faszinierend, fesselnd, all diese Abläufe, die Struktur. Eine große Szene! Unglaublich, wenn man bedenkt, dass es wirklich so ablief. Verrückt, hedonistisch.

Moncourt hatte ahuptsächlich Interaktion mit Cassel, aber im Finale durfte er über den König der Unverschämtheiten, den Chevalier, auftrumpfen. Ein herrlicher Moment! Gibt es Charaktere, mit denen du wünschtest, Moncourt hätte mehr Szenen gehabt?

Nicht unbedingt, ich denke, es war gut, so wie es war. Ich persönlich hätte gerne noch ein oder zwei Szenen mehr mit Louis XIV am Ende gehabt, um die Freundschaft zu etablieren, bevor die große Enthüllung kommt. Auch wenn Louis am Ende falsch lag, Moncourt wurde der falschen Dinge beschuldigt. Aber alles in allem... Ja klar, le Chevalier (lacht), er ist brillant! Aber ich bin sehr zufrieden damit, wie es mit Moncourt lief, und ich habe die Arbeit mit Pip geliebt.

Gerade fällt mir wieder ein: Ich wohnte in Paris im fünften Arrondissement auf der linken Seite der Seine, und die meisten der anderen wohnten auf der rechten Seite der Seine. Ich erinnere mich, wie George, mein König, ein paar Mal zum Abendessen kam. Der König kam, um mich in meinem Viertel zu besuchen, mit seinem Motorrad (lacht). Das war klasse!

Bei der RingCon 2014 ging es großes "wow" durchs Publikum, als man deine charmante rauchige Stimme zum ersten Mal hörte. Und so war ich auch besonders froh, deine Stimme sowohl in der englischen als auch der deutschen Fassung von "Versailles" zu hören. Wie ist es, bei der Synchronisation seine eigene Darstellung nachzuempfinden?

Sprachliche Nachbearbeitung und Synchro? Alptraum, es ist immer eine große Herausforderung. Wenn man ins Tonstudio geht, liegt der Projekt mindestens sechs bis acht Monate zurück, und als Method Actor spielen die Kostüme, das Setting und die anderen Darsteller eine große Rolle. Man ist im Hier und Jetzt, und sich dann wieder da hineinzuversetzen in einem kleinen dunklen Raum, durch ein Fenster vom Regisseur getrennt, auf Feedback wartend, so ist das wirklich wie der Tag des jüngsten Gerichts. Es gehört nicht zu meinen Stärken. Es ist eine Kunstform für sich. Aber ich hatte ein super Team und Sprachregisseur.

Worin können dich die internationalen Fans als nächstes sehen?

Kaum zu glauben, aber wahr, 2016 war für mich der Durchbruch in Comedy. Es ist noch schwer, mich selbst daran zu gewöhnen. Ich habe vier Komödien gemacht, sogar eine romantische Komödie fürs deutsche Fernsehen "Einen Moment Fürs Leben". "Auf Wiedersehen Deutschland", eine Tragikomödie, die auf einer wahren Geschichte basiert, kommt am 6. April in deutschsprachigen Gebieten ins Kino und feiert auf der Berlinale Weltpremiere. "Baumschlager" ist ein weiterer Film, der herauskommt, die allererste österreichisch-israelische Koproduktion, eine Satire. Ich spiele einen coolen, aufgewühlten UN-Agenten. Dann habe ich an einem Dreiteiler für die BBC mitgewirkt. Es handelt sich um eines der englischen literarischen Satire-Meisterwerke des 20. Jahrhundert, "Verfall und Untergang", geschrieben von dem renommierten Schriftsteller Evelyn Waugh, welcher auch "Wiedersehen mit Brideshead" geschrieben hat. Ich spiele zusammen mit Eva Longoria, die mein Love-Interest verkörpert. Jack Whitehall spielt in allen drei Teilen die Hauptrolle. Das hat großen Spaß gemacht und es wird bald auf BBC 1 gezeigt und in den USA.

Frohes, gesundes, goldenes, wunderbares, friedliches Neues Jahr!

Vielen Dank für das Interview, Anatole, wir wünschen auch dir ein frohes und erfolgreiches Neues Jahr!

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