Bewertung
Mark Romanek

Alles, was wir geben mussten

"None of you will go to America. None of you will work in supermarkets. None of you will do anything, except live the life that has already been set out for you. You will become adults, but only briefly. Before you are old, before you are even middle aged, you will start to donate your vital organs. And sometime around your third or fourth donation, your short life will be completed."

Foto: Copyright: 20th Century Fox
© 20th Century Fox

Inhalt

Hailsham scheint auf den ersten Blick nichts anderes zu sein, als ein normales Internat, in dem elternlose Kinder großgezogen werden. Auf dem Lande, gänzlich von der Außenwelt abgeschottet, wachsen dort Kathy (zunächst Izzy Meikle-Small; später Carey Mulligan), Ruth (zunächst Ella Purnell; später Keira Knightley) und Tommy (zunächst Charlie Rowe; später Andrew Garfield) in den 70er Jahren auf. Wie überall, wo Kinder gemeinsam aufwachsen, gibt es auch in Hailsham ein paar Intrigen, immer mal wieder Streit, aber vor allem Disziplin und Ordnung.

Wie den Kindern schon früh von Direktorin Miss Emily (Charlotte Rampling) vermittelt wird, sind sie etwas Besonderes und müssen daher ganz besonders auf ihre Gesundheit achten. Viel Sport gehört ebenso dazu wie gesunde Ernährung und die Abstinenz von Zigaretten. Die Kinder jedoch scheinen glücklich zu sein und es entwickeln sich Freundschaften und Beziehungen. So werden Ruth und Tommy zum Paar, obwohl sich Kathy in ihn verliebt hatte. Nach dem Ende der Schule, mit 16 Jahren, werden sie auf einem Bauernhof untergebracht und lernen zum ersten Mal die Welt außerhalb von Hailsham kennen. Doch mit zunehmendem Alter kommen sie auch dem näher, wofür sie erschaffen wurden: Organspender zu sein, für die Menschen, die in der wirklichen Welt leben.

Kritik

Filme über Organspenden gab es schon viele, einige, die uns das Schicksal von Kindern erzählten, die geboren wurden, um ihre Geschwister zu retten (etwas abgewandelt: "Beim Leben meiner Schwester") und Science-Fiction-Filme, in denen ganze Menschen herangewachsen wurden, um andere zu retten ("Die Insel"). Auf den ersten Blick – im Hinblick auf die Organspende – mag "Alles, was wir geben mussten" tatsächlich mit "Die Insel" vergleichbar sein, immerhin geht es auch hier um herangewachsene Menschen, die eigentlich nur dem einen Zweck dienen – andere Leben einmal retten zu können. Und doch kann man beide Filme nicht vergleichen. So viel vielschichtiger, anspruchsvoller und überraschender ist der Film von Mark Romanek. "Alles, was wir geben mussten" ist trotz des Topics der Organspende kein Film über das arme Leben der Kinder, die nur deshalb geboren wurden, um andere zu retten. Sondern es ist ein Film über die erste Liebe, über Freundschaft, über den Tod, über das Altern, über das Erwachsenwerden und vor allem darüber, seinen Platz im Leben zu finden.

Nach dem eindringlichen und zu Tränen rührenden Roman von Kazuo Ishiguro schrieb Alex Garland das Drehbuch. Gemeinsam mit Regisseur Romanek ist es Garland gelungen, wie kaum einem zuvor aus einem herausragenden Roman mit viel Gefühl einen Film zu schaffen, der ebenso gefühlvoll ist, die Stimmung des Buchs mitnimmt und wohl fast jeden Buchfan zufrieden stellen wird. "Alles, was wir geben mussten" ist ein Film, der vor allem mit seinem starken Plot und der wunderbaren Umsetzung dessen überzeugen kann.

Dabei ist es, wie auch im Buch, nicht das Thema Organspende, das über dem Film hängt. Und obwohl die Kinder und Erwachsenen dazu geboren wurden, um eines Tages auf dem OP-Tisch zu sterben, wenn ihnen ihr Herz herausgenommen wird, so wird dieses Thema kaum erwähnt. Nach ihrer Zeit in der Schule werden sie irgendwann Spender, oder - wie Kathy – sie pflegen die Spender. Der Film lässt sich in seiner Entwicklung ganz grob – ebenso wie das Buch – in drei Abschnitte gliedern. Den Ersten, in dem die Kinder noch Kinder sind, in dem sie mit den alltäglichen Problemen kämpfen und noch nicht erahnen, was ihnen später einmal bevor steht. Den Zweiten, in dem ihnen langsam aufgeht, wofür sie gemacht wurden, was ihre Bestimmung ist und sie sich noch dagegen wehren, noch Hoffnung haben. Und den Dritten, in dem sie sich ihres Schicksals annehmen und sie sich zurücksehnen an die Zeit in Hailsham, war diese doch die schönste Zeit in ihrem kurzen Leben.

Als Erzählerin, die die Geschichte vom bitteren Ende aus rückwärts erzählt, fungiert – wie auch im Buch – die Figur der Kathy. Das ernste junge Mädchen, das unglücklich verliebt und mit gebrochenem Herzen ihre Geschichte erzählt, ist ein wunderbarer Anker für die Zuschauer in dieser doch etwas anderen Science-Fiction-Verfilmung.

Ebenso wie das Drehbuch ist auch das Casting perfekt. Die starke Carey Mulligan ist die stützende Säule des Films und überzeugt vollkommen. Mit schüchternen Augen und unglaublicher Ausstrahlung trägt sie diese schwere Aufgabe scheinbar ohne Probleme. Ebenso Keira Knightley, die in der Rolle der scheinbar intriganten und herzlosen Ruth aufzugehen scheint, so dass es Spaß macht, ihr zuzusehen. In seiner zu Beginn etwas undankbaren Rolle überzeugt auch Andrew Garfield. Zunächst als schusseliger Trampel, später jedoch als einfühlsamer junger Mann weiß er zu überzeugen. Auch die drei Jungschauspieler sowie Charlotte Rampling und Sally Hawkins als Lehrerinnen überzeugen auf ganzer Linie.

Mit starken Landschaftsbildern, wunderbaren Außenszenen und herrlichem Score wird dem Zuschauer optisch wie auch akustisch eine ebenso bedrückende Stimmung verliehen, wie es der Film schon alleine mit seinem Plot schafft.

Fazit

Wer bei Science-Fiction gleich an Alien-Kriege denkt, ist hier sicherlich falsch. "Alles, was wir geben mussten" ist ein einfühlsames, ruhiges, mitreißendes Drama über drei junge Menschen, die mit ihrem Schicksal umzugehen versuchen. Nach dem herausragenden Roman von Kazuo Ishiguro, der uns schon die Vorlage zum großartigen Film "Was vom Tage übrig blieb" bescherte.

Eva Klose - myFanbase
02.04.2011

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