Bewertung

Review: #6.10 Feiertagsblues

"Grey's Anatomy" gibt sich ökonomisch. Um Zeit, Platz und Dekoration zu sparen, werden die drei großen Feiertage Thanksgiving, Weihnachten und Neujahr einfach in diese eine Episode gepackt. Das ist sicherlich ein geschickter Zug, um die erste Staffelhälfte abzuschließen und die zweite Hälfte wieder mitten im alltäglichen Leben anfangen zu lassen, doch Fans von Feiertags-Episoden werden sich womöglich etwas betrogen fühlen. Bei drei Feiertagen in einer Folge bleibt nicht viel Zeit für jedes der Feste und es kommt kaum die zu den jeweiligen Feiertagen gehörende Stimmung auf.

Thanks and Giving

Der erste Schritt für einen Alkoholiker, um mit seiner Sucht fertig zu werden, ist die Einsicht, ein Alkoholiker zu sein. In der Person Richard Webber erleben wir nun den interessanten und tragischen Fall eines Mannes, der vor 20 Jahren zu der Erkenntnis gelangt ist, ein Alkoholiker zu sein, und auf diese Weise trocken wurde, nun aber seine damalige Einsicht als Falschdiagnose abtut und wieder zu trinken beginnt. Man muss sich definitiv große Sorgen machen, nicht nur um Webber, sondern auch um Meredith. Sie wird in die ganze Sache mit hineingezogen und es ist noch nicht abzusehen, wie sich das auf sie, nachdem sie zuletzt so viele emotionale Fortschritte gemacht hatte, auswirkt. Neben der komplizierten Beziehung zu ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter und den Enttäuschungen durch ihren Vater ist so ein trinkender, sein Problem leugnender Mentor nicht unbedingt das, was sie noch braucht.

Zuletzt hat mir Webber ohnehin überhaupt nicht gefallen und wenn er nun auch noch Meredith mit hinunterzieht, nehme ich ihm das schon krumm. Natürlich ist Meredith ein mündiger Mensch und könnte sich komplett von Webber lossagen, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Er ist immerhin ihr Chef und sie selbst eine Assistenzärztin, die vorankommen will und muss. Angesichts der angespannten Personalsituation nach der Fusion des Seattle Grace mit dem Mercy West, braucht sie Webber als Lehrer und Befürworter. Sie kann ihm nicht so einfach in den Allerwertesten treten oder ihn im Stich lassen. Hinzukommt, dass er eben auch die große, verlorene Liebe ihrer Mutter ist, was ihn nicht gerade zu einem Vorgesetzten wie jeden anderen macht.

Thatcher versucht, Meredith auf die Ernsthaftigkeit von Webbers Problem aufmerksam zu machen, kommt aber nicht wirklich an sie heran. Es wäre natürlich schön, wenn er diesmal nicht so schnell aufgeben würde und seiner Tochter stattdessen wirklich mal hilft. Er hat bekanntlich sehr viel nachzuholen, ganz zu schweigen davon, dass er Meredith sein Leben verdankt.

Merry Christmas

Wir lernen in dieser Episode noch einen weiteren Vater kennen: Bill Bailey, Miranda Baileys Dad. Bill glaubt, seine Tochter habe ihre Ehe für ihre Karriere geopfert und würde das Operieren über alles andere stellen. Sie kann ihm jedoch deutlich machen, dass ihre Ehe nur noch unglücklich war und es ihr und ihrem Sohn, der seinen Vater immer noch regelmässig sieht, nun besser geht. Viel Überraschendes bot der Besuch von Bill Bailey letztlich nicht und wir haben nichts über Miranda erfahren, was wir nicht auch schon vorher wussten, doch Chandra Wilsons Performance in dieser Episode, besonders ihre emotionale Rede am Weihnachtstisch, lässt die Chance auf eine weitere Emmy-Nominierung steigen.

Happy New Year

Marks Leben ändert sich gehörig, denn er lernt seine Tochter kennen – und wird bald Großvater. Das schwangere 18-Jährige Mädchen, das den Nachnamen ihres Vaters als Vornamen trägt, taucht überraschend auf und nistet sich bei Mark und Lexie ein. Mark wusste damals von der Schwangerschaft seiner Freundin Samantha Riley, hat diese jedoch im Stich gelassen und mehr oder weniger erwartet, dass sie abtreiben lässt. Das hat sie aber nicht getan und so muss sich Mark nun mit seiner problembeladenen Teenager-Tochter auseinandersetzen.

Männliche Charaktere, die plötzlich ihrem bisher unbekannten Nachwuchs gegenüber stehen, erleben wir in Fernsehserien immer wieder. Dieses Motiv wird von Autoren gerne aufgegriffen, um neue Spannungen und Emotionen ins Geschehen zu bringen. Die Glaubwürdigkeit und der Unterhaltungswert variieren dabei von Fall zu Fall sehr stark. Was Mark Sloan betrifft, muss man sagen, dass seine Vaterschaft durchaus stimmig ist und nicht aus der Luft gegriffen wirkt. Wir wissen, dass Mark viele Jahre seines Lebens ein Schwerenöter war, ein Don Juan im Arztkittel, ein Casanova mit Skalpell, ein Verführer in Weiß, oder, wie es in der Serie schon mehrfach erwähnt wurde, eine männliche Hure. Dass aus seinen zahlreichen Romanzen mindestens ein Kind hervorgegangen ist, kann nicht überraschen. Auch Addison war ja von Mark schwanger, hatte aber abgetrieben.

Für die Beziehung von Mark und Lexie ist Sloans Auftauchen natürlich eine gewaltige Herausforderung, die zur Trennung führen könnte. Für Lexie war es schon ein großer Schritt, mit Mark zusammenzuziehen, obwohl sie noch ganz am Anfang ihrer medizinischen Karriere steht. Dass sie bereit dazu ist, "Stiefmutter" für ein Mädchen, das nicht viel jünger als sie selbst ist, und "Großmutter" für ein Baby zu sein, darf man nicht erwarten. Aber was soll Mark tun? Er kann seine schwangere Tochter, für die er bisher nie da gewesen ist und die ihn braucht, ja nicht einfach wegschicken. Das wollen wir auch nicht wirklich von ihm sehen.

Auch für Cristina, Owen und Teddy dürfte das neue Jahr interessant werden. Das Dreiergespann ist kompliziert: Teddy bietet Cristina endlich wieder die Operationen und die Lehrnmöglichkeiten, nach denen sie sich so gesehnt hat, doch Teddy ist auch in Cristinas Freund Owen verliebt, der wiederum für beide Frauen Gefühle zu haben scheint. Das verspricht Spannung, denn wenn Cristina sich entscheiden muss, ob sie Teddy als Mentorin oder Owen als Freund behält, bin ich mir gar nicht mal so sicher, dass sie sich für Owen entscheidet. Ihr oberstes Ziel war immer eine erfolgreiche Herzchirurgin zu werden, nicht die große Liebe zu finden und eine Familie zu gründen. Wenn sie also nicht beides haben kann, den Mann und die Lehrerin, wählt sie womöglich die Lehrerin.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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