Bewertung
Jan Delay

Wir Kinder Vom Bahnhof Soul

"Mach, wie du meinst. Und fühl dich frei." - Liedzeile und Leitsatz in einem. Mit diesen Worten eröffnet Herr Delay aka Jan Eißfeldt "Oh Johnny", seines Zeichens Vorbote des dritten Soloalbums "Wir Kinder Vom Bahnhof Soul", für dessen Umsetzung der (Absolute) Beginner weder Zeit, Kosten, noch Mühe scheute. Die Fans dankten es ihm: Prompt und fast wie von selbst, so scheint es, sprang es an die Spitze der deutschen Albumcharts.

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Von Jan Delay hört man dieser Tage viel. Besonders im Radio. Und man konnte so einiges über den guten Mann in Erfahrung bringen. Beispielsweise, dass er es mit Werder Bremen hält und sich mit jeder Faser seines Körpers dem Verzehr von Hefeteilchen verwehrt. (Was er übrigens auf Track Nr. 9, "Kommando Bauchladen", im Albumverlauf auch nochmal zu begründen und zu bekräftigen weiß.) Und auch darüber hinaus erfährt man etwas: Dieser mittlerweile zumindest nicht mehr blutjunge Mann - Delay wurde kürzlich 33 - hat sein Basketballtrikot gegen den bonbonfarbenen Smoking getauscht. Die Kopfbedeckung ist nicht länger eine Schirmkappe, sondern ein Hut, wie auch Don Corleone ihn getragen hätte. Will heißen: Der wortverspielte Querdenker hat sich verändert. Mindestens sein Äußeres hat es. Und auch als Künstler hat er sich entwickelt, behauptet Jan Delay von sich selbst - unter anderem im Radio. So ist er sich sicher, dass er die Texte, die nun auf "Wir Kinder Vom Bahnhof Soul" zu finden sind, vor einiger Zeit noch nicht hätte schreiben können. Deswegen ist er auch mächtig stolz auf sein neues Werk. Kein Wunder, denn Jan Delay ist sicherlich kein Mann fürs Mittelmaß. Die Arbeit an seinem neuen Album war intensiv, nichts wurde dem Zufall überlassen. So, heißt es, habe er gleich fünf verschiedene alte Mikrofone ausprobiert und jeden Track mit jedem Mikro separat eingesungen, um letztlich die ultimative Version aufs Album packen zu können.

Unverkennbar hat der gebürtige Hamburger einen enormen Aufwand betrieben, ehe er seine neue CD nur wenige Wochen nach dem Solo-Debüt seines Beginner-Kollegens Denyo aka Dennis Lisk auf den deutschen Markt brachte. Und in jedem Satz aus seinem Munde hört man, dass er es geschafft hat zu machen, was er liebt und wie sehr er das liebt, was er bisher geschaffen hat. Und nicht zuletzt weiß er Dank zu sagen. Und zwar nicht zu knapp. Dass das "Showgeschäft" ein hartes ist, besingt er im gleichnamigen Opener und dass er sich in ihm zu behaupten weiß, wird im Folgenden deutlich hör- und spürbar. Mit dem von Delay so geliebten Wortwitz und der einen oder anderen Artikulationsakrobatikeinlage fasst er ebenso alltägliche wie zugleich heikle Themen an ("Oh Johnny", "Überdosis Fremdscham", "Kommando Bauchladen"), die mit durchaus ernstem Unterton ausgestattet dennoch beschwingt daherkommen. Einfach, weil Jan Kritik messerscharf aus der Hüfte schießt, sie musikalisch aber eben lockerleicht verpackt.

Kontrastprogramm bieten "Ein Leben Lang" und "Little Miss Anstrengend", denn das ist was fürs Herz. Wenn Delay säuselt "Denn mit allem kann ich leben, solang' ich mit dir leben kann.", lässt das keinen kalt. Der Mann, der mit Funkmusik und Blaskapelle als Kreativbolzen und Spaßmacher von sich Hören und Reden macht, zeigt plötzlich eine ganz andere Seite: "Glaub' mir, es gibt fast nichts, was ich besser finde als Milch und Honig und Schmetterlinge. Und auch, wenn ihr mich jetzt 'n Weichei nennt: Ich liebe es, wenn der Himmel voller Streicher hängt." So kennen Jan Delay bisher die wenigsten. Umso positiver überrascht ist man, wenn er diese so persönlichen Stücken immer wieder mal zwischen die extrem tanzbaren Disco-Nummern mit dem Sound längst vergangener Zeiten mischt.

Fazit

Dass gut Ding Weile haben will, bewahrheitet sich auch hier. "Wir Kinder Vom Bahnhof Soul" überzeugt. Überzeugt vor allem durch musikalisch extrem hohes Niveau, durch so und so astreinen Sound und eine kunterbunte Themenvielfalt. Den eigentlich krönenden Abschluss, der exakt die Halbzeit des Albums markiert, bildet das wunderbare "Hoffnung"; eine anrührend aufrichtige Hommage an die vielleicht einzig wahre Liebe im Leben des Jan Delay: "Du kannst die Sorgen nicht ertränken. Sie sind verdammt gute Schwimmer! [...] Denn wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo diese Mucke geht. Und sagt dir, dass alles besser wird. Und dass die Hoffnung als allerletztes stirbt. Musik ist so schön, sie ist das Beste im Leben." Und wenn sie so gut ist wie jene, der Jan Delay seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückt, ist sie zudem auch der Rettungsring, der uns in schweren Zeiten nicht ertrinken lässt, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht.

Anspieltipps

Ein Leben Lang

Überdosis Fremdscham

Hoffnung

Large

Little Miss Anstrengend

Artistpage

Jan-Delay.de

Tracks

1.Showgeschäft
2.Oh Jonny
3.Ein Leben Lang
4.Überdosis Fremdscham
5.Abschussball
6.Hoffnung
7.B-Boys & Disko-Girls
8.Large
9.Kommando Bauchladen
10.Little Miss Anstrengend
11.Rave Against The Machine
12.Disko

Aljana Pellny - myFanbase
31.08.2009

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