Bewertung

Review: #4.03 Tinte

Nach einer durchgehenden Staffel mangelnder – oder besser gesagt desaströser – Charakterarbeit, scheint man dieses zentrale Wort im Autorenzimmer von "Heroes" wiederentdeckt zu haben. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls #4.03 Tinte. Die Anzahl der Storylines wurde stark reduziert, sodass den einzelnen Geschichten mehr Zeit gelassen wurde, um sich zu entwickeln. Das ist einerseits lobenswert, da die Charaktere und ihre Motive dadurch mehr geformt wurden, andererseits führte dies aber zu viiiiieeeelen Lääääängen im Verlauf der Episode.

"And then I discovered I could control the very earth under my feet."

Doch fangen wir mit dem Positiven an. Am besten ist die Charakterarbeit eindeutig bei Peter und Samuel gelungen. Innerhalb von zwei Episoden hat man es geschafft, Peter wieder in die richtigen Bahnen zu lenken und was Samuel angeht, dieser erweist sich schon seit Beginn an als wahnsinnig interessant. Das hat man vor allem dem großartigen Robert Knepper zu verdanken, der Samuel eine erfrischende Vielschichtigkeit verleiht. Einerseits ist er ein loyaler, aufrichtiger Mensch, andererseits zuckt er aber auch nicht mit der Wimper, ein Haus dem Erdboden gleich zu machen. Gefällt mir.

Samuel gibt sich also als William Hooper aus und verklagt Peter, um zu sehen, was für eine Art Mensch er ist. Sämtliche Szenen zwischen Samuel und Peter sind wirklich fabelhaft, angefangen von ihrem ersten Treffen im Krankenhaus bis hin zu ihrer Versöhnung im Park. Wie Samuel von Joseph spricht, wie Peter von seinem alten Job als Pfleger erzählt – es wirkt authentisch und die Dialoge machen tatsächlich Sinn. So können wir uns nur auf mehr Szenen mit den beiden freuen, worauf der Kompass in Peters Arm ja definitiv hindeutet.

"Hey, do you see an Aurora Borealis ink blot coming from that coffee mug?"

Ob es Sinn macht, einen neuen Charakter einzuführen nun da man gerade begonnen hat, die Scherben aus der letzten Season zu kitten, ist fragwürdig. Vor allem wenn man bedenkt, dass Mohinder nach drei Episoden irgendwie immer noch nicht aufgetaucht ist. Jedenfalls präsentiert man uns diesmal die junge Emma. Sie ist taub und schottet sich deswegen ab, aber ihrer Einsamkeit dürfte Peter innerhalb der nächste(n) Episode(n) Abhilfe schaffen. Oder glaubt hier jemand nicht an eine Liaison zwischen Peter und Emma?

Emma entdeckt, dass sie Töne optisch wahrnehmen kann. Nette Idee. Und ja, ich gebe zu, auch die Cello-Szene im Park hatte ihren Reiz. Doch was für eine Rolle wird Emma nun einnehmen? Wir haben ja bereits in der Vergangenheit gesehen, dass "Heroes" eindeutig kein Händchen für Liebesgeschichten hat. Gerade Peter hatte mit Simone und vor allem Caitlin eher ein schlechtes Los in der Vergangenheit. Es wäre schade, wenn eine banale Lovestory Peters Fortschritte wieder zunichte machen würde.

"I always thought I'd be an excellent cop."

Wenn wir von Charakterarbeit sprechen, so sollten Matt und Sylar nicht außer Acht gelassen werden. Bei Sylar hat man prinzipiell alles auf Anfang gestellt und das war eigentlich goldrichtig: Es macht nie so viel Spaß, Sylar zu sehen, wie wenn er als zynischer, hinterhältiger Fiesling auftritt. Quinto ist auch in seiner mittlerweile 45. Episode einfach brillant in dieser Rolle.

Sylars Psyche ist also tatsächlich in Matts Kopf gefangen. So sehr ich die Pflanzen-wir-Nathans-Seele-in-Sylars-Körper-Aktion auch verurteile, diese Situation ist definitiv faszinierend. Matt versucht verzweifelt, mit dem Serienkiller in seinem Kopf klarzukommen und ist sogar bereit, mit dieser Bürde zu leben, um Sylar gefangen zu halten. Doch er muss einsehen, dass er Sylar nicht gewachsen ist – denn dieser legt ihn (und uns Zuschauer) konsequent rein und bringt Matt in solche Rage, dass dieser einen Mann (tot)schlägt. Exzellent gespielter Wutausbruch von Grunny. Und vor allem: Es ist eine logische Weiterentwicklung der Storyline. Sylar hat Matt so nah an den Rand des Wahnsinns getrieben, dass dieser nun wahrscheinlich einen Deal mit Sylar eingeht und seinen Körper (= Nathan) zurückholt. Das dürfte interessant werden.

"Whatever it is you thought you saw the other night, you didn't see."

Völlig uninteressant jedoch ist die grauenhafte Story rund um Claire und Gretchen. Es ist eine Qual. Gretchen ist eine einzige Katastrophe und lässt einen fast die guten alten Zeiten mit Maya zurückwünschen. Claires ständiges "Ich bin jetzt erwachsen und will mein Leben in die Hand nehmen" erweckt Mordgedanken für diese Figur. Ihre Drohrede an Noah? Lächerlich. Ihre Emanzipationsrede am Telefon? Schrecklich.

Das allerschlimmste ist schließlich die Vorhersehbarkeit dieser Geschichte und wie sie von Anfang an konstruiert wurde: Letztlich hat man Annie also eingeführt, damit sie Selbstmord begeht, Gretchen die Fall-Theorie zur Sprache bringt, Claire sich aus dem Fenster stürzt und Gretchen schließlich als neue beste Freundin von Claire in deren Zimmer einzieht. Das ist so schlechtes Storywriting, dass einem die Worte fehlen.

Insgesamt ist #4.03 Tinte also wieder einmal eine durchwachsene "Heroes"-Folge. Es ist sicherlich eine der langsamsten Episoden bislang, doch das ist gar nicht mal so schlimm. Tatsächlich wurde stellenweise gute Charakterarbeit geleistet, die Geschichten wirkten (mit Ausnahme von Claire) elaboriert und es wurden einige Hebel in Gang gesetzt, die für den Verlauf des Volumes wichtig sein werden. Doch stellenweise ist die Episode einfach zu langatmig und vor allem langweilig. Und das, obwohl Hiro und Ando durch ihre Abwesenheit glänzen.

Maria Gruber - myFanbase

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