Bewertung

Review: #4.02 Wo ist Waldo?

Foto: Nick Searcy, Justified - Copyright: James Minchin/FX
Nick Searcy, Justified
© James Minchin/FX

Im englischsprachigen Raum gibt es wahrscheinlich kein Kind, das nicht den Mann im rot-weiß gestreiften Rollkragenpulli kennt, der sich immer gerne in großen Wimmelbildern versteckt: Waldo. Der Originaltitel dieser Episode, #4.02 Where's Waldo?, ist eine sehr clevere Anspielung auf die gleichnamige Kinderbuchreihe (hierzulande als Wo ist Walter? bekannt), die den Leser manchmal vor die schier unmögliche Aufgabe stellt, Waldo zu entdecken. Ähnlich verhält es sich mit Raylan, Art und Tim, die den vermeintlichen Waldo Truth aufzuspüren glauben, dabei aber an den falschen Mann geraten.

Mit dieser Folge kehrt "Justified" wieder in altbekannte Gefilde zurück, nachdem der Staffelauftakt mit seiner ungewöhnlich heiteren Note ein wenig befremdlich war. So ist es zunächst einmal großartig, dass Art wieder mehr Screentime bekommt, denn der grummelige Chief Deputy ist mit seinem Sarkasmus und seiner Direktheit einfach ein unverzichtbarer Teil des Stabs geworden. So beobachtet man es durchaus mit ein wenig Sorge, dass Art anscheinend in den frühen Ruhestand geschickt werden soll und dabei mit Patrick Massett einen Anwärter auf seinen Posten abwimmeln muss. Das Marshal-Department wäre ohne Art definitiv nicht dasselbe und es ist zu hoffen, dass er uns noch lange erhalten bleiben wird. Denn auf solch herrliche Szenen, wie etwa die Warterei von Art, Raylan und Tim im Auto, will man nicht verzichten müssen (Klassiker von Raylan: "I've got a six o'clock Pilates class I'd like to get to."). Es ist immer wieder amüsant, wie sich die drei gegenseitig sticheln und trotz so mancher Differenzen ein sehr aufrichtiges Kollegenverhältnis haben. Art ist dabei so etwas wie der Vater seiner Abteilung, der – wie im Gespräch mit Patrick erneut klar wird – seine Marshals mit großer Sensiblität und Fürsorge behandelt und weiß, wie er jeden einzelnen von ihnen anpacken muss.

Ihr Versuch, Waldo ausfindig zu machen, führt die drei Marshals zu den Truths, einer typischen White-Trash-Familie, deren vermisstes Familienoberhaupt vor Jahren von einem Piloten namens Drew Thompson mitgenommen wurde. Laut Art fand er Drew vor Jahrzehnten tot auf der Straße und zwar an dem Tag, an dem das Kokain seinen Weg nach Harlan fand. Es scheint sich also um den im Staffelauftakt abgestürzten Fallschirmspringer zu handeln, der allerdings nicht Drew gewesen ist, sondern eben Waldo Truth. Drew muss also noch am Leben sein – und damit stellt sich nicht die Frage Where's Waldo?, sondern vielmehr Where's Drew?.

Spannende Machtspielchen finden derweil bei Boyd und seiner Truppe statt. Boyd sieht sich mit zwei Problemen konfrontiert, die sein Oxy-Geschäft zu beeinträchtigen scheinen: einmal Billy St. Cyr und seine Last Chance of Holiness Church, und einmal die Dixie Mafia, die in seinem Revier mit Heroin dealt. Boyd stellt sich beiden Gegnern und beide Konfrontationen sind absolute Highlights. Wenn Walton Goggins Boyd wieder zum großen Redenschwinger werden lässt, kann man nur uneingeschränkt begeistert sein – der Schlagabtausch zwischen Boyd und Billy ist nicht nur sehr gut gespielt (auch von Joseph Mazzello), sondern vor allem auch extrem gut geschrieben: die biblischen Anspielungen, die gegenseitigen Unterstellungen, der Versuch, die Stellung des jeweils anderen zu untergraben – das ist großes Kino. Doch auch die Konfrontation zwischen Boyd und Wynn Duffy steht in Sachen Spannung und Faszination in Nichts nach. Duffy ist und bleibt ein fester Bestandteil der Serie, dessen Hinterlistigkeit und Profitgier ihn zu einem perfekten Gegner (und womöglich bald Partner) für Boyd werden lassen. Es ist überaus erfreulich, den schmierigen Duffy weiterhin dabei zu haben, denn er ist ein Charakter, den man als Zuschauer mit Vorliebe verabscheut und darum umso mehr schätzt.

Zu guter Letzt scheinen sich auch die Probleme in Raylans Privatleben zu türmen. Lindsey ist insgeheim verheiratet und zwar mit dem nicht gerade zimperlichen Amateurboxer Randall, der vermutlich für einiges an Trubel sorgen wird. Inwiefern es nötig ist, Raylans ohnehin schon schwierige Situation mit Winona und dem Baby durch einen schlagwütigen (Ex-)Mann zu verkomplizieren, ist fraglich, doch so bekommt Lindsey vielleicht einmal die Chance, sich über das Klischee der toughen, sexy Barfrau hinaus zu profilieren. Und selbst wenn nicht: Raylan vs. Randall dürfte ein ordentlicher Fight werden.

Als zweite Episode der Staffel, die die Aufgabe hat, die begonnenen Storylines weiterzuspinnen und die Weichen für die Ereignisse der ersten Staffelhälfte zu stellen, funktioniert #4.02 Where's Waldo? letztlich sehr gut. Raylan kommt dem Geheimnis um Waldo Stück für Stück näher, Boyd setzt sich mit seinen Feinden auseinander, und gleichzeitig gibt es da immernoch tickende Zeitbomben wie den im Gefängnis sitzenden Arlo, Johnny, der sich die unsanfte Behandlung durch Boyd wahrscheinlich nicht mehr lange gefallen lässt, Billys mysteriöse Schwester Cassie, Duffy und die Dixie Mafia oder auch Boyds gewaltfreudigen Army-Kumpel Colt. Es wird nicht langweilig in Harlan County und so ist auch diese Episode eine ereignisreiche, die sich solide 7 von 9 Punkten verdient hat.

Maria Gruber - myFanbase

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