Bewertung
Crämer, Jana

Das Mädchen aus der 1. Reihe

"Könntest du durch meine Augen sehen, würdest du so wie ich zu dir stehen, jeden deiner Fehler lieben. Jedes Detail an dir ist heilig, denn genau so wie du bist, bist du unvergleichlich."

Batomae – Unvergleichlich

Foto: Copyright: Juneberry
© Juneberry

Inhalt

Die Hauptfigur Lea leidet an "Binge Eating", einer Essstörung, bei der es zu periodischen Heißhungerattacken mit Verlust der bewussten Kontrolle über das Essverhalten kommt, und versucht, dies so gut wie möglich vor der Außenwelt zu verstecken. Sie gesteht sich das Ausmaß ihres Problems auch lange nicht ein – erst als die Anfälle sich häufen und sie sich danach immer schlechter fühlt.

Lea ist sympathisch und lustig, steckt mitten im Abistress und geht gern mit ihrer besten Freundin Jule auf die Konzerte ihrer Lieblingsband, einer lokalen Coverband, deren Mitglieder im Verlauf der Geschichte zu guten Freunden werden. Allerdings ist Lea in einer Dauerschleife zwischen Diäten und Fressanfällen gefangen. Jedes Mal, wenn sie ein paar Kilo runtergehungert hat, hat sie diese kurze Zeit später teils doppelt wieder auf den Hüften. Dadurch entsteht eine größere Unzufriedenheit als zuvor und der Teufelskreis beginnt erneut.

Der familiäre Hintergrund von Lea ist nicht einfach. Sie versteht sich gut mit ihrer Mutter, die etwas überfordert wirkt. Der Vater ist alkoholabhängig, wodurch sich eine Art Hassliebe entwickelt hat. Auf der einen Art liebt sie ihren (nüchternen) wortgewandeten und klugen Vater. Und auf der anderen Seite steht der betrunkene, aggressive Mann, der kaum in der Lage ist, sich zu artikulieren.

Neben Diäten steckt Lea ihre Energie in die Arbeit für die Band. Sie hat eine Homepage erstellt, schneidet Videos und übernimmt alle möglichen Aufgaben um die Jungs – insbesondere Leadsänger Ben zu unterstützen. Sie schwärmt für ihn, steht sich ihre Gefühle auf Grund ihrer Figur nicht richtig ein. Ben sieht gut aus und ist sich dessen bewusst. Um sich selbst zu schützen geht, er eigentlich keinerlei festen Bindungen ein und lässt sich auch lieber auf Jungs als auf Mädchen ein. Ein weiterer Grund, weshalb Lea sich keinerlei Chancen ausrechnet. Es wird aber deutlich, dass Ben mehr als Lea liegt als er es ihm lieb ist. Am Ende des Buches kommt es tatsächlich zu einer körperlichen Annährung der beiden.

Im Verlauf des Roans schafft Lea das Abitur. Leider endet der Abend der Abifeier traumatisch. In Leas Jahrgang gibt es ein Mädchen, dass sie hasst. Das Mädchen heißt Caro und ist abgrundtief böse. Die verabreicht Lea eine Cola mit K.o.-Tropfen und hatte jemanden engagiert, der Lea vergewaltigen sollte. Da die Band von Ben auf der Feier gespielt hat, kam er gerade noch rechtzeitig, um dies zu verhindern.

Ben bekommt als einziger die Chance auf eine Solokarriere. Er verlässt die Band und wird innerhalb kürzester Zeit zum Newcomer. Dadurch zerbricht fast die Freundschaft zu den alten Bandkollegen und auch zu Lea.

Kritik

Auf den ersten Blick wirkt "Das Mädchen aus der 1. Reihe" wie ein x-beliebiger Jugendroman, aber es steckt mehr dahinter. Die Autorin Jana Crämer hat ihre eigene Essstörung und Vergangenheit in diesem Buch verarbeitet. Durch ihre Tätigkeit als Managerin der Band "Luxuslärm" kennt Jana alle Seiten des Musikbusiness. Dadurch sind alle Belange rund um die Konzerte und der Band sehr gut geschildert.

Für mich persönlich sind die folgenden Fragen offengeblieben: Warum ist es ihrem Umfeld verborgen geblieben, dass Lea in diesen Kreislauf gerutscht ist? Warum ist die Sucht unbemerkt geblieben? Warum hat sie sich nicht einmal ihrer besten Freundin offenbart? Da das Buch mit den Worten "Ende Teil 1" abschließt, hoffe ich, dass eine Fortsetzung etwas Klarheit bringt. Außerdem bin ich neugierig, wie sich Lea entwickelt, da die Figur sehr viel Potential hat. Es wäre ebenso interessant zu erfahren, inwieweit sich ihre Familie auch weiterentwickelt und ob ihr Vater an der Überwindung seiner Sucht arbeitet.

Der innere Konflikt von Lea sehr gut und greifbar beschrieben. Man versteht, warum sie so handelt und leidet mit ihr mit. Zeitweise sind mir die langen (gedanklichen) Monologe über das Essen und darüber, was die anderen von ihr denken könnten, wenn sie mit den Lebensmitteleinkäufen gesehen wird, fast zu viel.

Batomae hat mit der EP "Unvergleichlich" dem Roman einen eigenen Soundtrack gewindet. Hinter dem Pseudonym "Batomae" verbirgt sich der "Luxuslärm"–Bassist David Müller, der der beste Freund von Jana ist und dementsprechend sehr persönliche und gefühlvolle Songs geschrieben hat. Im Video der Single "Unvergleichlich" spielt Jana ebenfalls die Hauptrolle und zeigt dort die Folgen ihrer jahrelangen Essstörung – offen, ehrlich und sehr persönlich.

Fazit

Ich halte Bücher wie dieses für wichtig. Die Welt wird immer schnelllebiger und oberflächlicher. Es zeigt die innere Zerrissenheit der Betroffenen, das (teils) verzerrte Selbstbild, der Wunsch dazuzugehören und das Leid, das durch unbedachte Handlungen und Kommentare ausgelöst werden kann.

Jana Crämer zeigt in ihrem Buch, dass man an sich nicht entmutigen lassen sollte und dass es Menschen gibt, die immer für einen da sind – auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass es nicht so ist. Man sollte auf seine innere Stimme hören und an seine Träume glauben.

"Das Mädchen aus der 1. Reihe" ist ein Roman übers Erwachsen werden, Freundschaft, die erste Liebe und über Musik.

Janina Rossmannek - myFanbase
03.01.2016

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