Die verstörendsten Momente 2010/2011
#6.20 Nur ein Zeichen (Supernatural)

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Man kennt das. Man streitet sich mit einem Menschen, Engel, was auch immer, weil man denkt, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat. Der vermeintliche Freund sieht sein Fehlverhalten nicht ein und im Streit ergibt ein Wort das andere, bis man Dinge sagt oder tut, die man später bereut. Das Schema hat sich bei "Supernatural" bislang bestens bewährt und hat sich in den letzten sechs Staffel immer wieder gut einbauen lassen. Dieses Mal kam quasi der Stilbruch. Und er stellt alles auf den Kopf...

"You gotta trust me, man!" – "Or what?"

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Misha Collins, AECON
© myFanbase/Nicole Oebel

#6.20 Nur ein Zeichen ist mit Sicherheit eine der besten Folgen der Staffel, vielleicht sogar der ganzen Serie. Das hat mitunter damit zu tun, dass Castiel, der seit einiger Zeit seinen Fixplatz in zahlreichen Fanherzen hat, endlich seine Sicht der Dinge präsentiert und einen diese fast nicht kalt lassen kann.

Jetzt ist es so, dass Cas und Dean im Laufe der Zeit ein Verhältnis aufgebaut haben, das dem der Winchester-Brüder nicht allzu unähnlich ist, und gerade deshalb kann man in einer Streitsituation zwischen den beiden auch davon ausgehen, dass die allzeit beliebte Trumpfkarte gespielt wird – Loyalität gegenüber der Familie. Wenn einer einmal Mist baut, kommt der andere und sagt ihm, er müsse aufhören und in dieser Sache einfach Vertrauen haben. Diese Situation hat die Serie wieder und wieder abgerufen und die Reaktionen waren immer gleich. Es kam jedes Mal entweder zu einem handfesten – mitunter auch handgreiflichen – Streit oder zu einer kleinen Erleuchtung. In jedem Fall aber gibt es irgendeine emotionale Regung, ein klarer Beweis dafür, dass die Beziehung zur Familie Schalter drücken und Hebel umlegen kann. Der eine Bruder war immer der Schwachpunkt, die Achilles-Ferse des anderen.

Dean Winchester, dem nichts auf der Welt wichtiger ist, als Sam, stellt sich also dem Gespräch mit Castiel, dem er bedingungslos vertraut und der dieses Vertrauen schamlos ausgenutzt hatte. Und er zieht die Trumpfkarte und sagt dem Engel, dass dieser wie ein Bruder für ihn ist. Er fordert nicht mehr als Einsicht und Vertrauen. Und als Zuschauer erwartet man sich jetzt irgendeine Regung, die dieser herzzerreißenden Ansprache angemessen wäre. Weil es immer so war. Weil es bei "Supernatural" genau so und nicht anders sein darf. Und wie reagiert Castiel? "Or what?". Ein Schulterzucken. Mehr ist es ihm nicht wert. Denn Dean, das macht Cas klar, ist nur ein Mensch, der gegen ihn, einen Engel, keine Chance hat.

Es ist klar, warum Dean daraufhin für den Bruchteil einer Sekunde die Balance verliert und man beinahe glauben könnte, dass der sprichwörtliche Schlag ins Gesicht nicht nur im übertragenen Sinn erfolgt ist. Die Serie bricht hier mit ihrem ureigenen Gesetz, denn die Familie, um die sich alles dreht, ist hier mit einem Schlag nichts mehr wert und diese Kehrtwende, die eine Persönlichkeit innerhalb einer einzigen Szene vollkommen auf den Kopf stellt, kommt ausgerechnet von einem Charakter, der immer mit seiner kindlich-naiven Gutmütigkeit begeistert hat.

Dieser Schritt war großartig. Mutig, schockierend, aber großartig. Denn er legt den Grundstein für eine Entwicklung, die sich schon im Staffel-Finale erahnen ließ und die der Serie genügend Steine ins Rollen bringen sollte, um die Spannung zu halten. Dass man uns Zuschauer damit das Herz brechen und uns genau so vor den Kopf stoßen musste, wie Dean Winchester, ist ein notwendiges Übel, zeigt aber auch, wie entschlossen die Autoren hinter kreativ wichtigen Entwicklungen stehen. Und wenn der einzige Preis für eine gute Storyline ein kurzer Moment des Luftschnappens ist, dann soll mir das recht sein. Mehr kann man nämlich im Grunde nicht verlangen.

Eva Kügerl - myFanbase

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