Bewertung

Review: #4.08 Flucht oder Tod

Nachdem in der letzten Episode Carrie im Mittelpunkt gestanden hat, widmet sich diese Episode in erster Linie Saul, der den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle versetzt. In Islamabad werden derweil vor allem wieder taktische Spielchen betrieben.

"You really don't remember."

Carrie erwacht im Anwesen von Aasar Khan und versucht sich erst mal wieder zu orientieren. Sie kann sich tatsächlich an nichts vom Vortag erinnern und versucht irgendwie die wenigen Fakten, die ihr blieben, zu sortieren. Und natürlich hinterfragt sie ihren Gegenüber, insbesondere nachdem es ihr doch wie Scheuklappen von den Augen fällt, dass ihre Tabletten vertauscht wurden. Das Verhältnis von Carrie und Aasar ist dabei wirklich spannend. Carrie ist verständlicherweise misstrauisch und Aasar macht eine ganz unscheinbare Figur. Ich finde es sehr schwer, ihn zu durchschauen, weil er einfach so sachlich und unaufgeregt ist. Er macht seinen Job ganz hervorragend und will wahrscheinlich nur das Beste für sein Land, ohne dabei die Amerikaner, deren positive Seiten er anerkennt, die negativen Elemente aber auch nicht ignoriert, sondern kritisiert, zu verärgern. Man merkt doch immer wieder, dass er zwischen den Stühlen steht, was seine Person sehr spannend macht. Denn auch wenn er Carrie immer wieder entgegen kommt, so kann man nie ganz sicher sein, dass er nicht doch noch einen ganz eigenen Plan hat, von dem Tasneem nichts weiß.

"We have a breach here in the embassy."

Während Aasan also selbst die Augen offen hält und schaut, was seine Seite hinter seinem Rücken mit Carrie getrieben hat, sind auch Carrie und Co. jetzt gewarnt und auf Maulwurfsuche, wobei man davon noch nicht wirklich etwas mitbekommen hat. Irgendwie hatte man eher das Gefühl, dass alles ganz normal weiter läuft. Nun will man natürlich auch keine Warnung aussprechen, um den Verräter zu verschrecken, aber mal eine Szene, in der man sieht, wie ein bisschen recherchiert wird oder Kameramaterial gesichtet wird, wäre doch sinnvoll gewesen. Stattdessen sieht man nur, wie Martha Boyd ihren Ehemann schützen will und damit verrät, dass er aufpassen muss. Dieser beschwert sich natürlich bei Tasneem, wodurch Aasar den richtigen Verdacht schöpft. Das war alles etwas sehr einfach, weil unvorsichtig, aber Dennis Boyd ist eben auch kein Profi. Da Carrie von Aasar am Ende informiert wird, ist die Maulwurfsuche quasi schon beendet. Interessant wird in der nächsten Episode dann sein, wie Martha darauf reagieren wird.

"These are Haqqanis demands not ours."

Nebenher laufen die Verhandlungen zwischen den Pakistanern und den Amerikanern um Saul aus seiner misslischen Lage zu befreien. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, inwieweit hier die Verantwortlichen sitzen, weil ja nicht Haqqani selbst bei den Verhandlungen dabei ist, sondern dieser nur ein paar Namen via Videobotschaft mitteilt, die er gegen Saul tauschen will. So richtig spannend sind die Treffen nicht, aber sie nehmen auch nicht besonders viel Zeit der Episode ein. Trotzdem halte ich sie eigentlich für wichtig, weil hier die politische Ebene dargestellt wird, die allerdings ziemlich fad wirkt. Es muss schon schwierig sein, wenn man nicht das sagen kann, was man gerne möchte. Besonders Lockhart hat daran durchaus zu knabbern. Und wie da zig Leute sitzen, obwohl nur zwei, drei relevant sind, ist auch sinnbildlich für die Ohnmacht, die dieser gesamten Szenerie obliegt.

"You need to promise!"

Die vielen Taktikspielchen werden von Sauls Geschichte natürlich deutlich überlagert. Dies ist die Storyline, welche die Episode zu tragen weiß und auf ein wirklich gutes Niveau hebt. Saul schafft es geschickt, sich von den Ketten zu befreien und wagt dann Unfassbares. Er erhängt sich, um seinen Bewacher so unvorsichtig sein zu lassen, dass er ihn überwältigen kann. Ich war von der Szene wirklich schockiert, weil ich wirklich dachte, man hat Saul jetzt mal eben aus der Serie geschrieben. Und das soll tatsächlich nicht das einzige Mal in dieser Episode sein. Sauls Einstellung zu seiner Gefangenschaft ist ja ziemlich schnell deutlich geworden. Insofern bin ich überzeugt, dass Saul mit beiden möglichen Szenarien hätte leben können. Eigentlich ist er fast genervt, dass er sich doch befreien kann und nun durch die Dunkelheit stapfen muss. In der Hoffnungslosigkeit ist bei Saul aber eben doch ein Rest Lebensmut und vor allem Lebenswille zu finden. Allerdings nicht um jeden Preis. Dass er Carrie um seinen Tod bittet, falls seine Flucht misslingt, ist zwar nachvollziehbar und konsequent, weil diese Variante zum Job dazu gehört. Allerdings finde ich es von Saul schon egoistisch, dass er das nur mit Carrie klärt und ihr damit den schwarzen Peter zuschiebt. Warum sollte man ihr glauben, wenn es dazu kommt? Ich verstehe auch nicht, warum es ein Problem ist, wenn da noch ein oder zwei weitere Personen mitgehört hätten.

Saul quält sich jedenfalls in das 20 Meilen entfernte Dorf und sieht sich dann einer ganzen Armee von Taliban gegenüber. Saul will die Ausweglosigkeit also mit seinem Ableben beenden und so den Gefangenenaustausch verhindern. Man kann verstehen, dass er nicht wieder gefangen sein will und den Austausch ablehnt, weil er selbst ja schon so lange dafür gearbeitet hatte, solche Leute gefangen zu nehmen. Als Zuschauer wollte man trotzdem nicht, dass es mit Saul zu Ende geht, zumal man diese Emotionen ja gerade eben erst durchleben musste. Saul macht dann doch weiter, weil Carrie ihm Hoffnung macht. Ein kleiner Haken ist bei der Szene allerdings. Saul sitzt realtiv gut sichtbar, alleine recht lange mit einer Waffe in der Hand rum und sieht zig Taliban, die alle gezielt nach ihm suchen. Da soll ihn niemand gefunden haben? Auch seine durch Carrie geleitete Flucht erscheint viel zu panisch und damit offensichtlich, als dass die ganzen Suchtrupps ihn hätten übersehen können. Umso gelungener ist der erneute Twist. Saul kann logischerweise nicht gerettet werden. Alles andere wäre bei der Konstellation auch seltsam gewesen. Carrie treibt ihn stattdessen in des Gegners Hände um Sauls Tod zu vermeiden, und Saul verflucht sie, weil sein Vertrauen missbraucht wurde. Saul ist zurecht sauer, aber eigentlich macht Carrie alles richtig, weil sie über Saul doch nun eigentlich wieder die Spur zu Haqqani herstellen können müsste. Und Saul wollte schließlich auch nicht sinnlos sterben. Insofern hat Carrie nicht mal ihr Versprechen gebrochen. Dass sieht sie selbst aber auch nicht so. Das Gespräch, also eher der Monolog, mit Quinn am Ende ist dann noch mal ein wichtiger und richtiger Abschluss dieser Geschichte. Carrie hadert mit der Grausamkeit der Welt und der Hilflosigkeit, weil man keine richtigen Entscheidungen treffen könne. Man wird sehen, ob nicht doch noch was Gutes dabei heraus kommt.

Fazit

Trotz der spannenden, leider nicht makelfreien Geschichte um Saul, die das Zentrum der Episode ausmacht, werden alle wichtigen Schachfiguren bewegt und die Frage des Vertrauens zwischen Amerikanern und Pakistanern betrachtet. Letzteres hat den Klimax noch nicht erreicht und so darf man, wie so oft, auch auf die nächste Episode gespannt sein, in der diese Betrachtungen sicherlich weiter- und vielleicht auch zu Ende geführt werden. Insgesamt reicht es dank Saul in dieser Episode zu sieben Punkten.

Emil Groth - myFanbase

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