Bewertung

Review: #2.05 Brüder

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Als ich den Titel zur aktuellen Episode gelesen habe, kam wahrscheinlich nicht nur mir in den Sinn, dass sich die Folge garantiert auf Kevin und Randall fokussieren wird. Eine spannende Sache, denn gerade in der Vergangenheit haben wir die beiden selten zusammen agieren sehen und in der Gegenwart gab es nun auch nicht viele Berührungspunkte, von denen für mich aber insbesondere die Szene in Erinnerung blieb, in der Kevin Randall bei dessen Zusammenbruch im Büro zur Hilfe eilte und dafür seine Theaterpremiere sausen ließ. Nun, die Folge vernahm durchaus diesen vorhersehbaren Verlauf, endete jedoch in einer faustdicken Überraschung, die mich noch etwas ratlos zurücklässt.

Kevin

Nun haben wir also doch eine Tablettensucht-Geschichte, die dann auch noch mangels verfügbarer Pillen, die Alkohol-Betäubungsvariante gleich mit dazu auspackt. Mir gefällt diese Richtung überhaupt nicht. In der Realität ist das sicherlich noch immer ein verbreitetes Problem, in der Serienwelt habe ich jedoch selten eine große Variation der Erzählung dieses Themas erleben können. Und so darf nun also Kevin all diese Schritte gehen, die im typischen Schema-F ablaufen. Die verschriebenen Tabletten sind leer, die Suche nach Ersatz bei anderen (hier bei Randall zuhause), die penetranten Anrufe beim Arzt, der Griff zur Flasche und, das Schlimmste von allem, Freund/Freundin, Familie/Angehörige etc. (hier Sophie und Randall) dürfen auf gar keinen Fall etwas davon erfahren bzw. die wahren Gründe werden geleugnet. Am liebsten hätte ich Kevin an den Schultern gefasst, ihn geschüttelt und angeschrien: "Warum machst Du nicht einfach den Mund auf und erzählst zumindest Sophie von deinem Knie?" Stattdessen nur Lügen und Ausflüchte und vor allem die Gefahr, dass Kevin nun genau die Fehler wieder begehen wird, die überhaupt erst zur Trennung von ihm und Sophie geführt haben. Das wiederum ist natürlich reine Spekulation, denn über die Gründe des Endes ihrer Ehe haben wir ja bislang noch keinerlei Informationen erhalten. Die Wahrheit hätte der Handlung über Tablettensucht aber tatsächlich einen neuen Dreh geben können. Sich jemanden anzuvertrauen und Hilfe anzunehmen, zeugt von großem Vertrauen, wäre interessant zu sehen und hätte zugleich die Möglichkeit geboten, ihre frühere Ehe in der Gegenwart neue Wege einschlagen zu lassen. Letztendlich machte es Kevin nur unsympathisch und stellt ihre Beziehung auf äußerst fragilen Boden.

Randall

Déjà ist nun also schon vier Wochen bei Randall und Beth. Ich finde es schade, dass hier bereits so viel Zeit vergangen ist, weil man keinen ausreichenden Eindruck davon bekommt, ob und wie sich Déjà in die Familie integriert hat. Die bisher bekannten Szenen mit ihr hätten so gut und gerne auch innerhalb weniger Tage ablaufen können. Im Verlauf von vier Wochen ist mir dagegen die Entwicklung zu gering. Was macht Déjà eigentlich den ganzen Tag? Geht sie zur Schule? Sitzt sie nur in ihrem Zimmer? Wie steht sie inzwischen zu Annie und Tess? Ich erwarte ja nun auch keine vollständige Integration und heile Welt Familie. Offenbar müht sich der den derzeitig Hausmann spielende Randall seit einem Monat vergeblich, Déjàs Schutzwall zu durchbrechen. Das wiederum tut er, wie wir ihn bisher kennen, in seiner unnachahmlichen Art aus Freundlichkeit, Rücksichtnahme und schlechten Scherzen, die mitunter Fremdscham bei allen Beteiligten (Beth kennt ihren Mann einfach zu gut), inklusive des Zuschauers, auslösen. Aber es ist auch überhaupt kein Problem, ihm dies zu verzeihen. Es ist einfach sein Charakter, den wir inzwischen auch schon in jungen Jahren ähnlich erlebt haben. Gut, vielleicht ohne den schrägen Humor, aber stets mit dem Willen, auf andere offen zuzugehen und das Gute im Menschen zu sehen. Gleichzeitig zeichnet es Randall aber auch aus, dass er sich seiner Sturheit und seiner Eigenarten bewusst ist. Damit spreche ich die Szene vor der Toilette an, die gleich nochmal ein Thema sein wird. Ich bin jedenfalls froh, dass es nun auch eine erste Annäherung von ihm und Déjà gibt, auch wenn die beiden wirklich noch ganz am Anfang stehen. Wie sie so schnell ihren Arm abwehrend zurückzog und sich auf die Toilette flüchtete, lässt zusammen mit ihrer Schilderung nur im Ansatz erahnen, was das Mädchen in der Vergangenheit wohl alles Schlimmes erlebt haben muss. Da werden sicher noch einige Szenen folgen, die uns weitere Hinweise geben.

Kevin und Randall

"Brothers" zeigt uns das Verhältnis der beiden Brüder auf, kratzt aber noch immer an der Oberfläche. Wir sehen in der Gegenwart wiederholt, wie gut sich die beiden kennen, sich nah, aber zugleich auch fern sind. Auch wenn sie Brüder sind, leben sie doch in unterschiedlichen Welten, sind grundverschieden auf den ersten Blick, sind insbesondere bei Kevin auf den zweiten Blick, aber auch beide herzensgute Menschen. Beide haben auch ein gutes Gespür für den jeweils anderen. Die zuvor bereits angesprochene Szene aus Staffel eins zeigt das in Bezug auf Kevin. Bei der Szene vor der Damen-Toilette ist es Randall, der zu spüren scheint, dass mit Kevin etwas nicht stimmt, sich in dieser Situation aber nicht so recht darauf einlassen kann, weil Déjà in diesem Moment seine Aufmerksamkeit hat. Es war einfach witzig zu sehen, wie Kevin sich sicher ist, dass Randall die Toilette betreten wird und Randall sich nur schwer im Zaum halten kann, direkt hineinzustürzen und es letztendlich und erwartungsgemäß doch tut. Während es in der Gegenwart immer so kleine Szenen wie diese sind, die zeigen, wie gut sich die Brüder kennen und auch verstehen können, bleibt in der parallel gezeigten Vergangenheitshandlung weiter unklar, warum es Kevin damals so schwer fiel, eine Beziehung zu seinem Bruder aufzubauen. Dennoch veranschaulicht uns der Camping-Trip, dass er auch damals schon fähig war, einen Schritt auf seinen Bruder zuzugehen, wenn auch erst nach der Entdeckung der von Rebecca für Randall vorgeschriebenen, rührenden Tipps. Das war zwar eine schöne Szene, aber wie es mir inzwischen immer häufiger auffällt, wird auch hier wieder nur ein Thema angerissen, dann aber nicht näher vertieft. Und so wissen wir weiterhin nicht, warum Kevin damals nicht den Kontakt zu Randall suchte.

Jack

Während man als Zuschauer über die nahezu komplette Folge hinweg das Gefühl hat, man will Jack in Abgrenzung zu seinem Vater als einen sich kümmernden und liebenden Familienmensch positionieren, der es eben auch schafft, Widerstände abzubauen und die Brüder zu vereinen, bekommt die Geschichte zum Ende einen unerwarteten Twist. Dieser lässt Jacks Umgang und Distanz zu seinem Vater noch einmal in einem anderen Licht dastehen. Jack hat(te) also einen Bruder? Mein erster Gedanke: Weiß das überhaupt jemand in seiner Familie? Hat er Rebecca jemals von ihm erzählt? Es verdeutlicht noch einmal, warum es es ihm so wichtig ist, dass sich die eigenen Söhne gut verstehen. Das im Keller gut versteckte Foto lässt wohl den Rückschluss zu, dass er womöglich bei einem Armee-Einsatz ums Leben kam, und zwar noch bevor Jack Rebecca kennenlernte. Zugleich erklärt dies auch seine fast schon eiskalte Haltung bei der Nachricht über den im Sterben liegenden Vater. Er will nicht so wie dieser sein und womöglich auch nicht so enden, allein in einem Pflegeheim die letzten Tage verbringen, weil er seine Kinder vernachlässigt und nicht geliebt hat. Als Zuschauer will man dabei wütend auf seinen Vater sein, hat jedoch auch Mitleid mit dem einsam und hilflos wirkenden Mann. Für mich war auch überraschend, dass Rebecca offenbar erstmals persönlich auf ihren Schwiegervater trifft. Er schien auch gleich sehr angetan von ihr zu sein und zeigte auch direkt Interesse an seiner Enkelin Kate, die er im Hintergrund erblickte. Wir wissen zwar, dass er geradeheraus gesagt ein Arschloch war, aber in der Situation musste ich schon schlucken, auch weil Jack so unnachgiebig blieb, aber sowohl konsequent als auch irgendwie nachvollziehbar ist vor dem Hintergrund seiner Erlebnisse in der Vergangenheit. Für die Folge selbst funktioniert der Augenblick mit dem bisher unbekannten Bruder gut, aber hätte es diesen Schockmoment unbedingt gebraucht, da man doch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass der Bruder bereits tot ist und somit nur ein Vergangenheitsthema sein wird? Wird er Rebecca von ihm erzählen, falls sie noch nicht von ihm wissen sollte? Und wird Jacks Vater noch einmal eine Rolle spielen oder können wir nun von seinem Tod ausgehen?

Kate und Toby

Und dann gab es ja auch noch Entwicklungen bei Kate und Toby. Die Schwangerschaft von Kate war als Cliffhanger der letzten Folge mindestens ebenso eine große Überraschung wie nun Jacks Bruder. Hier lief innerhalb einer Folge aber gleich eine schöne Entwicklung der Geschichte ab. Ich war heilfroh, dass Kate Toby direkt eingeweiht hat. Das wurde bei mir aber gleich wieder gedämpft, als sie ihn mit der Bitte bremste, nicht zu euphorisch zu werden und es nicht ihr gegenüber zu thematisieren. Woher kommt eigentlich ihre Angst, das Kind verlieren zu können? Geht es hier wirklich nur um ihr Gewicht oder werden wir am Ende noch mit einer früheren Schwangerschaft von Kate konfrontiert? Mittlerweile darf man in der Serie ja gar nichts mehr ausschließen. So sehr ich ihre Angst nachvollziehen kann, bin ich aber auch froh, dass der kleine Auto-Crash ihre Anspannung löste und sie sich nun mit Toby freuen kann. Denn seine Freude über den Nachwuchs ist wie erwartet riesengroß und die Szene in der Bar zeigt Toby, wie wir ihn inzwischen kennen. Auch wenn die Sache mit dem Weinkühler für meinen Geschmack eine Spur zu drüber war. Dass Kate nicht gleich Kevin angerufen hat, finde ich zwar schade, zeigt jedoch auch, dass sie inzwischen gelernt hat, Toby als den Mann an ihrer Seite zu sehen, mit dem sie solch wichtigen Dinge zuerst teilen will. Die Nachricht ihrer Schwangerschaft wird sicher in der gesamten Familie Pearson noch für große Freude sorgen und ich will nur hoffen, dass diese Geschichte für alle Beteiligten gut ausgehen wird.

Fazit

Die Bruderbeziehung wurde letztendlich nur an der Oberfläche angekratzt und verlor sich am Ende zu sehr im Überraschungseffekt um Jacks Bruder. Da hätte man insgesamt und insbesondere in der Gegenwart mehr herausholen können. So wird letztendlich zwar ein größeres Verständnis für Jacks kalte Reaktion im Hinblick auf den sterbenden Vater und seinen unbedingten Willen, seine Söhne einander näher zu bringen, geschaffen, dennoch verliert die Ausgangssituation der Folge ihren Fokus. Kate und Toby hatten dagegen einen stringent und humorvoll erzählten Handlungsfaden, der die ernsten Zwischentöne der anderen Geschichten etwas auflockerte.

Jan H. – myFanbase

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