Bewertung
Denzel, Ralph

Körperlos

Was wäre, wenn ein Mensch in den Körper eines anderen fahren könnte?

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Inhalt

Seit seinem sechsten Lebensjahr verfügt Finn Pfeifer über eine unheimliche, unerklärliche "Gabe", die er nicht steuern kann: Er verlässt plötzlich seinen eigenen Körper und fährt in den einer anderen Person. Er sieht und fühlt, was diese Person sieht und fühlt, und manchmal kann er ihre Handlungen auch beeinflussen, allerdings nur unter größten Anstrengungen, die für ihn sehr gefährlich sind. Nachdem er zwei Jahre lang keinen solchen "Anfall" mehr hatte, passiert es mitten in einem Park in seiner Heimatstadt Konstanz wieder und er landet im Körper eines psychopathischen Frauenmörders. Die Minuten im Körper dieses Unbekannten reichen für Finn aus, um zu erkennen, dass der Mann bereits sein nächstes Opfer im Visier hat. Finn riskiert sein eigenes Leben, um den Psychopathen aufzuhalten.

Kritik

"In deiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken!" Was andere so dahersagen, ist für Finn dramatische Realität. Der Protagonist dieses Romans ist den Anfällen hilflos ausgeliefert, die ihn plötzlich in den Körper einer anderen Person katapultieren, die in seiner Nähe oder auch Kilometer weit entfernt sein kann. Sein eigener Körper bleibt bis zu seiner Rückkehr besinnungs- und schutzlos zurück. Finns ganzes Leben ist davon geprägt, Beifahrer im Leben anderer Leute zu sein und dann an Schläuchen in einem Krankenhausbett wieder aufzuwachen, mitunter erst nach einem mehrwöchigen Koma. Wie tragisch Finns Leben bisher war, vor allem seine Kindheit und Jugend, lässt uns schon einige Male schwer schlucken.

Mit 29 Jahren steht Finn vor einer Herausforderung, die alles bisher Dagewesene übertrifft, zumindest in Punkto Gefährlichkeit. Er versucht, einen Psychokiller zu stoppen, der schon mehrere Frauen auf dem Gewissen hat. Dazu muss Finn erst einmal die Identität des Mannes herausfinden, denn er war zwar in dessen Körper, aber nicht in dessen Gedanken. Schon bei der Suche nach dem Killer wird Finn fast alles abverlangt und er gerät in zahlreiche gefährliche, auslaugende und schmerzhafte Situationen. Körperlos leiden wir Leser mit.

Finns beste Freundin und Familienersatz ist seine Hündin Laila. Die enge Bindung zwischen dem Außenseiter und dem Tier, das ähnlich einem Epilepsie-Hund vorher spüren kann, wenn sich bei Herrchen ein Anfall ankündigt, ist eine schöne Komponente des Romans. Sie nutzt sich aber auch etwas ab, da Laila als Hund naturgemäß nur eine geringe Bandbreite an Reaktionen zeigen kann und es mit der Zeit etwas ermüdend ist, ständig zu lesen, dass sie "jaulte und fiepte".

Wiederholt bedient sich der Autor Ralph Denzel auch des Kniffs, den Ich-Erzähler Finn auf Ereignisse vorausschauen zu lassen, die uns Lesern erst später offenbart werden. So tauchen des Öfteren Formulierungen auf wie "Das, was als nächstes passierte, hätte ich vielleicht verhindern können, wenn ...". Durch dieses Silmittel des Ausblicks wird beim Leser das Gefühl geweckt, eine reale Geschichte von einer realen Person zu lesen. Aus diesen Einschüben kann man zugleich das eine oder andere bezüglich des Ausgangs der Geschichte heraufiltern. Dadurch wird der Roman nicht langweilig, er fällt aber auch nicht in die Kategorie "hochspannend".

Das Szenario um Finns Gabe/Fluch hebt "Körperlos" natürlich von anderen Thrillern ab und auch der Bösewicht der Geschichte, der Frauenmörder aus Konstanz, hat es durchaus in sich. Dieser Psychopath weckt, ob seiner kaltblütigen Brutalität, seiner wahnsinnigen Interpretation von Liebe und seines unheimlichen Selbstverständnisses, mit allem davonzukommen, so einige Gefühle von Abscheu und Entsetzen. Es gibt allerdings auch weniger originelle Storyelemente, wie etwa die Tatsache, dass sich Finn sofort in das nächste Opfer des Killers verliebt und dadurch besonders motiviert ist.

Fazit

"Körperlos" ist 80% guter, aber nicht atemberaubender Thriller, 15% interessante, tragische Mystery und 5% vorhersehbare Lovestory. Insgesamt ein solider Mix.

Maret Hosemann - myFanbase
06.10.2015

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