Bewertung
von Kleist, Heinrich

Michael Kohlhaas

Warum willst du dein Haus verkaufen? - Weil ich in einem Lande, liebste Lisbeth, in welchem man mich in meinen Rechten nicht schützen will, nicht bleiben mag. Lieber ein Hund sein, wenn ich von Füßen getreten werden soll, als ein Mensch!

Foto: Copyright: Erschienen im Anaconda Verlag, Köln
© Erschienen im Anaconda Verlag, Köln

Inhalt

"An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. - Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er, in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit, oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte; kurz, die Welt würde sein Andenken haben segnen müssen, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder." - aus dem Buchanfang

Kritik

Vorweg wäre es angebracht, wenn man sich dieser Lektüre annimmt, sich viel Zeit und Geduld, als auch Verständnis für den Schreibstil Heinrich von Kleists aufzubringen, da dieser am Anfang dank keiner Absätze und für die Dialoge fehlende Satzzeichen schwer zu lesen ist. Ebenfalls wäre es ratsam, sich ein Blatt zur Hand zu nehmen und sich alle auftretenden Personen zu notieren, da sie vom Namen her und trotz der länge dieser Novelle nicht leicht zu merken sind. Von Kritikern meist gehasst, doch von seinen Anhängern sehr verehrt.

Obwohl diese Geschichte im Mittelalter spielt, verliert sie wenig an Aktualität. Ebenso die Vorgehensweise Heinrich von Kleists, diese Novelle zu schreiben. Dafür nahm er sich einen Tatbestand, welcher aufgezeichnet wurde, und einen Namen, den es im Mittelalter wirklich gab, und dem ebenfalls das Schicksal wiederfahren ist, welches dem Michael Kohlhaas in der Geschichte wiederfährt. Die echte Person hieß zu seiner Zeit noch Hans Kohlhaas.

Bedacht beim Lesen, sollte man auf einzelne Wörter legen, die einem zunächst unbrauchbar, unpassend oder ohne Bedeutung vorkommen könnten. Eben dies führt dann zu manch einem Verständnisproblem bei dieser Geschichte, da Kleist viel auf zwischenmenschliche Geschehnisse Wert legt.

Man liest die Geschichte, und stellt - wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten Mal - fest, dass sich die Person Kohlhaas komplett verändert, und zunächst ist auch der Erzähler ein Außenstehender, der sich am Ende manchmal zu erkennen gibt, doch nie seinen Namen nennt. Witzigerweise kann man nicht bestreiten, dass einige Einwürfe vom Erzähler sind, sondern von Kleist selbst. Er bringt seine eigene Meinung in diesen Streit rein, was nicht Gang und Gebe bei Romane, Dramen oder Novellen ist.

Seine Entwicklung erfolgt eigentlich nur deshalb, weil sich Michael Kohlhaas in seinen Rechten verletzt fühlt, und alles daran setzt, dass ihm Gerechtigkeit wiederfährt, doch muss er feststellen, dass die normale Vorgehensweise nicht ausschlaggebend ist, da alle Prozesse von Vetternwirtschaft und Korruption vereitelt werden, was ihn dazu verleitet, vor allem nach dem Tod seiner Frau - von der er glaubt, sie sei teilweise beabsichtigt umgebracht worden - einen Rachefeldzug gegen die zu beginnen, die ihm weiter Unrecht in seinem Belangen geben.

Durch diesen Feldzug wird er in den Augen des damaligen absolutistischen Staates zu einem Revoluzzer, zu einem Mörder, zu einem Terroristen. Er sieht keine andere Möglichkeit, sein Recht zu verteidigen, als auf die Barrikaden zu gehen, und eben dies ist immer noch sehr aktuell.

Was verleitet Menschen dazu, sich gegen ihren Staat zu stellen, und sogar Blutrache zu verüben? Er stellt sich seine eigene Armee auf. Ein Konflikt entbrennt, und in seinem Kopf entwickelt er sich in eine andere Person. Zunächst einen Reichs- und Weltfreien und nur Gott unterworfenem Herren, bis hin zum Erzengel Michael, der von Gott gesandt wurde, um diejenigen zu bestrafen, die gesündigt haben. Als dieser entbrennt, ist auch Heinrich von Kleist nicht mehr der Meinung, die Kohlhaas vertritt. Wegen seiner persönlichen Streitereien, sich mit einem Staat anzulegen, und andere, die nichts mit dem allem zu tun haben, mit dem Leben zu bestrafen.

Doch kommt er noch zur Besinnung, als man ihm verkündet, er dürfe seinen Standpunkt noch einmal vor einem Korruptionslosen Tribunal vortragen, und das ihm nun Gerechtigkeit wiederfahren werde, doch müsse er sich auch seinen Taten stellen. Kann es also sein, dass man in einem Rechtsstaat nur so zu seinem Recht kommt, wenn man sich gegen diesen stellt? Gut möglich, doch sollte man alle Wege bedenken, was Kohlhaas nicht getan hat.

Heutzutage wäre eine Petition an dem bestimmten Landrat ratsamer, da die dortigen Abgeordneten durch viele Fälle eine bessere Wählergunst bekommen könnten.

Fazit

Eine sehr spannende, als auch aktuelle Geschichte, die jedoch nicht als Bettlektüre dient, da man seinen Kopf sehr anstrengen muss und das nicht nur wegen des Schreibstils.

Ignat Kress - myFanbase
25.11.2007

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