Bewertung

Review: #4.06 Der Junge

Jetzt ist Carrie wirklich nicht mehr zurechnungsfähig. In dieser Episode verscherzt sie es sich so ziemlich mit jedem Charakter und hat dann auch nicht wirklich was davon, denn sie steht mit leeren Händen da.

"None of that would have been necessary if you had just done your job."

Carrie steht unter Druck. Sie will erfolgreich sein. Sie geht Risiken ein, ja sie opfert gar ihren eigenen Körper, lässt Gefühle Wildfremden gegenüber zu, macht sich verletzlich, um ihr Ziel zu erreichen. Dabei verliert sie vollständig ihre menschlichen Züge. Im Disput mit Quinn hat man das bereits in den letzten Folgen erleben dürfen und auch hier gibt es gleich zu Beginn einen Konflikt. Carrie wendet sich immer weiter von ihren Vertrauten ab. Als Fara, die ich für ihre moralische Einstellung für den spannendsten Charakter der Serie halte, mal wieder ihre Bedenken äußert, dass man Aayan nicht opfern sollte, weil er unschuldig sei, dreht Carrie fast durch. Es ist wirklich hart, wie sie Fara, die nie für den Job ausgebildet wurde, von Carrie eine derart fiese Standpauke bekommt. Dass Fara ihre Haltung bewahrt und sachlich darauf hinweist, was sie alles erreicht hatte, ist bewundernswert. Ich hatte Carrie eine geklatscht. Doch Faras Wiederworte hatten auch eine gewisse Wirkung bei Carrie, die sich darin rettet, wieder Aufgaben zu verteilen und die Diskussion zu beenden. Fara soll aufräumen, wodurch das größte Ärgernis in der Episode zustande kommt.

Fara packt die Sachen im Safe House ein und klebt die zerschlagene Scheibe ein. Sie bemerkt nicht, wie Dennis Boyd eindringt und die Müll durchsucht. Allerdings bemerkt Fara, dass der Müllsack leicht umgefallen ist und ihre Kartonkonstruktion nicht mehr komplett klebt. Vielleicht liegt es daran, dass man als Zuschauer wusste, was passiert ist, aber ich finde es wirklich sehr naiv von Fara, dass sie nicht auf die Idee kommt, dass hier eine Person am Werk war. Einzeln betrachtet sind die Situationen nicht verdächtig, aber da beide zugleich auftreten, darf man zumindest mal darüber nachdenken, ob ein Zusammenhang bestehen könnte. Fara war bisher viel zu selbstkritisch und intelligent dargestellt. Die fehlende Erfahrung reicht für mich als Begründung für diesen Fauxpas, der ja alles verändern sollte, nicht. Schade, dass man sie hier so blauäugig dargestellt hat.

"I'd say that the new station chief is at least bipolar."

Dennis Boyd hat also ganze Arbeit geleistet. Er hat Carries Wohnung unter die Lupe genommen und so von ihrer Krankheit erfahren. Und er hat das Safe House ausfindig gemacht und die Spur zu Aayan gefunden, damit also den wichtigen Hinweis für Haqqani geliefert. Er weiß gar nicht, was er da eigentlich angerichtet hat, aber Haqqani sollte ihm einen Orden verleihen. Ich bin ja noch nicht ganz sicher, was ich von Boyd halten soll. Er hat sich in dieser Episode ziemlich clever angestellt, wirkte aber zuletzt doch eher wie ein gebrochenen Mann, der nicht so wirklich zu großen Taten fähig ist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er demnächst ins Zentrum der Ermittlungen gerät, weil man ja auf Seiten der CIA nun erst mal wieder eine neue Spur finden muss. Mal schauen, wie er dann mit richtigem Druck umzugehen weiß.

"You leave tonight."

Aayan steht vor seiner Flucht nach London, die allerdings nicht so verläuft, wie er sich das erhofft. Erst muss er sich mit Kiran auseinander setzen, die als eigentliche Freundin nicht nur von seiner Ausreise, sondern auch der Tatsache, dass er starke Gefühle für Carrie hat, entsetzt ist. Danach muss er sich einem Verfolger entledigen, Carrie ändert den Fluchtplan und dann kommt es auch noch zum Übergriff im Safe House. Die Flucht soll also über Haqqani gelingen, doch es war alles nur inszeniert. Natürlich haben die Autoren es auch so lange wie möglich so zu inszenieren versucht, dass man nicht wusste, dass es von Anfang an Carries Plan war, damit Aayan sie zu seinem Onkel führt. Und es ist wirklich gelungen, es sehr beängstigend für Aayan darzustellen. Einziges Manko an der Geschichte ist nur, dass Aayan unterwegs Carrie anruft, wohl wissend, dass sie ja eigentlich entführt wurde. Es war doch äußerst merkwürdig, dass sie schon wieder frei war. Hier hätte ich Aayan mehr zugetraut, aber seine Liebe zu Carrie hat ihn da wohl geblendet. Trotzdem ist es schade, dass dies hier so unter den Teppich gekehrt wurde.

"Take the shot."

Der Plan geht natürlich auf und Aayan führt sie zu Haqqani. Doch dieser hat den Plan dank eines Tipps durchschaut und macht überraschend kurzen Prozess. Er tötet Aayan kaltblütig mit einem Kopfschuss, weil er ihn beinahe ans Messer geliefert hätte. Ich muss zugeben, dass ich mich doch sehr erschrocken habe, dass Aayan solch ein Ende findet. Viel mehr habe ich mich dann aber über Carrie erschrocken, die vor lauter Wut bereit war, Saul zu opfern, um Rache an Haqqani zu nehmen. Das muss man sich mal vorstellen. Saul war und ist Carries Mentor. Was sie ihm trotz aller Widrigkeiten, die sie auch hatten, zu verdanken hat, ist unbezahlbar. Und sie lässt ihre Wut über den Tod eines Jungen, den sie sowieso nie retten wollte, derart über sich kommen. Sie kann doch nicht ernsthaft Gefühle für Aayan entwickelt haben. Oder haben Quinns und Faras ständige Moralpredigten doch endlich mal Wirkung gezeigt (nur eben im falschen Moment). Zum Glück konnte Quinn Carrie noch davon abhalten, aber zur Halbzeit ist Haqqani jetzt doch deutlich im Vorteil. Er hat seine Spione, er hat Saul und er lebt ohne dass man eine Spur von ihm hätte. Man darf gespannt sein, wie Carrie wieder zurück in die Spur findet.

Fazit

Die Episode war erneut sehr spannend und intensiv, hatte aber auch ihre Makel, die man in der Bewertung nicht unberücksichtigt lassen kann. Die jetzige Konstellation ist jedenfalls doch sehr vielversprechend für den zweiten Teil der Staffel.

Emil Groth – myFanbase

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