Bewertung

Review: #4.11 Astrid

Kurz vor Ende der vierten Staffel werden in #4.11 Astrid plötzlich ganz neue Seiten sichtbar: Max ist für (seine Verhältnisse) ziemlich kommunikativ, Carrie hält sich auf einmal an Befehle und Quinn ist außer Rand und Band. An sich macht all dies im Rahmen der Handlung durchaus Sinn. Dennoch ist es ungewohnt. Daher gibt es in dieser Episode den einen oder anderen Moment, in dem man sich über diese neuartigen Wendungen wundert.

"I thought, we were shutting down? – We are. Soon."

Noch eine Folge bis zum Staffelfinale. Die CIA packt ihre Sachen und bereitet sich auf den Rückzug aus Pakistan vor. Eine spärliche Rest-Besetzung hält jedoch die Stellung. Darunter Max, Carrie und Quinn. Ersterer hat in dieser Folge wahrscheinlich mehr Text als in allen bisherigen Staffeln zusammengenommen. Und das ist erfreulich erfrischend. Faras Tod scheint Max sehr mitgenommen zu haben. Zugegebenermaßen überrascht es, dass die beiden sich offensichtlich doch recht nahe standen. So wirklich deutlich wurde das schließlich kaum. Dass Max nun sagt, was er denkt, und damit Carrie deutlichen Gegenwind bietet, steht ihm zwar gut zu Gesicht, aber so ganz passt es nicht zu der Figur, die man bisher kennengelernt hat. Noch nie hat er sich derart gegen Carrie aufgelehnt und hinter ihrem Rücken gehandelt. Natürlich ist das nur Mittel zum Zweck: Carrie erklärt ihm, und damit auch dem Zuschauer, dass sie Quinn nicht hilft, sondern ihn aufzuhalten versucht, weil sie nicht noch einen Menschen verlieren möchte.

"I cannot lose anyone else."

So stellt sich Carrie Quinn also gehörig in den Weg. Die beiden werden quasi zu Gegenspielern: Quinn will Haqqani ausschalten, Carrie will ihn daran hindern. Während des Anschauens der Folge kommt dabei der Eindruck auf, als hätten sich die Rollen verschoben. Seit wann macht Carrie, was Lockhart ihr sagt? Seit wann hat sie ein Problem damit, wenn man vom Protokoll abweicht? Gerade Carrie, die schon so unzählige Male gegen irgendwelche Auflagen verstoßen hat, dass man es gar nicht mehr zählen kann. Wäre es nicht viel glaubwürdiger gewesen, wenn sie sich mit Quinn verbündet und ihn unterstützt hätte? Andererseits kauft man ihr aber auch ab, dass es schon genügend Personen in ihrem Umfeld gab, deren Leben sie nicht retten konnte: Brody, ihr Vater, Fara, fast auch Saul. Unter diesem Aspekt kann man ihre antagonistische Haltung durchaus nachempfinden. Und so macht sie Quinn letztlich auch einen Strich durch die Rechnung, indem sie ihn zum einen bei Astrid, seiner deutschen "Helferin", aufspürt und sich zum anderen in seine Schusslinie begibt – im wahrsten Sinne.

"All you need to do now, is get out of my way."

Quinn will Haqqani aus dem Weg räumen und geht dabei skrupelloser vor als eh und je. Dass er ziemlich harte Geschütze auffahren kann, weiß man. So hat man ihn schon mehrfach in der Serie erlebt. Aber in dieser Folge wirkt er wie ein Getriebener, den nichts und niemand aufhalten kann, und der unbedingt, komme was wolle, Haqqani zur Rechenschaft ziehen will. Vermutlich für Faras Tod? Jedenfalls ist das die einzige Erklärung, warum er plötzlich wie besessen zu sein scheint. Moralisch höchst fragwürdig (und damit ganz "Homeland"-typisch) ist, dass er offenbar ohne mit der Wimper zu zucken das Leben junger Menschen gefährden würde, um sein Ziel zu erreichen. So ist er dran und drauf eine Bombe inmitten der Protestler zu zünden, um Haqqanis Auto in die Luft zu sprengen. Er wird damit selbst zum Terroristen. Zu dem, was er eigentlich zu bekämpfen versucht. Gerade dieser Rollenwechsel, also in die Schuhe des anderen zu schlüpfen und sich selbst einen Spiegel vorzuhalten, macht "Homeland" aus. Quinns "Aktion" verdeutlicht, welche Motivation hinter solchen terroristischen Anschlägen stecken kann, dass die eine Seite nicht besser ist als die andere, sondern dass sich beide gegenseitig hochschaukeln. Das zeigt sich auch in dem Protest: Von den einen wird Haqqani als Held gefeiert, von den anderen als Mörder und Terrorist beschimpft. Zwei konträre Ansichten treffen buchstäblich aufeinander. Als "Sieger" geht keiner hervor – denn so einfach ist es offensichtlich nicht.

Das Äußerste kann nur durch Carrie verhindert werden. Eine (durchaus makabere) Frage kommt dabei jedoch auf: Warum will Quinn ein Bombenattentat verüben? Warum erschießt er Haqqani nicht aus der Ferne? Ist ja nicht so, als hätte er darin keine Erfahrung. Wäre das nicht eine viel reibungslosere, unauffälligere und sauberere Variante (sofern man bei solchen Dingen überhaupt von "sauber" sprechen kann)? So ganz einleuchten will das nicht.

In Hinblick auf Quinns Charakter war #4.11 Astrid aber auf jeden Fall aufschlussreich. Es wurde wieder einmal deutlich, was schon zu Beginn der Staffel thematisiert wurde: zwei Seelen schlagen in seiner Brust. Astrid fasst es ziemlich treffend zusammen: "He will never get out. But every so often, it makes him feel better to say he will, and then he goes back to doing what he does best." (An dieser Stelle sei übrigens angemerkt, welch tolle Überraschung es war, Nina Hoss in einer Nebenrolle zu sehen!) Quinn kann also nicht anders. Er kann nicht aus seiner Haut. Womit wir wieder bei dem "Getriebenen" wären. Verwunderlich war es tatsächlich: Noch zu Beginn der Staffel hatte er alles satt, wollte seinen Job an den Nagel hängen. Doch hier nun scheint das alles der Vergangenheit anzugehören. Von Aufhören keine Spur. Es scheint ein Auf und Ab bei ihm zu sein. (Oder aber die "Homeland"-Macher haben damit mal eben irgendeine Erklärung aus dem Hut zaubern wollen, um Quinns Handeln in dieser Folge plausibel zu machen.)

"Something's up."

In den letzten Minuten der Folge bietet "Homeland" noch mal ein paar erstklassige Momente. Zuerst einen, bei dem man den Atem anhält: Macht Carrie nun endlich, was man schon die ganze Episode über von ihr erwartet? Zeigt sie, dass sie eigentlich auf Quinns Seite steht und es ihr im Grunde nicht anders geht als ihm, dass auch sie Haqqani ein für alle Mal den Garaus machen will?

Und gleich danach mag man seinen Augen kaum glauben: Im Auto neben Haqqani sitzt kein Geringerer als Dar Adal! Dar Adal! Er muss also ganz eindeutig Dreck am Stecken haben! So zumindest der erste Gedanke... Bei weiterem Überlegen fällt einem aber wieder ein, was Lockhart gegenüber Carrie geäußert hat – nämlich dass er das Gefühl hat, etwas wäre im Busch… Es wäre also gut möglich, dass es Dar Adal ist, der da "im Busch" ist. Vielleicht wurde er von amerikanischer Seite ohne Wissen von Lockhart und Co. in das Haqqani-Umfeld eingeschleust? Verwundern würde es nicht. Und clever ist es noch dazu. Denn dieser Cliffhanger sorgt dafür, dass man nun unbedingt wissen will, wie das Ganze in #4.12 Niemandsland aufgelöst wird.

Fazit

#4.11 Astrid kann als vorletzte Folge der vierten Staffel zwar nicht mit der vorherigen mithalten, sorgt aber dennoch für spannende Unterhaltung. Nach den letzten ziemlich ereignisreichen Episoden ist es in Ordnung, das Tempo etwas zu drosseln. Das lässt nämlich darauf hoffen, dass sich die Serie den großen Knall für das Staffelfinale aufhebt.

Franziska G. - myFanbase

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