Bewertung

Review: #11.13 Das Ende vor Augen

Foto: Camilla Luddington & Justin Chambers, Grey's Anatomy - Copyright: 2016 ABC Studios; ABC/Ron Batzdorff
Camilla Luddington & Justin Chambers, Grey's Anatomy
© 2016 ABC Studios; ABC/Ron Batzdorff

Amelia ist Schuld! Wäre sie nicht gewesen, hätte ich den Tumor nur als einen weiteren Tumor betrachtet, der schon so oft von unseren Ärzten und Ärztinnen im Grey + Sloan Memorial behandelt wurde: Tötend, schrecklich und einfach nur grausam. Doch Dank der ersten ihrer vielen tollen Reden, die sie in dieser Folge hält, habe ich beschlossen, mit diesem Tumor meine Review einzuleiten, schließlich ist er das verbindende Element zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen dieser Folge, Amelia und Nicole Herman: Er tötet Nicole und sie kämpft so lange gegen ihn an, bis sie Arizona ihr gesamtes Wissen vermittelt hat, während Amelia ihn töten und so endlich aus Dereks Schatten springen möchte. So dreht sich das Leben beider Frauen nur noch um den Tumor, der somit, obwohl es de facto eine Herman-Episode ist, der eigentliche Protagonist dieser Folge ist. Nein, das ist wirklich kein normaler Tumor.

"I was fine with dying, then you came and infected me with Shepard, and her stupid plan and your stupid hope and now it's harder than ever to handle this over!"

Der Tumor hat nämlich auch die Freundschaft zwischen Arizona und Nicole herbeigeführt. Durch ihn entstand eine gewisse Vertrautheit, die in dieser Folge mit wunderbaren Szenen dargestellt wird. So verbringen sie jede freie Minute miteinander, sie trinken gemeinsam, geben sich gegenseitig Mut und Zuversicht und Herman kann sich Arizona wegen ihrer Ängste und Todesgedanken anvertrauen. Dabei bleiben die Dialoge oft humorvoll und sind reich an Pointen, wobei vor allem Geena Davis mit herrlichen One-Linern auftrumpfen kann wie "This bird's gonna poop on us". Aber auch Jessica Capshaw bietet eine gute Leistung und Arizonas Angst um Herman wirkt oft fast schon greifbar. Es ist schier unfassbar, wie groß die Freundschaft und wie stark das Vertrauen zwischen diesen beiden Frauen ist, nachdem sie sich nur wenige Wochen kennen und überhaupt mögen. Im Einstiegsmonolog erklärt Herman, wie sehr sie es vermisst, Hoffnung für die Zukunft zu haben und erkennt später, dass Arizona ihr diese wiedergab. Durch sie hat Herman ihre Resignation bezüglich ihres Tumors aufgegeben und will wieder um ihr Leben kämpfen, darum möchte sie Arizona alle Möglichkeiten ihres Berufs verschaffen und ihr alles beibringen. Herman gelingt es dabei auch, Arizona ihre Ängste zu nehmen und ihr Selbstvertrauen zu geben, sodass Arizona sich endlich in einem Eingriff beweisen kann. Diese Freundschaft ist wirklich ein Highlight in dieser Folge, da sie nicht einseitig ist und beide Frauen einander beweisen, wie sehr die andere ihr bedeutet. Besonders deutlich wurde das durch die Parallele der Hände dargestellt: zweimal greift Herman nach Arizonas Hand, zu Beginn und zu Ende der Folge, und beide Male will Arizona sie nicht verlassen, kann ihr Mut zusprechen und schafft es Herman die nötige Hoffnung zu geben.

Was an der Episode jedoch stört, ist ihre Vorhersehbarkeit. Es ist mehr als offensichtlich, dass Herman von Woche zu Woche kränker wird und ebenfalls, dass ihre Kontrollsucht weiterhin zu Tage kommt: Sie möchte alles genauso haben, wie sie es sich vorstellt und will ihr Leben noch genießen, bevor sie vielleicht stirbt. Das spätere Verbrennen der Radiationsmaske hat damit auch Symbolcharakter: Herman lässt sich von niemandem sagen, was sie zu tun oder zu lassen hat - auch nicht von ihrer Ärztin Amelia, die sich an ihrer Patientin fast die Zähne ausbeißt, um ihr das Leben zu retten. Dieser Konflikt war genauso abzusehen, was ärgerlich war. Noch vorhersehbarer ist allerdings - was auch typisch für "Grey's Anatomy" ist - dass Herman dasselbe mit ihrer eigenen Patientin, Glenda Castillo passiert, die sich einfach weigert, sich einem wichtigen Eingriff zu unterziehen. Solche alten Motive, die wiederverwertet werden, lassen Überraschungen und spannende Wendungen kaum zu, weswegen es natürlich total klar war, dass Herman am Ende der Folge in den OP kommt. Hier hat man es allerdings geschafft, Hermans Charakter treuzubleiben, ihr gleichzeitig aber eine Wandlung zu verpassen. So gibt sie selbst in der Erkenntnis, dass sie ihrer lebensentscheidenden OP gegenübersteht, Arizona immer noch Anweisungen für ihre eigene OP. Doch bereits in der nächsten Sekunde wechselt Herman, ähnlich wie einst Izzie, von Ärztin zu Patientin und man sieht plötzlich durch ihren Blickwinkel die Welt von Patienten. Es ist eine wunderbare Szene, die die typischen Ängste eines Patienten darstellt, der nichts von alle dem wirklich versteht, was um ihn herum passiert. Dies macht Hermans Schicksal greifbarer und authentischer. Was passiert jetzt wohl mit ihr? Ich tippe ehrlich gesagt, dass sie stirbt - wenn bekannte Darsteller gebucht werden, ist das meist mit ihrem Serientod verbunden und es würde mich verwundern, würde man bei Geena Davis die Ausnahme machen. Schade, ihr Zynismus wird mir fehlen.

"I have this sick feeling when I face this tumor I will discover that I'm not just the other Dr. Shepard. I'm the wrong Dr. Shepard."

Nicht nur Hermans Zustand wird mit jedem Zeitsprung kritischer, auch Amelia zeigt sich immer zerbrechlicher und ängstlicher angesichts des unfassbaren Drucks, dem sie ausgesetzt ist. Der Tumor ist die Chance ihres Lebens: Ihr Leben lang hat sie unter Dereks großen Fußstapfen gelitten und nun muss sie sich ihrer Angst stellen, ewig im Schatten ihres großen Bruders zu bleiben. Auch jetzt wird sie von allen Seiten ständig an Derek erinnert, muss sich selbst sagen, dass sie ihn nicht braucht und was für eine fähige, geniale Chirurgin sie selbst ist, obwohl deutlich wird, wie mehr und mehr ihr Selbstvertrauen schwindet und ihre Ängste überhand nehmen. Als es feststeht, dass die OP nun beginnt, ist sie sogar schockiert und wirkt fast wie in Trance - wird es ihr tatsächlich gelingen diese OP zu meistern oder wird sie doch scheitern? Wie üblich endet die Folge mit einem Cliffhanger, der uns die Fragen für die nächste Episode weitergibt. Für Caterina Scorsone müssen die letzten Folgen allerdings eine Wohltat gewesen sein- nachdem zu Beginn der Staffel nicht mal richtig feststand, was ihre Rolle in dieser Serie ist, darf sie sich nun mehr und mehr beweisen und liefert immer bessere Leistungen ab. In dieser Folge hat sie öfters die Oscar-Preisträgerin Geena Davis an die Wand gespielt und konnte Amelias Ängste mit einer Wucht präsentieren, vor der sich ihre Kollegen verstecken können. Bitte mehr davon!

Kurze Eindrücke

  • Für mich war ja die Szene von Arizona und Nicole auf der Wiese eine deutliche Anspielung auf Merediths und Cristina Dialog in #8.07 Hoffnung auf dem Baseballfeld. Doch an diese Freundschaft wird wohl keine weitere mehr bei "Grey's Anatomy" ankommen - obwohl…
  • …die Freundschaft von Meredith, Alex, Maggie und Callie für mich ein Highlight der elften Staffel ist. Diese drei Personen ergeben gemeinsam für Meredith quasi einen Cristina- Ersatz, den sie einfach benötigt. Insbesondere Maggie kann hier punkten und Alex' "I like her" unterschreibe ich gerne.
  • Bei solchen "Special-Folgen" fallen immer einige Charakter unter den Tisch. So erfahren wir nichts über Meredith und ihre weiteren Eheprobleme, weiterhin nichts über Aprils Zustand und auch die vielversprechende Storyline um Bens Schwester Rosalind wird nicht weitergeführt.
  • Interessant war es auch, Bailey und Herman miteinander agieren zu sehen. Denn es scheint ja so gut wie eine feste Regel im Krankenhaus zu sein, dass wenn Bailey etwas fragt, es man ihr nicht abschlagen darf. Dass sie sich schlussendlich durchsetzt und Glenda Castillo Hermans Patientin wird, war natürlich typisch "Grey's".
  • Callies Eifersucht auf Arizona und Nicole war zwar ganz amüsant und auch das gemeinsame Gespräch von Calzona war nett anzuschauen, doch alles in allem würde ich es mir wünschen, dass Callie endlich eine Storyline abseits von Arizona erhält. Der ständige Fokus auf Arizona tut ihr nicht gut - hatte sie nicht noch angekündigt, sich nun um ihr eigenes Glück zu kümmern? Ich würde wirklich gerne sehen, wie sie das in die Tat umsetzt.
  • Die "akwardness" zwischen Owen und Amelia nach ihrem Kuss war abzusehen, doch es war schön, wie Owen für sie da sein konnte und sie sich ihm wegen ihren Ängsten anvertrauen konnte. Ich gebe es zu, ich würde die beiden wirklich gerne zusammen sehen.
  • Stephanie punktet auch sehr in dieser Folge - als Amelias Schülerin ist sie diejenige, die am meisten ihre Frustration zu spüren bekommt, doch nun gibt sie ihr Gegenwind und weißt ihr mit einem "Get it together, Dr. Shepard." ganz klar ihre Grenzen auf. Jerrika Hinton hat das echt toll gespielt.

Fazit

Eine gute, wenn aber nicht perfekte Folge. Was ihr fehlt ist die Prise Überraschung und Unvorhersehbarkeit, die einem den Atem nimmt - so war es eigentlich von Anfang an klar, dass Herman eine ziemlich schwierige Patientin ist oder dass ihre OP am Ende der Folge stattfindet. Damit wurde eine gute, aber leider durchschaubare Episode kreiert, in der jedoch insbesondere Caterina Scorsone überzeugen konnte, von der ich in der nächsten Episode weiterhin Großes erwarte.

Lux H. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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