Die verstörendsten Momente 2012/2013
#3.08 Getrennte Pfade (Spartacus)

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Tiberius (Christian Antidormi) ist in "Spartacus" ein verzogener Bengel, kein Kind mehr, aber auch noch kein Mann. Ein überheblicher Teenager, der mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde und sich nie selbst etwas erarbeiten musste - außer dem Respekt seines Vaters Crassus (Simon Merrells). Der aber hat sich alles im Leben selbst erarbeitet, Reichtum und Ansehen, und kann schon allein deshalb seinen Sohn nicht für voll nehmen, weil dieser das nicht musste. Tiberius dürstet nach dem Moment, sich seinem Vater beweisen zu können und im Krieg gegen Spartacus (Liam McIntyre) sieht Tiberius seine Chance gekommen. Auch Crassus weiß, dass es nun auf ihn ankommt und darauf, wie viel Verantwortung er seinem Sohn überträgt, und es ist eine Gradwanderung, ob er dadurch das Selbstbewusstsein des Jungen stärkt oder ihn überfordert. Gleichzeitig muss Crassus einen Krieg führen und seine Soldaten mit starker Hand führen.

"You must be taught severest lesson!"

Im Rahmen eines ausgesprochen harten Strafvollzuges, der Dezimation, an seinen Soldaten sieht Crassus den entscheidenden Erziehungsauftrag, um seinen Sohn zum Mann zu machen. Allein der Zufall entscheidet, welche Soldaten sich gegenseitig mit Holzhammern zu erschlagen haben. Tiberius wird von seinem Vater nicht nur mit in die zufällige Auswahl gestellt und dadurch der Gefahr ausgesetzt, getötet zu werden, er muss letztlich seinen besten Freund erschlagen. Tiberius, der schon vorher zu Eifersucht und Missgunst gegenüber jenen neigte, die den Respekt seines Vaters genießen, verliert in diesem Moment jeglichen Halt. Von nun an wird er nur noch von niederen Beweggründen angetrieben und er konzentriert sich auf die beiden, die in seinen Augen die Favoriten seines Vaters sind: die Leibsklavin Kore (Jenna Lind), die große Liebe seines Vaters, und Gaius Julius Caesar (Todd Lasance), den besten Krieger an Crassus' Seite.

Caesar ist hier als junger Wilder dargestellt, draufgängerisch, gerissen, aber zuverlässig und erfolgreich. Crassus fordert seine Dienste im Kampf gegen Spartacus speziell an, weil er ihm vertraut. Deshalb ist Tiberius von Anfang an neidisch auf ihn, während Caesar den jungen Emporkömmling nicht wirklich ernst nimmt. Die beiden reizen und sticheln einander, wo sie nur können. Während Caesar aber genügend Selbstbewusstsein hat, die Provokationen nicht zu nah an sich herankommen zu lassen, und sein Ventil im Kampf gegen den Feind Roms findet, staut sich bei Tiberius der Hass an, und Caesar muss bald feststellen, dass Tiberius' Boshaftigkeit durchaus ernstzunehmende Züge annimmt, fordert er ihn doch auf immer niederträchtiger werdende Weise heraus.

Schließlich kommt Caesar in den Besitz eines Druckmittels. Er erfährt von Tiberius' hinterhältiger Rache an seinem Vater, der heimlichen Vergewaltigung an Kore, die Kore letztlich in Spartacus' Lager getrieben hat. Er benutzt dieses Wissen aber - ambitionierter Krieger, der er ist - für nichts anderes, als Tiberius, der derweil wieder in Crassus' Ansehen gestiegen ist, dahingehend unter Druck zu setzen, seinen Vater zu den politisch vernünftigen Schachzügen zu bringen, von denen er aufgrund des Schmerzes über Kores Flucht kurzfristig abgewichen ist. Tiberius aber hört nichts anderes als die Drohung, verraten und vor seinem Vater bloßgestellt zu werden, und reagiert auf diese Drohung mit roher Gewalt. Er hat weder die Größe noch Körperkraft, Caesar allein außer Gefecht zu setzen, und so lässt er ihn von zwei Soldaten überwältigen und über die Tischkante beugen. Und während die beiden Soldaten den sich windenden, brüllenden Caesar an Armen und Haaren festhalten und auf den Tisch drücken, vergewaltigt Tiberius ihn auf das Brutalste mit der Drohung auf den Lippen, seinen Ruf als mächtiger Mann zu zerstören, sollte er diesen Übergriff jemals verraten. In Tiberius' Augen ist dies eine Machtdemonstration, er meint, Caesar eine Lektion zu erteilen, die ihn auf seinen Platz verweist.

Diese Szene ist in vielerlei Hinsicht mehr als verstörend. Es hatte zwar im Verlauf der verschiedenen Staffeln von "Spartacus" bereits die eine oder andere Vergewaltigung an Frauen gegeben, und jede einzelne davon war abstoßend, angesichts der Stellung der Sklavinnen und überhaupt der Frauen in der damaligen Gesellschaft, aber eher noch zu erwarten. Mit einer Vergewaltigung als Ausdruck vermeintlicher Dominanz unter den römischen Offizieren aber habe ich wirklich nicht gerechnet, zumal es sich bei dem Dominierten hier auch noch um Gaius Julius Caesar handelt. DEN Julius Caesar mit dem Lorbeerkranz, mit dem nicht zuletzt durch die Asterix-Comics der weißhaarige, ehrwürdige und unantastbare Herrscher von Rom assoziiert wird. Zudem sieht man eine Mann-gegen-Mann-Vergewaltigung generell nicht oft im Fernsehen und einen solch feigen Übergriff, bei dem der unterworfene Mann auch noch von zwei weiteren Männern festgehalten wird, schon gar nicht. Es gibt in "Spartacus" wirklich diverse Situationen, in denen die Römer so sehr damit beschäftigt sind, einander zu unterdrücken und zu bekämpfen, dass sie den tatsächlichen Feind total vergessen, und man hat als Zuschauer die reinste Schadenfreude daran. Im Moment von Tiberius' Vergewaltigung an Caesar aber bleibt einem nur vor Entsetzen der Mund offen stehen.

Nicole Oebel - myFanbase

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