Bewertung

Review: #2.04 Die Reisenden

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Dark
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Wir schreiben den 24. Juni und es sind nur noch drei Tage bis zur Apokalypse. Da wir uns im zweiten von drei Zyklen befinden, scheint es unausweichlich, dass nach dem ersten Versuch des erwachsenen Jonas' im Finale von Staffel 1 auch der zweite Anlauf scheitern wird, wenn es darum geht, die Zeitreisen zu beenden. Trotz dieser Aussicht erscheint die zweite Staffel von "Dark" nicht sinnlos, sie dient viel mehr dazu, die in Staffel 1 nur oberflächlich angerissenen Zusammenhängen zu vertiefen.

Dieses Mal befinden wir uns – bis auf einen winzigen Blick ins Jahr 2053 – in den Zeitebenen 1921 und 2020. Es war durchaus zu erwarten, dass Jonas nicht das Glück haben würde, durch das Gottpartikel genau ins gewünschte Jahr springen zu können. Dass man ihn ausgewählt hat, um mit uns das Jahr 1921, das nach dem #2.01 Anfänge und Enden noch sehr fremd und farblos blieb, zu erkunden, ist eine vortreffliche Wahl. Zu Jonas haben wir Zuschauer den größten Bezug, wir stehen ihm mit offenem Herzen gegenüber und sind mehr als bereit, die Geheimnisse dieser neuen Zeitebene mit Jonas aufzudecken. Die Reise in das Jahr 1921, in dem der Schock über die Niederlage des Ersten Weltkrieges noch tief sitzt, fühlt sich von der ersten Sekunde an bedeutungsschwanger an. Die krächzenden Geigen im Hintergrund, der junge Mann, den wir im Staffelauftakt kaltblütig jemanden ermorden sahen, der kurze Blick auf Agnes, all dies lässt nichts Gutes ahnen und macht daher umso mehr Vorfreude bei der Erkundung. Die Furcht über das, was dieses Jahr für Jonas bereithält, weiß Louis Hofmann authentisch umzusetzen. Sowohl sein Zittern am Tisch, als auch das Hochschrecken aus dem Traum und der Unglaube gegenüber "Sic Mundus Creatus Est" lassen dem Zuschauer die Haare zu Berge stehen. Ganz leise bahnt sich über die Laufzeit der Episode hin der Verdacht an, dass es sich bei Adam um den gealterten Jonas handeln könnte. Es ist eine Befürchtung, die man eigentlich nicht in Erfüllung gehen sehen will, da man Jonas bisher mit dem Guten, der Helligkeit, dem Erlöser aus diesem ewigen Kreislauf assoziiert hat. Adam stellt dagegen das Böse und die Schattenseiten des Lebens dar. Doch es wäre nicht "Dark", wenn man diese Elemente nicht gekonnt zu verknüpfen wüsste und so wirkt es auf den zweiten Blick umso treffender, dass der Jonas aus dem Jahr 2019 das ganze Gegenteil seines Ichs aus dem Jahr 1921 zu sein scheint.

Während man nach dem Staffelauftakt noch gegrübelt hat, ob sich im Verlauf der Serie weitere Zeitebenen auftun werden, wirkt es nun so, als hätte man die Dimensionen der Geschichte endgültig abgesteckt. Beginn ist das Jahr 1921, in dem die Welt erschaffen und die Reisenden gegründet wurden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Passage noch verschlossen und das aus dem Grund, da sie noch nicht fertiggestellt ist. Erst 32 Jahre später wird sie den Weg in die jeweils 33 Jahre voneinander entfernten Zeitebenen freigeben, bis die Passage durch die Apokalypse 2020 wieder zerstört wird. Es hat etwas beruhigendes, nun eine Art Anfang und Ende abschätzen zu können.

Eine Offenbarung, die neben der großen Schockmoment um Adams Identität beinahe untergeht, ist das junge Ich von Noah, das wir kennenlernen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Verbindung zwischen den beiden im Staffelauftakt bereits aufgezeigt wurde, mich überrascht es jedenfalls, dass der bisher vollkommen zeitlosen Figur des Noah nun doch noch ein zweites Gesicht gegeben wird. Der junge Noah erscheint dieses Mal sehr kaltblütig, die Zweifel aus dem Staffelauftakt hat er augenscheinlich abgelegt. In diesem Jahr macht ihn das zu einem unberechenbaren Faktor und einem perfekten Handlanger.

Neben der eindringlichen und besorgniserregenden Entwicklung im Jahr 1921 macht man auch 99 Jahre später einen entscheidenden Schritt. Die erst vollkommen autark handelnden kleinen Grüppchen von Leuten, die versuchen das Rätsel rund um Winden und die Höhlen zu lösen, tun sich zusammen. Es ist unheimlich spannend, die für uns so vertraut und einander so fremd scheinenden Figuren nun an einem Strang ziehen zu sehen. Jeder geht mit der Neuigkeit über den erwachsenen Jonas, Ulrich im Jahr 1953 und Mikkel im Jahr 1986 auf seine Weise um. Schauspielerisch konnte mich Katharina-Darstellerin Jördis Triebel am meisten überzeugen. Mit den verquollenen Augen und dem schieren Unwillen, das Gehörte zu glauben, nimmt sie erst einmal eine Abwehrhaltung ein, die der Geschichte guttut, da ihre Reaktion nicht authentisch gewirkt hätte, wenn sie sich einfach auf die Zeitreisen eingelassen hätte. Als Katharina dann aber das Klassenfoto aus dem Jahr 1986 in den Händen hält und ihren Sohn darauf erkennt, kann man ihren Schmerz an jeder Faser ihres Körpers ablesen und als Zuschauer nicht anders, als mit ihr zu leiden.

Mit Magnus, Martha, Franziska und Elisabeth gibt es eine zweite Gruppe von Charakteren, die sich zusammentut. Sie sind eine Art Spiegelbild der älteren Generation. Ebenfalls spiegelbildlich ist ihr Weg durch die Gänge der Höhle aufgebaut, während man in einer anderen Zeitebene gleichzeitig Jonas verfolgt und angestrengt hofft, dass sie sich finden werden, auch wenn eigentlich klar ist, dass mit einem Happyend dieser Art nicht zu rechnen ist. Es erinnert stark an das gleichzeitige Umherirren von Ulrich und Mikkel aus #1.03 Gestern und Heute. Schlussendlich bleibt die Frage, was es mit Bartoszs Reise durch die Zeit auf sich hat und wie er sich in die Konstellation rund um Noah, Adam und Jonas einfügen lässt. Zu Beginn der Serie vermutete ich, dass er und Jonas am Ende Gegenspieler sein würden, nun bin ich mir da alles andere als sicher.

Während die genannten Handlungen äußerst packend erzählt werden, können die Ermittlungsarbeiten von Clausen sowie die Recherche von Claudia mit diesem Spannungsfaktor nicht ganz mithalten. Für sich genommen sind die beiden Teile der Episode durchaus interessant, doch es fehlt ihnen der nötige Biss, um den Zuschauer auf gleiche Weise in den Bann zu ziehen.

Kurze Fragen

  • Was ist eigentlich mit Torben Wöllers Auge passiert?
  • Steht Egons Tod am 26. Juni in Zusammenhang mit der Apokalypse?
  • Aus welchem Jahr hat Bartosz die Zeitmaschine geholt?
  • Warum gibt es 2020 ein Schlupfloch?
  • Wer ist das namenlose Mädchen und warum wird sie von Elisabeth verschont
  • Wer schrieb das Buch?
  • Ist Adam sich sicher, dass der nächste Zyklus der letzte sein wird, da dann die Triqueta erfüllt ist?

Fazit

Wieder einmal kann "Dark" mit großen Enthüllungen auftrumpfen und sowohl den Zuschauer als auch die Figuren an die Grenzen ihrer emotionalen Belastbarkeit treiben. Es macht mit jeder Folge mehr Spaß, sich in die Welt von "Dark" einzudenken.

Marie Florschütz - myFanbase

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