Bewertung

Review: #12.09 Der Klang der Stille

Foto: Kelly McCreary, Grey's Anatomy - Copyright: 2017 ABC Studios; ABC/Ron Tom
Kelly McCreary, Grey's Anatomy
© 2017 ABC Studios; ABC/Ron Tom

Directed by Denzel Washington… Das liest man nicht alle Tage und ganz sicher nicht bei einer Folge von "Grey's Anatomy". Damit hat die Folge schon vorab große Erwartungen und Hoffnungen hervorgerufen - Erwartungen, die auch erfüllt werden? Immerhin wird ein erneutes Trauma von Meredith verarbeitet, denn nach einer Fast-Explosion, einem Fast-Ertrinken, einem Amoklauf und einem Flugzeugabsturz wird sie nun von einem Patienten attackiert. Würde eine andere Ärztin mal in den zweifelhaften Fokus von Katastrophen geraten, hätte ich nicht so meine Zweifel an diese Folge gehabt. Es nimmt der Serie einfach ein großes Stück von Realismus und Plausibilität, wenn man stets die Protagonistin in die Krisen und Gefahrensituationen schickt und die diese natürlich ohne einen Kratzer überlebt. Das ist aber im Grunde genommen der einzig besonders negative Aspekt der Folge, abgesehen davon weiß die Folge durchaus zu überzeugen.

Ich bin ja sonst niemand, der besonders auf die Effekte achtet, aber die visuelle und auditive Gestaltung in dieser Folge war einfach nur großartig! Wie man alles aus Merediths Blickwinkel sieht und so die fürchterlich brutalen Eingriffe hautnah miterlebt, die die anderen Ärzte an ihr vornehmen (natürlich hat sich das KOMPLETTE Ärztepersonal dazu entschlossen, Meredith zu untersuchen!), die großen Gesichter der anderen Ärzte, die nicht zu hören sind, das Verschwommene an den Rändern des Bildes, das Blinzeln der Augen, die Aufnahme von Details statt dem Gesamtbild - die Kamera hat hier wirklich eine großartige Arbeit geleistet und ich war von dieser mitreißenden Gestaltung beeindruckt. Schön war auch, dass man uns über die Geräuscheffekte zu verstehen gab, wie es Meredith gerade geht - ist das Geräusch am Anfang im wahrsten Sinne des Wortes ohrenbetäubend, wird es langsam leiser, bis wir schließlich endlich mit Meredith gemeinsam hören können.

"Forgiveness is a powerful thing."

Die Attacke wird allerdings größtenteils übersprungen, obwohl sie mich sehr interessiert hätte. Im Grunde genommen ist sie nur ein Mittel zum Zweck, dient als Schlüsselereignis: Eigentlich geht es um Merediths Heilung, ihre physische durch die Attacke, aber vor allem die psychische durch die Trauer um Derek und die damit verbundenen negativen Gefühle, die Meredith nie wirklich verarbeitet hat. Diese richtet sie vor allem gegen Amelia. Amelia, Dereks Schwester, die sie jeden Tag an den Verlust ihres Mannes erinnert und die sie mit ihrer Sehnsucht nach Familie und Geborgenheit überfordert und belastet. Das kulminiert in schmerzhaften Szenen, in denen man Meredith am liebsten schütteln und Amelia in den Arm nehmen möchte. Es schmerzt, als Meredith deutlich sagt, dass Amelia nicht bei ihr lebt, als Meredith genervt davon ist, wenn Amelia ihre persönlichen Suchtprobleme beichtet und wenn sie sogar einen Kaffeebecher nach ihrer Schwägerin wirft. Und doch ist das alles nachvollziehbar: Beide haben sich so vieles vorgeworfen, beide haben gemeinsam, aber vor allem alleine so vieles durchgemacht und müssen nun erst wirklich lernen, wie sie nach dem Verlust von Derek weiter und miteinander leben. Momentan sieht es eher so aus, als würde Meredith Amelia mehr bedeuten als andersrum - ihr Schock, als sie Meredith umringt von Ärzten findet, spricht eindeutig Bände.

Um Amelia habe ich mir vor der Winterpause ja große Sorgen machen, als sie einen Drink von Nathan spendiert bekam und ihn annahm - doch scheinbar ist es Webber gewesen, der sie davor bewahrt hat, wieder tiefer in den Alkoholismus zu rutschen, was wir in einer kurzen, leider aber lautlosen Szene, sehen dürfen. Es freut mich wirklich, dass wir Amelias Rehabilitation überspringen und sie nun bereits wieder trocken sehen dürfen - eine Wiederholung ihres Handlungsstrangs aus "Private Practice" hätte mich eher irritiert. Webber hat mir generell gut in dieser Folge gefallen und mich öfters zum Lächeln gebracht. Wie er Meredith mit dem Rollstuhl abholt, einfach singt und ihre aufgeschriebenen Fragen ignoriert, war einfach herrlich! Seine Worte an Meredith haben bei ihr den richtigen Punkt getroffen und haben auch bei mir mitten ins Herz getroffen! Man merkt, wie wichtig ihm Amelia und Meredith sind und dass er als das bindende Element zwischen den beiden Frauen versucht, sie beide gemeinsam auf den Weg zur Heilung zu schicken. Seine eindrücklichen Worte an Meredith, Amelia, Penny und Derek, aber vor allem sich selbst zu vergeben, haben mir sehr gefallen und ich hoffe, dass wir mehr von Merediths Weg sehen werden. Solche Szenen wecken einfach die Vorfreude in mir! Dass Meredith und Amelia noch nicht verzeihen können, war allerdings abzusehen - es freut mich jedoch, dass Meredith über ihren Schatten gesprungen ist und einen Schritt auf Amelia zugegangen ist. Für mich ist die Beziehung der beiden Frauen sowieso die Rahmenhandlung dieser Staffel und ich bin schon gespannt auf die weiteren Entwicklungen zwischen ihnen.

"Everybody in this damn room is her family!"

Die Attacke an sich, so wenig man auch von ihr sieht, finde ich etwas unrealistisch inszeniert - natürlich sind alle Kollegen gerade in dem Moment beschäftigt, in dem Meredith attackiert wird und natürlich bekommt es niemand außer Penny mit (was natürlich auch vorherzusehen war). Intereessant ist es allerdings, dass Lou, Merediths Angreifer, durch seine Kopfverletzungen zur Attacke getrieben wurde und eigentlich ein ungefährlicher Familienvater ist - damit wird Merediths Trauma noch eindrücklicher, da dies verdeutlicht, dass wirklich jeder Mensch zu so einer Gräueltat fähig sein kann. Es ist auch bezeichnend, dass Meredith es nach sechs Wochen bereits gelingt, Lou zu verzeihen, nachdem sie sich zunächst dagegen sträubte. Auch hier bin ich skeptisch, ob das der Realität entsprechen würde, kann das jedoch durch Webbers Einfluss entschuldigen. Ellen Pompeo kann schauspielerisch vor allem mit ihrer Mimik überzeugen und diese außergewöhnliche Herausforderung, zu schauspielern ohne zu sprechen, meistern. Insbesondere in der Szene mit Merediths Kindern (die wir ENDLICH wiedersehen dürfen!) durfte sie aufspielen und Merediths Verzweiflung großartig Ausdruck verleihen.

Die Freundschaft von Meredith und Alex war der positivste Aspekt an dem Handlungsstrang - wie Alex um Meredith weint und erklärt, dass jeder Arzt ein Familienmitglied für Meredith sei, sind einfach nur Worte und Szenen, die man gesehen und gehört haben muss! Alex ist derjenige, der sich um Merediths Kinder kümmert, er ist derjenige, der in ihrem Zimmer übernachtet, um auf sie aufzupassen. Es war auch eine richtig tolle Szene, als Alex Zeuge von Merediths wiederhergestelltem Hören wird - wie aus Merediths Verzweiflung ein glückseliges Lachen wird, in das Alex einsteigt, ist einfach nur eine tolle Szene und wirklich schön geschrieben. Was mir ebenfalls auffiel, war die körperliche Nähe zwischen den beiden, was für mich ein bisschen strange war. Dass Meredith am Schluss allerdings Alex zu verstehen gibt, dass er um Jo kämpfen sollte und sie ihn nicht länger so braucht, ist eine gute und notwendige Entwicklung, da Meredith gegenüber Alex endlich einmal zurücksteckt. Ob Jo Alex tatsächlich verzeiht? Es wurde zwar deutlich, wie viel er ihr bedeutet, aber ich fände es sehr charakterstark von ihr, wenn sie ihn erst einmal zappeln lässt.

Kurze Eindrücke

  • War Penny nicht großartig in dieser Folge? Zuletzt hatte ich ja noch meine Zweifel bei ihr, aber sie hat sich mittlerweile zu Merediths rechter Hand entwickelt und schafft es auch endlich, sich Gehör zu verschaffen und sich gegen andere Ärzte durchzusetzen! Merediths dankbares Greifen nach der Hand war ebenfalls schön gestaltet - der Konflikt zwischen den beiden scheint langsam gelöst zu sein.
  • Sah es vor der Winterpause noch so aus, als würden April und Jackson wieder langsam zusammenfinden, hat sich dieser Eindruck leider nicht bestätigt - Jackson lässt sich weiterhin nicht beirren und hat April nun die Scheidungspapiere ausgehändigt. Von dieser Entwicklung bin ich einfach nur enttäuscht, hatte ich nämlich noch Hoffnung für die beiden
  • Bailey war mir suspekt in dieser Folge: Ihr Argument für den Täter-Opfer-Ausgleich, dass Meredith schon einmal das Krankenhaus verklagt hat, fand ich eher unpassend, schließlich wurde Meredith direkte Gewalt von einer Person angetan. Es wirkt, als wäre Bailey das Krankenhaus wichtiger als Meredith - das ist doch krank, oder?
  • Von dem großen Konflikt der letzten Folgen, Owen vs. Nathan, sieht man in dieser Folge leider gar nichts, nicht mal die kleinsten Andeutungen. Auch zwischen Owen und Amelia gibt es keinen Kontakt mehr. Schade, war aber auch abzusehen.
  • Der Konflikt zwischen Meredith und Callie ist scheinbar vergessen - Callie lächelt Meredith unentwegt an, kümmert sich um sie und bezieht klar Position gegen Lou. Das freut mich zwar, wirkt aber etwas überhastet nach den harten Worten der letzten Folgen.
  • Ich habe noch nicht alle Folgen von Buffy durch, aber da gibt es doch auch eine Folge, in der größtenteils geschwiegen wird, oder?

Fazit

Insgesamt eine gute Folge, die durch Webber und Alex zu überzeugen weiß und auch Ellen Pompeo in Bestform zeigt. Dabei sorgt sie vor allem für Vorarbeit für die nächsten Episoden und damit auch für Vorfreude für die zukünftigen Entwicklungen, insbesondere bei Merediths Umgang mit ihrer Trauer. Die Special Effects waren auch ein zu erwähnendes Highlight, die über die vorhersehbare und unrealistische Darstellung von der Attacke auf Meredith hinweggetröstet haben.

Lux H. - myFanbase

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