Bewertung
Sannwald, Daniela

Lost in the Sixties: Über MAD MEN

"MAD MEN lenkt den Blick auf das Unglück der Erwachsenen, die die schöne, wohlhabende, funktionale Welt, die sie sich geschaffen hatten, nicht aushalten können."

Foto: Copyright: Bertz + Fischer GbR 2014
© Bertz + Fischer GbR 2014

Inhalt

Im ersten Band der neuen Reihe Prime Time vom Verlag Bertz + Fischer geht die Filmhistorikerin Daniela Sannwald dem außerordentlichen Reiz von "Mad Men" auf die Spur. Sie setzt sich näher mit den zentralen Charakteren des preisgekrönten Dramas rund um die Werbeindustrie der 1960er auseinander und wirft einen Blick hinter die Fassade einer Epoche, die stark von gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen gekennzeichnet war. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem die verlorene Jugend von Pete Campbell, der Aufstieg der Karrierefrau Peggy Olson, Don Drapers Männlichkeit in der Krise oder das Elend seiner Ehefrau Betty Draper in Suburbia. Aber auch Themen wie Feminismus und Rassenproblematik werden anhand von Figuren wie Joan Holloway und Dawn Chambers beleuchtet.

Kritik

Kaum eine andere Serie der letzten Jahre eignet sich so sehr für Sekundärliteratur wie "Mad Men". Die Komplexität der Charakterzeichnung, die direkt oder indirekt behandelte Themenvielfalt und die geschickte Verflechtung realer Hintergründe mit fiktiven Handlungssträngen laden regelrecht dazu ein, sich noch lange nach dem Abspann Gedanken über die faszinierende Welt der New Yorker Werbefachmänner in den 1960ern zu machen. Keine Wunder also, dass es mittlerweile eine Fülle an Büchern gibt, die sich dem Phänomen "Mad Men" widmen. Mit "Lost in the Sixties" liefert die Filmhistorikerin Daniela Sannwald einen der vergleichsweise rar gesäten deutschsprachigen Beiträge zu diesem Thema ab, schaffte es dabei aber nicht, sich positiv von anderen Begleitwerken zu der Serie abzuheben. Denn leider kratzt das kleine Büchlein im Hosentaschenformat, das sich aufgrund seiner nur 148 Seiten problemlos in einem Rutsch herunterlesen lässt, inhaltlich nur an der Oberfläche.

Was die Gliederung ihres Buches betrifft, so hat Daniela Sannwald den Weg einer charakterbasierten Analyse gewählt. Konkret sind es acht zentrale Figuren, die nach einer kurzen Einleitung als Ausgangs- und Ankerpunkt für ihre Auseinandersetzung mit den ersten sechs Staffeln der Dramaserie dienen. Jedes der acht Kapitel stellt wiederum eine Mischung aus Charakterbeschreibung, Rückblicken auf bedeutende Handlungsstränge und Querverweisen auf zugrundeliegende Themen dar. Während die Wesenszüge dabei recht gut und unterhaltsam auf den Punkt gebracht werden, sieht die Sache bei den Storyline-Rückblicken schon anders aus. Hier verliert die Autorin sich stellenweise in unnötig detaillierten, gleichzeitig aber unfokussierten Szenenbeschreibungen, die darüber hinaus inhaltlich nicht immer ganz korrekt sind (nein, Peggys Kind wächst NICHT bei ihrer Schwester auf). Auch der Großteil der thematischen bzw. gesellschaftspolitischen Exkurse, die zwischendurch eingebaut sind, lässt den Leser aufgrund der mangelnden Tiefe und zum Teil etwas seltsam anmutenden Vergleiche zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland eher enttäuscht zurück. Haben etwa der Sozialistische Deutsche Jugendbund und das Schicksal der deutschen Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 wirklich etwas in einem ohnehin schon knappen Werk über "Mad Men" verloren?

Ob und wie sehr dieses Buch trotz seiner Mängel zu gefallen weiß, wird vermutlich stark davon abhängen, wie ausführlich man sich als Leser zuvor schon mit der Serie auseinandergesetzt hat. Dem Durchschnittszuschauer, der "Mad Men" ohne allzu große Fanleidenschaft verfolgt, mag es als Einstimmung auf die finalen Folgen im Jahr 2015 durchaus gute Dienste erweisen. Passionierte Anhänger, die selbst gelegentlich über Don Draper und Konsorten diskutieren und vielleicht auch schon andere Sekundärwerke gelesen haben, werden die Lektüre von "Lost in the Sixties" wohl eher als unbefriedigend empfinden. Als bessere Alternative seien an dieser Stelle Natasha Vargas-Coopers "Mad Men Unbuttoned: A Romp Through 1960s America", Stephanie Newmans "Mad Men on the Couch: Analyzing the Minds of the Men and Women of the Hit TV Show" oder "Mad Men and Philosophy: Nothing Is as It Seems" von James B. South und Rod Carveth empfohlen.

Fazit

"Lost in the Sixties" gelingt es mangels inhaltlicher Tiefe nicht, sich in die Kategorie der wirklich empfehlenswerten Begleitwerke zum AMC-Erfolgsformat "Mad Men" einzureihen. Für Serienneulinge und Gelegenheitsschauer mag das Buch vielleicht ganz interessant sein, eingefleischten Fans bietet es jedoch keinerlei Mehrwert.

Willi S. - myFanbase
26.11.2014

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