Bewertung

Review: #4.11 Hüttenzauber

Habe ich schon mal erwähnt, wie sehr ich diese Serie liebe?

Ja? Egal. Denn ich liebe diese Serie. Während die Frachtercrew und Locke gewissermaßen im "Cabin Fever" sind, könnte man bei mir von einem "Lost Fever" sprechen, das mich seit Beginn der Serie gepackt hat und in dieser vierten Staffel besonders schlimm ist. Es ist einfach kaum zu glauben, wie großartig Season 4 bislang ist.

#4.11 Hüttenzauber bildet da keine Ausnahme. Der Titel ist diesmal Programm: einerseits haben wir die Eskalation und den Lagerkoller ("Cabin Fever") auf dem Frachter, andererseits Lockes, Bens und Hurleys fieberhafte Suche nach Jacobs Hütte ("Cabin").

Und dann natürlich ein fantastisches, fantastisches Flashback.

"Now tell me, John, which of these things belong to you?"

Zugegeben, Lockes Flashback zeigte uns prinzipiell das, was wir bereits über Locke wussten: seine Mutter ließ ihn im Stich, er wuchs bei einer Pflegefamilie auf, war ein ziemlicher Loser und hatte nach seinem Sturz aus dem achten Stockwerk die Hoffnung aufgegeben, je wieder gehen zu können. Keine große Sache. Aber dann treten Richard Alpert und Matthew Abaddon auf den Plan und das Flashback wird mit einem Mal eine riesengroße Sache.

Es beginnt schon mal alles sehr verwirrend: ein Mädchen mit rosarotem Lippenstift tanzt zu Buddy Hollys "Everyday" durchs Zimmer, denn sie hat ein Date. Wie sich herausstellt, ist dieses Mädchen die junge Emily Locke, die sich mit einem viel älteren Mann verabredet hat. Und wie sich nach einem Autounfall auch noch herausstellt, ist Emily im sechsten Monat schwanger und sie bringt schließlich den kleinen John auf die Welt.

Später bezeichnet die Krankenschwester Baby John als ein "Wunder", da er alle nur denkbaren Krankheiten überwunden hat. Mama Locke ist davon wenig begeistert. Emily auch nicht, denn sie kann sich nicht überwinden, John zu akzeptieren und rennt davon. Mama Locke will erstmal eine rauchen und fragt nach Möglichkeiten zur Adoption, doch da bemerkt sie ihn.

Richard! ALPERT!

Ohhh, ist das genial, Nestor Carbonell wieder in der Show zu haben. Dieser Mann hat einfach eine unglaubliche Aura. Und ihn als Richard Alpert ausgerechnet in einem Flashback von Locke zu sehen, eröffnet uns eine völlig neue Sicht auf dessen Leben. Denn wie wir nun sehen, stand Locke schon von Geburt an unter der Beobachtung von Richard, der den "besonderen" John sein ganzes Leben lang überwachen würde.

Im Alter von fünf Jahren stattet Richard dem fünfjährigen John erstmals einen Besuch ab. Schon damals spielt er Backgammon und malt anstatt Autos und Lokomotiven lieber Lostzilla. Alpert unterzieht John einem sehr merkwürdigen und gleichzeitig hochinteressanten Test: er soll aus sechs verschiedenen Objekten – ein Baseballhandschuh, ein altes Book mit dem Titel "Book of Laws", ein Glasfläschchen mit Sand, ein Comicbuch mit dem Titel "Mystery Tales", ein Kompass und ein Messer – drei aussuchen, die ihm laut Alpert "schon gehören." John wählt das Fläschchen mit Sand, den Kompass und das Messer. Aber die Wahl des Messers verärgert Richard und gibt ihm Anlass zu glauben, dass John "noch nicht bereit" sei – doch wieso?

Man sollte sich hier vielleicht fragen, für was Richards Objekte stehen könnten: der Handschuh und der Comic sind höchstwahrscheinlich nur Objekte, die ablenken sollen und die ein "normaler" Junge in dem Alter wählen würde. Der Sand repräsentiert sicherlich die Insel, der Kompass steht entweder für die Suche nach der Insel oder die Fähigkeit, die Richtung zu weisen und führen zu können. Das Buch steht für Ordnung, Regeln, Recht, doch das Messer für Gewalt und Wut. Womöglich ist es das, was Richard aufgeregt hat: John wählt die Gewalt und nicht die Ordnung und ist vielleicht deshalb noch nicht bereit.

"Don't tell me what I can't do."

Doch auch als Teenager ist Locke noch nicht bereit für das, was Richard mit ihm vorhat: er ist ein wütender junger Mann, der es satt hat, von den anderen gehänselt zu werden und daher nicht auf seinen Lehrer hören will. Dieser rät ihm, das Angebot einer gewissen Mittelos-Stiftung in Portland anzunehmen und ein Wissenschaftscamp zu besuchen. John allerdings reagiert gereizt und betont, dass er "kein Wissenschaftler" sei. Eine interessante Aussage, wenn man bedenkt, dass Locke immer der Mann des Glaubens war, im Gegensatz dazu Jack der Mann der Wissenschaft.

Der letzte Part von Lockes Flashback schließlich befasst sich mit einem entscheidenden Ereignis nach dem Sturz: Locke sitzt bereits im Rollstuhl und kämpft sich durch die Reha, doch da bekommt er Besuch von ihm.

Matthew! ABADDON!

Während man bei Richard Alpert zwar Gänsehaut kriegt, aber dennoch das Gefühl hat, dass er eigentlich zu den Guten gehört, jagt Matthew Abaddon einem einfach nur einen Schauder über den Rücken. Dieser Mann ist die Verkörperung von Gruseligkeit und besitzt gleichzeitig etwas unglaublich Faszinierendes. Ich frage mich, ob Abaddon eine Art Gegenpol zu Alpert darstellt (Alpert auf der Seite von Ben, Abaddon scheinbar auf der Seite von Widmore) oder ob er noch etwas völlig anderes verbirgt.

Interessanterweise bezeichnet auch Abaddon John als ein "Wunder" – schließlich hat er den Sturz aus dem achten Stock eines Hochhauses überlebt. Wir erfahren, dass er es war, der Locke die Idee eines Walkabouts (#1.04) in den Kopf setzte und so quasi der Grund ist, wieso John in Australien war und letztlich auf der Insel gelandet ist. Wusste Abaddon, dass das passieren würde? Sieht ganz so aus. Denn ganz im Sinne der Allwissenheit macht Abaddon Locke klar, dass sie sich eines Tages wieder sehen werden.

"Destiny, John, is a fickle bitch."

Auf der Insel ist Locke unterwegs mit Ben und Hurley und die drei sind ein absolutes Traumtrio. Vor allem Hurley lieferte in dieser Episode einen genialen Spruch nach dem anderen, beginnend bei "Oh, that's just awesome" bis hin zu "We can see the cabin, because we're the craziest" oder glänzte einfach durch Schweigsamkeit, als er mit Ben wortlos einen Schokoriegel teilt. Awesome.

Nachdem die drei einen Tag lag ziellos umhergeirrt sind, da Locke Ben folgte, Ben Hurley folgte und Hurley wiederum Locke folgte, hat Locke einen absolut skurrilen Traum von einem bäumefällenden Horace Goodspeed. Eine äußerst gelungene Sequenz, die mal wieder zeigt, dass "Lost" selbst in Staffel 4 immer wieder sehr starke Mysterymomente bringen kann. Der Traum führt Locke über das Dharma-Massengrab schließlich hin zu Jacobs Hütte und dort erwartet ihn... Christian. Nun, jeder, der sich wie ich stundenlang mit Episode #3.20 beschäftigt hat, wird wissen, dass schon in dieser Folge ein Mann mit weißen Turnschuhen an Jacobs Platz saß, der Christian Shephard äußerst ähnlich sah. Somit war es nicht wirklich überraschend, Christian in der Hütte zu sehen – umso interessanter jedoch ist, dass wir endlich die Gewissheit haben, dass Christian nicht Jacob ist. Und was bitteschön macht Claire in der Hütte?!

Während Locke Jacob in seiner Laube einen Besuch abstattet, entscheidet sich Ben bewusst dagegen, Jacob zu sehen. Ihm wird während der Suche nach der Hütte klar, dass seine Zeit abgelaufen ist: während er krank wurde, wurde John gesund und dieser hat nun Träume, während Ben wiederum keine mehr hat. Ben erkennt, dass Locke ihn nun ablösen wird und muss außerdem feststellen, dass Locke ihm gar nicht so unähnlich ist. Betrachtet man die beiden genauer, weisen ihre Biographien sogar einige beachtliche Parallelen auf: sowohl Bens als auch Johns Mutter hießen Emily L. (Emily Linus bzw. Emily Locke) und sie waren beide Frühgeburten (zwei bzw. drei Monate). Bens Mutter starb und Johns Mutter ließ ihn im Stich, sodass sie beide ohne ihre leibliche Mutter aufwuchsen, aber beide ein sehr problematisches Verhältnis zu ihrem Vater entwickelten. Ben als auch John wurden gleichermaßen von ihrem Vater gehasst und beide (!) töteten ihren Vater, um zu den Anderen zu gehören. Zufälle? Sicherlich nicht, wir reden hier schließlich von "Lost".

Ansonsten: Viel Glück bei dem Versuch, die Insel zu bewegen!

"The only way to save our lives is to get our people off that Island."

Auf dem Frachter überschlagen sich diesmal die Ereignisse: Keamy und seine Männer kehren zurück und Keamy... nun, Keamy ist verdammt sauer. Er schlägt Michael zu Kleinholz und pustet ihm beinahe auch das Hirn weg, doch steht Michael weiterhin unter dem besonderen Schutz der Insel und überlebt (!). Captain Gault aka Gerard Butler 2.0 leider nicht. Dr. Ray auch nicht. Ganz ehrlich: der Preis für den beliebtesten TV-Charakter aller Zeiten geht nicht an Martin Keamy.

Besonders erwähnenswert ist das Notfallprotokoll, das Keamy an sich reißt: wer genau hingesehen hat, wird das Siegel der Dharma Initiative entdeckt haben. Heißt das also, Widmore ist mit dieser verbunden? Inwiefern? Hat er sie gegründet? Sponsert er die Initiative oder leitet er sie gar? Und woher weiß Widmore, wohin Ben gehen wird?

Keamy jedenfalls ist Feuer und Flamme, zur Insel zurückzukehren, Ben zu schnappen und die Insel zu zerbomben und zwingt den armen Lapidus dazu, den Hubschrauber zu fliegen. Doch während Keamy zur Insel steuert, ist auch Sayid dorthin unterwegs, der beginnen will, die Losties endlich von dort wegzubringen. Unser Lieblingsschotte Desmond hingegen will auf dem Frachter warten, nun da die Rettung (und Penny) nahe ist. So wird unser irakisch-schottisches Dreamteam zwar getrennt, aber mal wieder gibt es einen dicken Pluspunkt für Desmond, der einfach klasse ist.

Klasse und zwar ganz große Klasse war prinzipiell die gesamte Episode. Es gäbe sicherlich noch einiges zu sagen, doch da die Review eh schon überdimensional lang ist, verweise ich lieber aufs Forum, wo gerne weiterdiskutiert werden kann. Tja, was soll man machen? Tolle Folgen verlangen Ausführlichkeit. Und diese Folge war definitiv grandios.

Maria Gruber - myFanbase

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