Bewertung
Whitcomb, Laura

Seelenhüter

"Die Frau berührte Calders Herz, enfaltete beinahe die schwer zugänglichen Seiten seiner Erinnerung - so vertraut wirkte sie, obwohl er wusste, dass er ihr nie zuvor begegnet war..."

Inhalt

Wenn wir sterben sind sie es, die uns die Tür ins Jenseits öffnen: die Seelenhüter. Calder ist einer von ihnen. Seit etwa 300 Jahren nimmt er sich der verstorbenen Seelen an und führt sie auf die andere Seite. Als er eines Tages die junge Alexandra am Bett eines todkranken Jungen erblickt, ist es um ihn geschehen. Er hat sich verliebt. Und so trifft er eine folgenschwere Entscheidung: er bricht eines der sieben Gebote und schenkt dem kleinen Jungen, gegen des Schicksals willen, das Leben. Doch das reicht Calder nicht. Auch Tage später kann er die junge Frau mit den rotgoldenen Haaren nicht vergessen, deshalb bricht er ein weiteres Gebot. Er macht sich auf in die Welt der Sterblichen, um Alexandra zu seiner Schülerin zu erwählen, nicht ahnend, welch gefährliche Lawine er damit auslöst...

Kritik

Ich bin ein großer Fan des Films "Stadt der Engel" mit Nicolas Cage und Meg Ryan in den Hauptrollen. Als ich kürzlich die Inhaltsangabe zu "Seelenhüter" las, fühlte ich mich ein bisschen daran erinnert - eine Sterbliche und eine Art Todesengel (in diesem Fall Seelenhüter) verlieben sich ineinander und er muss eine bedeutende Entscheidung treffen. Somit stellte ich mich auf eine wunderschöne Liebesgeschichte ein, die hoffentlich einige Überraschungen parat hält. So sei es! Jedenfalls, was die Überraschungen betrifft. Denn schnell betritt Laura Whitcombs zweiter Fantasyroman ganz andere Pfade, als ich zunächst angenommen hatte. Nicht unbedingt schlecht, aber auch nicht wirklich nach meinem Geschmack.

Bereits in ihrem Debütroman "Silberlicht" verzauberte mich Whitcomb mit ihrem großartigen wie poetisch angehauchten Schreibstil. Sie kann wahrlich gut mit Worten umgehen. Dadurch fühle ich mich ihren Charakteren oftmals sehr nahe und kann mich wunderbar in die Geschichte fallen lassen ... zu Beginn dieses Buches und bei "Silberlicht" war das zumindest der Fall.

Wie zuvor angedeutet, handelt es sich bei bei diesem Roman um keine typische Paranormal Romance, wie es die Inhaltsbeschreibung vermuten lässt. Die Liebe an sich spielt in diesem Roman keine unwichtige Rolle, bildet aber auch nicht das Hauptthema. Vielmehr lässt Whitcomb die tragischen Ereignisse um die ermordete Zarenfamilie Romanow noch einmal Revue passieren, vermischt mit phantastischen Elementen. Im Fokus steht der einsame Seelenhüter Calder (personelle Erzählperspektive), der plötzlich tiefe Gefühle für eine Frau entwickelt, deshalb alle sieben Gebote über Bord wirft und sich bald in der Welt der Menschen mit Mördern, verlorenen Seelen und seinem unerwarteten Widersacher Rasputin konfrontiert sieht.

Die Vermischung von Phantastik und Historie ist ein sehr interessanter Ansatz und mir gefiel dieser geschichtliche Aufrischungskurs recht gut. Nur leider konnte er mich nicht durchweg begeistern. Whitcomb haucht ihren Charakteren – besonders Hauptprotagonist Calder sowie den Zarenkindern Anastasia und Alexei – leben ein und strickt einen subtilen Plot. Nur zieht sich dieser dermaßen in die Länge, dass ich die Lektüre mehr als einmal beiseite packen musste. Die beschwerliche Reise, die Calder während seiner Zeit auf Erden per Zug oder Schiff durchleben muss, benötigt einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen. Mitunter fehlte mir dabei der richtige Schwung in der Geschichte, die an sich spannend sein könnte, es aber aufgrund des ausholenden Plots nicht wirklich ist. Zudem gibt es inhaltlich etliche Wiederholungen. So manch einer trachtet nach Calders geliehener Hülle und demgemäß wird er wiederholt mit der Pistole bedroht oder verprügelt. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Schließlich soll es noch einiges zu entdecken geben, und das gibt es durchaus, nur eben in einem gemäßigten Tempo.

Gelungen finde ich wiederum, wie Whitcomb den Weg ins Jenseits beschreibt (leicht an die griechische Mythologie angelegt) und welche Prüfungen vorher auf Calders Schützlinge warten. Hier hebt sich "Seelenhüter" deutlich von anderen Engelromanen ab, die derzeit die Bücherwelt überfluten und typische Klischees der beflügelten Wesen bedienen. Gleichzeitig taucht der Leser in eine düstere Kriegsatmosphäre ein und begleitet den zweifelnden Calder bei seiner hoffnungsvollen Suche nach Liebe und Vergebung - nicht gerade faszinierend, aber durchaus interessant erzählt.

Fazit

"Seelenhüter" ist keine leichte Kost. Auf den Leser wartet vielmehr ein komplexer und anspruchsvoller Roman um die Zarenfamilie Romanow – gespickt mit himmlischen Ideen und gut gezeichneten Charakteren. Wer sich allerdings hochromantische Gefühle und einen rasanten Spannungsbogen erhofft, der kommt nur bedingt auf seine Kosten. Kurz: Geschmackssache!

Doreen B. - myFanbase
03.06.2011

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