Die besten Charaktere 2013/2014
Rustin Cohle (True Detective)

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Das Zeitalter des televisionären Antihelden dauert an: Was mit Tony Soprano ("Die Sopranos") losgetreten wurde, erstreckt sich mittlerweile über viele der aktuellen TV-Kritikerlieblinge, von Walter White aus "Breaking Bad" über Nucky Thompson aus "Boardwalk Empire" bis hin zu Don Draper aus "Mad Men". Das Phänomen des Protagonisten, den man eigentlich verabscheuen sollte, aber gerade deswegen noch umso faszinierender findet, ist und bleibt im Trend. Mit der ersten Staffel der Anthologieserie "True Detective" entwirft Nic Pizzolatto nun ein Szenario, in dem nicht nur ein, sondern gleich zwei Antihelden ins Zentrum der Geschichte gestellt werden, nämlich die beiden State Police Detectives Marty Hart (Woody Harrelson) und Rustin Cohle (Matthew McConaughey). Ganz besonders letzterer übt von Anfang an eine enorme Sogkraft auf den Zuschauer aus und entwickelt sich im Laufe der nur acht Episoden umfassenden ersten Staffel zu einem unwahrscheinlich vielschichtigen Charakter, den es so bisher noch nicht gegeben hat.

"The world needs bad men. We keep the other bad men from the door."

Foto: Matthew McConaughey, True Detective - Copyright: 2013 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Matthew McConaughey, True Detective
© 2013 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

Das Enigma Rustin Cohle ist ein komplexes. Es ist ein Puzzle, eine Achterbahnfahrt, manchmal auch eine philosophische Gedankenübung. In "True Detective" begleiten wir diesen Mann über eine Zeitspanne von 17 Jahren und sehen eine Lebensgeschichte, die von immer größer werdender Desolation geprägt ist, von der unaufhaltsamen Bewegung Richtung Abgrund. In Cohle laborieren emotionale Kräfte, die von ungeheurer Wucht sind und die ihn letztlich des Lebens komplett überdrüssig gemacht haben. Der tödliche Unfall seiner kleinen Tochter, die Scheidung, die Abwärtsspirale in den Alkoholismus, die dreckige Arbeit als Undercover-Cop im texanischen Drogenring – dieser Mann ist durch die eisernste Schule des Lebens gegangen. Sie hat ihn zu einem Einzelgänger gemacht, der sich um nichts schert, der keinerlei Privatleben oder Freunde mehr besitzt, und der sich seiner Obsession, den Mörder von Dora Lange zu finden, völlig hingegeben hat. Genau das weiß er nicht nur – er suhlt sich geradezu in dieser Außenseiterposition, die er zu seinem Eigen gemacht hat.

Und genau das macht Rustin Cohle zu einem solch besonderen Charakter. Anders als die meisten Antihelden im Fernsehen versucht er nicht, sich zu bessern oder zu ändern, er versucht nicht, seinem Leben eine neue Richtung zu geben oder neu anzufangen. Den Luxus dieser Hoffnung auf bessere Zeiten leistet er sich schon lange nicht mehr. Cohle hat tief in seinem Inneren schon lange mit der Welt abgeschlossen. Die Menschheit ist für ihn ein Fehltritt der Evolution, das Konzept von Zeit und Raum nur eine Illusion. Cohle ist astreiner Nihilist – und als solcher auch regelrecht philosophisch*. Er sieht das Leben als eine einzige, immerwährende Spirale von Angst, Gewalt, Trauer und Tod, einen Teufelskreis des Schmerzes, den auch er immer wieder durchläuft. Nur sein Ziel, den diabolischen Frauenmörder zu schnappen, trennt Cohle davon, seinen Verstand komplett zu verlieren.

Als Antiheld, der sich mit seinen Schwächen und seiner Dunkelheit nicht nur abgefunden hat, sondern ganz bewusst jeglichen Lebenssinn und jegliche Art von Lösung oder Zuversicht verweigert, ist Cohle ein enorm kraftvoller und komplexer Charakter, der ein einziges Faszinosum darstellt. An dieser Stelle kommt man nicht herum, Matthew McConaugheys unfassbar gute, den Zuschauer komplett vereinnahmende Schauspielleistung hervorzuheben, da er jede noch so schwierige Dialogzeile mit unglaublicher Leichtigkeit darstellerisch umzusetzen wusste und diesem Charakter seinen unnachahmlichen Stempel aufdrückte. Hut ab vor McConaughey und Pizzolatto für die Erschaffung eines derart genialen Antihelden.

*was übrigens auch Anlass für eine großartige Meme-Parodie war

Maria Gruber - myFanbase

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