Kristen Bell in "Deadwood"
#1.07 Bullocks Rückkkehr & #1.08 Keine Gnade

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Rund um die Goldminen in den Black Hills von South Dakota siedeln Goldsucher und Abenteurer, und es entsteht ein Lager namens Deadwood, das zu einer Stadt heranwächst. In diesem gesetzlosen Pfuhl herrschen Gewalt und Korruption, bis sich nach und nach eine Gesellschaft bildet, in der sich auch ehemalige Gesetzeshüter und hoffnungsvolle, aufrechte Bürger einfinden, die sich ein neues Leben aufbauen wollen.

Der unbestrittene Patriarch der Siedlung ist Al Swearengen, der charismatische Besitzer des Saloons und Bordells "The Gem". Ihm gegenüber stehen die Neuankömmlinge, der Revolverheld Wild Bill Hickock und der ehemalige Marshall Seth Bullock aus Montana ...mehr in der Serienkolumne zu "Deadwood"

Suffer the Little Children

Foto: Deadwood - Copyright: Paramount Pictures
Deadwood
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Gerade als in Deadwood etwas Ruhe nach turbulenten Tagen einkehren will, tauchen zwei junge Leute in der Stadt auf und sind auf der Suche nach ihrem verschollenen Vater. Flora (Kristen Bell) und Miles (Greg Cipes) sind auf den ersten Blick zwei rechtschaffende Teenager, die es durch das Schicksal in diese unwirtliche Gegend verschlagen hat. Um sich etwas Geld zu verdienen, heuert Miles im "Gem" bei Al Swaerengen (Ian McShane) an, während Flora sich anfangs zurückhaltend, aber dann doch mit gewisser Begeisterung im Etablissement von Cy Tolliver (Powers Boothe) unter den Fittichen von Joanie Stubs (Kim Dickens) als Hure anheuern lässt. Flora hinterlässt bei einigen der ansässigen Männer mit ihrer Mischung aus Unschuld und Selbstbewusstsein einen tiefen Eindruck, Dan Dority (W. Earl Brown) fühlt sich sogar plötzlich dazu berufen, deren Ehre zu verteidigen und ersticht kurzerhand einen Mann, der sie seiner Meinung nach zu lange angestarrt hat.

Doch sofort als die beiden Geschwister sich in ihrer jeweiligen Gesellschaft etabliert haben, bricht ihre sorgfältig aufbereitete Fassade und sie zeigen ihr wahres Gesicht. Denn Flora und Miles sind nichts anderes als Diebe, die versuchen sich ihren Lebensunterhalt zusammenzustehlen. Flora nutzt dazu ohne Skrupel die Zuneigung und auch Sehnsucht, die Joanie ihr entgegenbringt und stiehlt deren gesamten Schmuck. Aber Cys Menschenkenntnis ist ihnen auf der Spur und er konfrontiert Flora auf frischer Tat. Als diese sich aber wehrt, nimmt das ganze einen verhängnisvollen Lauf und Cys psychopathische Natur kommt zum Vorschein.

"Who am I? Your little baby? Your little sister? You?"

Kurz bevor Kristen Bell als "Veronica Mars" ihren großen Durchbruch hatte, spielte sie 2004 in der HBO-Serie "Deadwood" noch für einen kurzen Handlungsbogen die junge Flora Anderson. In unbestätigten Gerüchten wird spekuliert, dass die Geschichte der Andersons für einen längeren Zeitraum geplant war und dann lediglich über zwei Episoden ausgedehnt wurde, was an Bells Verpflichtungen für "Veronica Mars" lag, und es wirkt auch ein wenig so, als endet die ganze Geschichte doch recht abrupt. Aber vielleicht ist dies auch genau die beabsichtigte Intension gewesen. Aber wie auch immer, es bleibt ein denkwürdiges Gastspiel, was die junge Kristen Bell hier abliefert.

Foto: Kristen Bell, Veronica Mars - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Kristen Bell, Veronica Mars
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Fans von "Veronica Mars" wissen, dass Kristen Bell eine charismatische und charmante Schauspielerin ist, die alle Facetten des menschlichen Wesens überzeugend darstellen kann. Und so hat sie auch in "Deadwood" Gelegenheit, sowohl durch ihr unschuldiges Wesen, wie durch Ruchlosigkeit zu beeindrucken. Wenn gestandene Männer wie Dan Dority ob ihres Charmes die Fassung verlieren, dann ist das schon einmal beeindruckend. Und Flora Anderson reiht sich trotz ihrer kurzen Zeit in Deadwood in die Reihe der faszinierenden Frauenfiguren ein, die die Stadt zu bieten hat. Sie alle sind wahrlich keine Vorbilder für die heutige moderne Jugend, sind sie doch meist drogensüchtig, alkoholabhängig, von ihren Männern geknechtet, zur Prostitution gezwungen und im Allgemeinen wenig Herr ihrer Lage. Aber wie diese Frauen mit den Fesseln, die ihnen die Zeit und Gesellschaft auferlegt haben umgehen, ist wahrlich hochinteressant und sorgt für großartiges Charakterdrama. Auch Flora hat nicht viel Auswahl, wenn sie ihr Leben damit bestreitet, von Ort zu Ort zu ziehen und die lokalen Saloonbesitzer übers Ohr zu hauen. Die Alternative wäre eigentlich nur, sich als Hure unter die Fittiche eines dieser Saloonbesitzer zu begeben, und dies ist nun wahrlich keine verlockende Variante. Da sie selbst auch nicht auf den Kopf gefallen ist und durchaus einiges an krimineller Energie in ihr schlummert, macht sie das Beste aus ihrem Leben, sich des permanenten Risikos durchaus bewusst.

Foto: Kim Dickens & Powers Boothe, Deadwood - Copyright: Paramount Pictures
Kim Dickens & Powers Boothe, Deadwood
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Floras Auftauchen findet dabei in einer Episode statt, in der auch die anderen Frauen in Deadwood an einem entscheidenden Wendepunkt stehen und man könnte besonders "Keine Gnade" (Im Original: "Suffer the Little Children") als eine Frauenepisode in mitten dieser männerdominierten Serie betrachten. Denn während Flora versucht, ein wenig Geld aufzutreiben, hängt Trixies (Paula Malcomson) Leben nach eigenem Zutun am seidenen Faden und sie muss entscheiden, welche Zukunft sie für sich erhofft und Alma (Molly Parker) wird durch Trixies Schicksal aufgerüttelt und nimmt die volle Verantwortung für ihre junge Ziehtochter auf sich. Der wirklich tragende Charakter dieser Episode ist aber Joanie Stubs, die in Flora zu gerne eine unschuldige Seelenverwandte sehen würde, was diese sich eiskalt zu Nutze macht. Und so statuiert am Ende der verhängnisvollen Ereignisse Joanies Herr und Meister Cy Tolliver nicht nur mit unvergleichlicher Brutalität an den beiden Dieben ein Exempel, er macht auch der Frau in seiner Abhängigkeit unmissverständlich klar, wie die Machtverhältnisse liegen und ist ihr gegenüber damit noch wesentlich grausamer, als zu seinen direkten Opfern. In einer meisterhaften, beklemmenden Szene der Konfrontation, die von Gewalt und Subtext strotzt, erlöst Joanie Flora und Miles und muss selbst mit den Narben des Vorfalles leben.

Foto: Kim Dickens, Deadwood - Copyright: Paramount Pictures
Kim Dickens, Deadwood
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Dieser Handlungsbogen, der sich mit Joanies Schicksal, ihrer Opferrolle und dem allgemeinen Frauenbild in der damaligen Zeit auseinandersetzt, straft all die oberflächlichen Kritiken Lüge, die behaupten, in "Deadwood" gäbe es keine starken Frauen. Natürlich gibt es die nicht nach unseren heutigen Maßstäben, aber ein starker Frauencharakter definiert sich nicht dadurch, dass er physisch in der Lage ist, sich zu wehren, sondern durch facettenreiche und stereotypenfreie Eigenschaften, die durch sorgfältige Erzählweise weiterentwickelt werden. Und ebenso wie die berühmt-berüchtigte Sprache in "Deadwood" eine ganz eigene Kunstform voller Eleganz und Klang ist, sind die Frauencharaktere subtil faszinierend und schleichen sich so in die Gefühlswelt der Zuschauer. Auch Flora Anderson gehört dazu und Kristen Bell kann mit Stolz auf diese Anfangszeit ihrer Karriere zurückblicken, in der sie schauspielerischen Hochkarätern ebenbürtig das Wasser reichen konnte.

Im Gesamtkontext der Serie ist Kristen Bells Auftritt nur eine kurze Anekdote, aber da "Deadwood" an sich solch ein Meisterwerk ist und in das Pantheon der großen TV-Shows gehört, sollte sich kein "Veronica Mars"-Fan von dessen Kürze abschrecken lassen. Die Serie ist es wert, entdeckt zu werden und Kristen Bells Gastspiel ist dabei nur einer der vielen Aspekte.

Cindy Scholz - myFanbase

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