Bewertung
Ellis, Bret Easton

Lunar Park

Was passiert, wenn Realität und Fiktion sich vermischen? Wenn der Einzelne nicht mehr weiß, wo das Dasein auf hört und der Albtraum beginnt? Bret Easton Ellis schafft mit "Lunar Park" einen unheimlichen Trip hinab zu den dunklen Ängste seiner eigenen Seele. Denn wie kann ein Autor seiner eigenen Biografie, wie seinen eigenen Geschichten entfliehen?

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Inhalt

Lunar Park beginnt als schonungslose Autobiografie des berühmten Schriftstellers. Bret Easton Ellis lässt nichts aus: den plötzlichen Ruhm nach seinem Debütroman "Unter Null", seinen Umzug nach New York, verbunden mit dem Aufstieg zu einem der begehrenswertesten Junggesellen und zum ungekrönten Partykönig im Big Apple, gefolgt von zahlreichen Drogenexzessen und emotionaler Verwahrlosung. Die Veröffentlichung und der phänomenale Erfolg von "American Psycho" bringen ihn zu einem weiteren Höhepunkt, doch während die Kritiker und Leser das Werk heftig diskutieren, bekommt Ellis von dem Trubel um seine Person nur noch wenig mit. Viel zu tief ist er schon gefangen in dem Morast aus Drogen, sexuellen Ausschweifungen und verloren gegangenem Lebenswillen.

Ungewollt zeugt er mit der berühmten Schauspielerin Jayne Dennis einen Sohn. Und seine einstige Liebe ist es auch, zu der er nach Jahren des körperlichen und seelischen Verfalls zurückkehrt. Doch nur zwei Monate nach seinem scheinbaren Rückzug ins bürgerliche Leben, ereignen sich merkwürdige Dinge. Zuerst scheint es wie eine Folge des ständigen und trotz allem nicht enden wollenden Drogenkonsums, doch die Ungereimtheiten, wie etwa das Auftauchen eines Doppelgängers des "American Psycho"-Hauptcharakters Patrick Bateman am Vorabend von Halloween, mehren sich. In einer Zeitspanne von nur zwölf Tagen – die Erzählung erfolgt nun chronologisch – bricht die ganze Welt von Bret Easton Ellis komplett in sich zusammen, ohne Aussicht auf ein Happy End.

Kritik

Nach langer Funkstille veröffentlichte Bret Easton Ellis mit "Lunar Park" einen seiner besten Romane. Gekonnt spielt er hier mit den Grenzen zwischen Realität und (Alb-)Traum und irritiert den Leser ebenso wie er ihn in den Bann zieht.

Die ausführliche und schonungslose Darstellung des bisherigen Lebens Ellis' ist kraftvoll geschrieben und führt ohne Beschönigung ins Seelenleben eines erfolgreichen, aber emotionslosen Menschen. Ohne Mitleid oder Melancholie lässt der Autor hier seinen Aufstieg und tiefen Fall Revue passieren. Weder verteidigt er etwa seine Drogensucht, noch zeichnet er einen Ausweg auf. Diese offene Ehrlichkeit ist an einigen Stellen schwer zu verdauen, dennoch überträgt sich eine gewisse Faszination auf den Leser. Die Sprache ist klar und ohne Umschweife. Und gerade diese Direktheit ist es, die schockiert und zugleich begeistert.

Dieser Blick, den Bret Easton Ellis auf sich selber wirft, ist wirklich bemerkenswert. Wie er sich der Öffentlichkeit präsentiert, schwankt irgendwo zwischen Direktheit und Ironie. Ist das alles in seinem Leben wirklich so geschehen oder ist es nur das, was er uns Lesern glauben lassen möchte? Denn wenn sich der Autor selber zur Hauptfigur macht, ist er Herr über die Realität. Literatur und Leben verschwimmen in diesem Roman auf jeder einzelnen Seite, da kann der Leser nicht anders und versinkt in diesem Strudel.

Nach der biografischen Zusammenfassung bricht Ellis auf einmal mit der Erzählung. Er erklärt, dass das, was nun auf den folgenden Seiten steht, der Wahrheit entspricht und sich alles in den chronologisch aufgelisteten zwölf Tagen ereignet hat. Und auf einmal stürzt mehr und mehr das Grauen auf die Geschichte herab. Zuerst sind es nur kleine Details, die der Autor erwähnt. Warum knurrt der Hund andauernd die Leere im Garten an? Woher kommt die unheimliche Aura, die seit kurzer Zeit über dem Haus liegt? Die Romanfigur Bret Easton Ellis ist zwar alarmiert, aber dennoch gefangen in den alten Gewohnheiten. Wichtiger als die Sorge um das eigene Wohlergehen und das seiner Familie, ist die Suche nach dem nächsten Drogenkick. Und so bahnt sich eine Horrorgeschichte à la Stephen King seinen Weg.

Raffiniert spielt der Autor mit den verschwimmenden Grenzen der Wirklichkeit: Was entspringt nur dem Geist des Schriftstellers und was ist wirklich passiert? Sind die Drogen an allem Schuld oder gibt es wirklich eine dämonische Macht, die Sühne fordert? Über allem liegt der sich stets wiederholende Generationenkonflikt: Bret Easton Ellis kann sich seinem Sohn nicht annähern und verliert ihn, genauso wie er seinem eigenen Vater entglitten ist. Die Abgründe der eigenen Seele und die Verfehlungen im Leben brechen in dem Roman in die Wirklichkeit aus.

Ellis erzählt dies aus seiner eigenen Sicht, mit zunehmender Panik und Paranoia. So erfährt der Leser auch nur das, was er erlebt. Doch kann man seinen Worten trauen? Irgendwann schaltet sich auch noch sein Alter Ego, genannt der Schriftsteller, ein. Hier bricht dann entgültig die Sicherheit beim Leser zusammen. Der Albtraum hat begonnen und man wartet gespannt auf ein versöhnliches Ende. Doch zum Abschluss werden nur noch weitere Fragen aufgeworfen und die Irritation beim Leser ist perfekt. "Lunar Park" ist ein Roman, über den man noch im Nachhinein lange nachdenkt, allerdings leider ohne zu einem nennenswerten Ergebnis zu kommen. Hier wäre zumindest ein kleiner Hinweis zum doch recht kryptischen Ausgang wünschenswert gewesen.

Die Erzählung schafft es zum Glück trotz aller Mysterien nicht in einen platten Horror-Roman abzugleiten. Die Spannung entfaltet sich langsam und spielt sich vorerst nur im Kopf ab. Selbst, als sich zum Ende hin die Albträume manifestieren, werden sie nicht der Lächerlichkeit preisgegeben. Ellis neigt nicht zu einer übertriebenen Darstellungsweise, sondern erzählt weiterhin glaubwürdig und anziehend. Der Leser schwankt zwischen Glauben und Skepsis, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.

Fazit

"Lunar Park" ist ein durchweg empfehlenswertes Buch, nicht nur für diejenigen, die gerne Literatur mit einer Prise Horror genießen. Schonungslos und direkt entfaltet sich hier das Psychogramm eines Mannes, der irgendwann nicht mehr zwischen der Realität und den eigenen Albträumen unterscheiden kann. Dank der fesselnden Erzählweise mag man das Buch kaum aus der Hand legen.

Barbara Kotzulla - myFanbase
19.11.2007

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