Bewertung
Reichs, Kathy

Totgeglaubte leben länger

"'Confiscating bones in the name of the Lord' I threw out. - No response. 'Question is, which Lord?'" - Temperance Brennan

Foto: Copyright: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Inhalt

In Montreal wird der jüdische Antiquitätenhändler Avram Ferris halb aufgefressen von seinen Katzen und, bedingt durch eine zu hohe Zimmertemperatur, stark verwest aufgefunden. Bei der Autopsie findet La Manche, Leiter des medizinisch-forensischen Instituts, keine eindeutige Todesursache, daher wird Temperance Brennan hinzugezogen. Sie setzt in mühsamer Kleinstarbeit Ferris' Schädelfragmente wieder zusammen. Er ist ermordet worden: doppelte Einschusslöcher am Hinterkopf.

Tempe gelangt in den Besitz eines alten Fotos, das ein vollständiges Skelett zeigt. Ein Mann, der sich selbst als Kessler vorstellt, sagt, dies sei der Grund für Ferris' Tod. Brennan und Ryan, ihr Partner in Beruf und Privatleben, machen sich auf die Suche nach dem Mörder und der Identität des Toten auf dem alten Foto. Eine fragenreiche Geschichte beginnt, die zunächst darin gipfelt, dass einige Leute, darunter Ferris, überzeugt sind, das Skelett auf dem Foto sei das von Jesus von Nazareth. Tempe kann das Skelett in einem christlichen Kloster in der Nähe von Montreal ausfindig machen, doch bald darauf tun sich neue Fragen auf, die es nötig machen, dass Ryan und Tempe nach Israel reisen.

Kritik

Der nunmehr achte Band von Kathy Reichs' Temperance-Brennan-Reihe behandelt ein sehr schwieriges Thema: Religion. Daher war es für mich schwierig, in die gewohnte Leichtigkeit des Lesens hinein zu finden.

Schnell tritt die Geschichte um das Skelett auf dem Foto in den Vordergrund, der Mord an Ferris und später der mysteriöse Tod eines Priesters erscheinen nebensächlich. Zum ersten Mal sieht sich Tempe mit christlich-jüdischer Geschichte konfrontiert und findet sich schnell in der Materie zurecht. Während Ryan Jagd auf Kessler macht, erkundet Tempe mit ihrem Freund Jake, der Archäologe ist, eine Grabhöhle. Die Geschichte wird verworrener und irgendwann auch so verwirrend, dass selbst ich als Theologiestudentin schwer meinen Weg durch das Gewirr aus biblischer Grundlage, theologisch fundierter Theorie und Fiktion fand. Hat man aber ein gewisses Grundwissen über Jesus von Nazareth, kann man die meisten Gedankengänge zumindest nachvollziehen.

Gerade wegen des eigenen Wissens über die theologische Lage, wirkt die Storyline an vielen Stellen jedoch so weit vom wissenschaftlich Anerkannten entfernt, dass man Jake am liebsten schütteln würde. Auch bleibt dieser neue, zentrale Charakter sehr unsympathisch und trotz aller Erklärungsversuche Tempes, warum er ist, wie er ist, kann ich nicht nachvollziehen, warum die Protagonistin mit ihm befreundet ist und ihm teilweise mehr als nur blind vertraut.

Neben diesen Schwächen bietet "Totgeglaubte leben länger" unbestreitbar eine spannende Geschichte. Bis zum Schluss ist die Lösung ein Rätsel. Und gerade deswegen ein Reinfall. Es gab keinen Hinweis darauf, dass die Lösung die ist, mit der Reichs aufwartet. Auch wirkt das Ende überaus rasch und gedrungen; es lässt den Leser ohne Frage sehr enttäuscht zurück, da zu große Strecken der Haupthandlung ungelöst bleiben. Sie verschwimmen in einem Nebel aus halben Erklärungen und groben Kommentaren einer doch sonst so detailverliebten Tempe.

Fazit

"Totgeglaubte leben länger" ist das bisher schwächste Buch der Reihe von Kathy Reichs. Obwohl durch die vielen religiösen Anspielungen und das lange Suchspiel nach dem Mörder eine kreative Geschichte gesponnen wird, fällt diese belanglosen Wegbeschreibungen und sich immer wiederholenden Mustern zum Opfer. Wer jedoch einige, wenn auch überaus phantastische, Einblicke in den Disput um Jesus Christus und aktuelle Ausgrabungen in Israel erhalten will, dem ist das Buch zu empfehlen.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase
01.09.2011

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