Bewertung

Review: #1.05 Die Klinge

Auch in dieser Episode steht die große Frage um Nicholas Brodys Rolle im Mittelpunkt, wobei durch die Gefangennahme seines einstigen Peinigers eine ganz neue Variable hinzukommt. Außerdem kommt es zu einem Konflikt, den man in dieser Form eigentlich nicht für möglich gehalten hätte.

"The only thing I need you to do right now is find this man, Raqim Faisel!"

Der Wärter von Nicholas Brody ist von amerikanischen Streitkräften mitten in der Nacht aus seinem Haus in Islamabad entführt worden. Ein riesiger Durchbruch, denn so nahe ist man einem möglicherweise engen Vertrauten von Abu Nazir noch nicht gekommen. Natürlich ist das Verhör kein leichtes Spiel. Dafür ist es eine hervorragende Szene. Wie Saul Berenson mit Hilfe von Brodys Informationen immer wieder die eigenen Fragen beantwortet und damit eine Allwissenheit vorgibt, war absolut überzeugend. Ich bin durch "24 - Twenty Four" einige Verhörmethoden gewohnt und bin vor allem durch die Brutalität immer wieder enorm angespannt gewesen. Dass mich auch ein Verhör ohne Folter so mitnimmt, muss man allen Beteiligten hoch anrechnen. Und mit der Bedrohung der Familie hat man eh immer ein ziemlich starkes Argument, das auch hier wirken sollte. Immerhin eine E-Mail-Adresse, die sich am Ende als Erfolg heraus stellt, weil man damit wieder einen konkreten Verdächtigen hat, auch wenn dieser rechtzeitig flüchten konnte. Man hat zumindestens wieder eine Spur und das ist für die Ermittlungen natürlich ungeheuer wichtig. Und auch für den mitfiebernden Zuschauer ist das relevant, weil ein konkretes Ziel natürlich immer fesselnder ist als eine lange Ausweglosigkeit. Man muss zumindest eine Richtung haben.

"I've earned the right to at least look him in the eye and tell him that he didn't beat me!"

Das zentrale Element der Episode, das Verhör, hat aber noch mehr bewirkt und damit wurde auch in dieser Hinsicht alles richtig gemacht. Für den potenziellen Überläufer stellt ein möglicherweise redender Gefangener natürlich ein riesiges Problem dar. Brody handelt also und auch in dieser Episode schaffen es die Autoren, die eigentlich sichere Annahme, dass Brody ein Attentat vorbereitet, immer wieder mit minimalen Gegenargumenten zu konfrontieren. Zwar kippt die Lage wieder gegen Brody, weil er sich Zugang zum Gefangenen verschafft und dieser sich wenig später das Leben nehmen kann. Trotzdem ist Brodys Argumentation, warum er den Gefangenen sehen sollte, absolut gerechtfertigt und auch wenn ich David Estes nach wie vor nicht leiden kann, weil er einfach zu sehr seine eigene Karriere im Sinn hat, so kann ich an dieser Stelle verstehen, dass er ein Nachsehen mit Brody hat und ihm Zugang ermöglicht. Carrie Matheson und die Zuschauer sind aber wieder ein Stück sicherer, dass die erste Fährte die richtige sein muss.

"I know what that look means, Saul."

Saul ist als Charakter in den ersten Episoden noch nicht so entscheidend zur Geltung gekommen, weil er in erster Linie als Sympathisant von Carrie daher gekommen ist, der ihre Regelüberschreitungen zwar nicht gutheißt, aber ihren Ehrgeiz und ihre Überzeugung toleriert und sie daher hinreichend unterstützt. Mit dieser Episode erhält Saul eine persönliche Tiefe, weil Mira Berenson, seine Frau, aus Indien zurück kommt und man so erstmals Einblick erhält, wie schwierig es für Saul ist, sein Berufs- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Die aktuellen Entwicklungen sorgen sofort für Probleme. Er kann Mira nicht die Zeit widmen, die er gerne hätte, und für Mira werden gleich am ersten Tag alle Befürchtungen wahr, die sie während ihrer Abwesenheit für sich gelistet hat. Saul steht also schlagartig vor einem Scherbenhaufen, den er bestenfalls in eine Ecke kehren kann, aber offenbar nicht loswird. Diese Entwicklung geht etwas sehr schnell, zeigt aber gut, unter welchem Druck jemand wie er steht. Zudem erklärt es auch gleich, warum Carrie ebenfalls kein Privatleben hat. Es ist schlichtweg kaum zu bewerkstelligen.

Die beste Szene ist aber die zwischen Saul und Carrie. Diese ist sich nach den Ereignissen wieder sicher, dass sie von Anfang an im Recht war, doch für Saul hat sich nichts geändert und er ist nicht bereit, wieder ein Risiko für Carrie einzugehen. Da er gerade ganz andere Sorgen hat, kann man das sehr gut nachvollziehen, doch aus Carries Sicht sieht man den letzten Gefährten schwinden. Carries Reaktion ist extrem und unerwartet und vor allem nicht durchdacht. Sie greift Saul ziemlich übel an und dieser reagiert natürlich resolut. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Duo so plötzlich einen so heftigen Disput austrägt, doch auch das zeichnet die Serie aus. Denn so unvorhergesehen der Streit kommt, so nachvollziehbar und logisch erscheint er im Nachhinein auch. Saul bekommt dadurch mehr Tiefe und ein weiteres Maß an Eigenständigkeit, sodass er eben nicht nur als supporting act von Carrie in der Serie ist. Und Carrie selbst macht dadurch auch eine sehr entscheidende Erfahrung.

"Come live with us. We'll protect you!" - "No, that's my job!"

Der Verlust des Vertrauens zu Saul, die ganze Hoffnungslosigkeit, dass ihre feste Überzeugung nicht geteilt wird und die damit verbundene Ausweglosigkeit aus ihrer Situation, gepaart mit ihrer Krankheit, sorgen für eine Übersprunghandlung. Carrie räumt ihr Büro und erwägt entschlossen eine Kündigung ihres Jobs. Der psychische Stress ist enorm, zumal sie sich manchmal selbst nicht trauen kann. Claire Danes spielt diese Momente unglaublich ergreifend und überzeugend, dass man bei sämtlichen Preisverleihungen nicht an ihr vorbei kommen konnte. Maggie kommt wieder als Art Samariter bzw. selbstlose und verständnisvolle Schwester daher, die Carrie erst mal beruhigen kann. Doch entscheidend für Carries Entwicklung sind die Kinder. Das mag etwas plump und kitschig sein, aber wer sollte sonst dafür sorgen, dass man wieder auf den richtigen Pfad gelangt, wenn nicht so ein niedliches, naives Kind, das einen daran erinnert, warum man nicht aufhören sollte, den Bösen auf die Schliche zu kommen und alle Anstrengungen es wert sind. Die Schlussszene ist also trotz (oder wegen) ihrer Einfachheit gelungen.

"You know, I meant it, when I said I wouldn't miss your karate!"

Ein paar Szenen widmen sich auch wieder der Familie Brody. Das Familienleben scheint sich zu normalisieren, Nicholas scheint richtig angekommen und so sind die Konflikte ein Stück weit alltäglicher. Nicholas soll eigentlich nur zu einem Wettkampf seines Sohnes Chris kommen, doch sein Drang, den Gefangenen zu sehen, verhindert dies. Schlimmer noch, er vergisst es eigentlich ganz. Ein Stück weit war es auch gemein, dass Jessica den Termin für Nicholas gemacht hat, auch wenn das natürlich nur ihr nachvollziehbarer Versuch war, Chris und seinen Vater einander näher kommen zu lassen. Dass ausgerechnet Mike einspringt, der sowieso die Bindung zu Chris hat, die ein Vater haben sollte, ist brisant. Aber was hat Nicholas erwartet? Statt immer sauer auf Mike zu sein, sollte er ruhig etwas mehr Dankbarkeit zeigen. Natürlich ist es nicht schön, dass Mike und Jessica sich auch emotional näher gekommen sind, aber da muss Nicholas einfach realistischer sein. Als potenzieller Attentäter sollte er eher froh sein, dass für seine Familie gesorgt ist. Allerdings zeigt sich hier auch, dass Brody ein Familienmensch ist und er hier quasi angreifbar ist.

Fazit

Diese Episode war nicht unbedingt voller spektakulärer Ereignisse, aber auf der emotionalen Ebene unheimlich intensiv. Dabei werden für eigentlich alle wichtigen Charaktere Entwicklungen dargestellt, die zu diesem Zeitpunkt der Staffel passen und die Story sehr gut fortführen. Auch nach dieser Episode kann man also gar nicht erwarten, weiter zu gucken.

Emil Groth - myFanbase

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