Bewertung

Review: #14.04 Aus dem Takt-Gefühl

Hand aufs Herz und nicht gelogen: Wer hat eine Sekunde lang daran gezweifelt, dass Amelia die OP überleben würde? Spätestens, als Amelia die berühmt-berüchtigte Superheldenpose wieder vorgeführt hat, waren sämtliche Ängste verflogen und das bei einer Serie wie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" sagen zu können, die schon mehrere Fanfavoriten sterben oder verschwinden ließ, ist doch eigentlich recht mutig. Sowieso steht die OP an sich nicht mal im Vordergrund, sondern eher Amelias Weg zurück zu sich selbst – oder zu ihrem Nach-Tumor-Ich, denn sie scheint noch nicht genau zu wissen, wer sie nun tatsächlich ist. Sowas hatten wir bereits mit #7.19 Ein langer Weg zurück oder mit #12.09 Der Klang der Stille, als wir jeweils Callies und Merediths Weg zur Besserung verfolgten und auch hier haben wir ähnliche Sequenzen: Das erste Öffnen der Augen, das durch das Flackern des Bildschirms dargestellt wird; die rätselhaften Worte, die die Patienten von sich geben, das Vergessen von wichtigen Details (Herzstillstand bei der Erwähnung Dereks) sowie die schweren, herzzerbrechenden Stationen, die die Patienten durchlaufen müssen.

Der Unterschied hier vor allem ist: Amelia entscheidet über das Meiste selbst. Im Vorfeld teilt sie jedem ihre Beschlüsse mit und betraut ausgerechnet April(!) mit der Entscheidung über ihr Schicksal – deren Erleichterung, als sie schlussendlich darum herum kommt, ist absolut nachvollziehbar, doch auch aus Amelias Standpunkt kann man verstehen, weshalb sie sich für April hier entschieden hat: Owen, Meredith, Maggie oder auch Alex würden viel zu emotional entscheiden. Desweiteren instrumentalisiert Amelia Andrew auf ihre Behandlung und lässt ihn das traumatische Protokoll durchlaufen, gegen das sich auch einst Stephanie sperrte und unter dem Amelia nun selbst leiden muss oder lässt ihn Tom Koracick in Frage stellen. Auch entscheidet sich Amelia dagegen, bestimmte Medikamente für ihre Heilung zu nehmen, aus Angst, wieder in ihre Drogenabhängigkeit abzurutschen – eine der dramatischsten Szenen dieser Folge, in der erneut Caterina Scorsones schauspielerische Fähigkeiten herausstechen. Diese kann in dieser Folge mehrmals ihr Können unter Beweis stellen und demonstrieren, dass sie vermutlich zu den besten Darstellerinnen der Serie gehört, wenn nicht sogar die beste des momentanen Cast ist.

Amelia ist sowieso eine der interessantesten Figuren der Serie und mit diesem Tumor hat sie sich in meinen Augen noch interessanter gemacht. Denn wie Meredith, Alex, Maggie, Arizona und April in einer herrlichen Szene feststellen und wie uns der Rückblick demonstriert, hat der Tumor sämtliche von Amelias Handlungen beeinflusst und zu der Impulsivität geführt, die ihr Verhalten oft unverständlich gemacht hat. Was für Meredith und Co. Amelias Verhalten nun nachvollziehbarer macht und in ihnen so den Wunsch entstehen lässt, selbst so eine Ausrede haben zu können, stellt sich für Amelia das komplett spiegelverkehrt dar: Plötzlich ist ihre ganze Identität in Frage gestellt, sie weiß nicht mehr genau, wer sie ist. So sind die Szenen, in denen sie wie wild nach einem Fehler sucht, absolut verständlich und hier ist Andrew absolut goldwert. Wie er Amelia beruhigt, war einfach schön anzusehen und lässt mich hoffen, mehr von diesem Gespann sehen zu dürfen.

Amelias Weg bleibt spannend – vor allem, welche Rolle Owen darin spielt. Obwohl er sich während Amelias Behandlung nicht allzu häufig zeigt, ist seine Sorge sehr deutlich und es ist zu erkennen, dass er sich endlich wünscht, Amelia beistehen zu dürfen und mit ihr eine richtige Ehe zu führen. Amelia hingegen zögert, gibt ihm einen Freifahrtschein – nur um am Ende doch nachzugeben und mit ihm nach Hause zu fahren. Ob es nun endlich zwischen den beiden klappt und wir eine glückliche Ehe der beiden sehen dürfen? Nachdem die beiden auch nun Amelias Tumor überstanden haben, sollte ihrem Glück doch aufs Erste nichts im Wege stehen, obwohl es sicher schwierig werden wird.

Mein Highlight dieser Folge ist allerdings nicht Amelia, sondern Meredith. Sie steht Amelia, ohne sich zu beschweren oder sich von ihrem teils schwierigen Verhältnis zu beeinflussen, uneingeschränkt bei und kümmert sich um ihre Schwägerin in jeder freien Sekunde. Dazu kümmert sie sich wie nebenbei um ihre Karriere, indem sie einen Harper-Avery-Award-würdigen Artikel über Megan veröffentlicht und zeigt sich diesbezüglich äußerst sensibel bei sowohl Jackson als auch Jo, wobei insbesondere letzteres mich sehr erfreut, nachdem die beiden so ihre Schwierigkeiten in der Vergangenheit miteinander hatten. Außerdem hat es mich auch gefreut, wie sie mit Megan umgeht und wie zwischen den beiden ein immer engeres Band entsteht – so ist es Meredith, die Megan davon abhält, blind vor Mutterliebe das Krankenhaus zu verlassen oder auch Meredith, die Megan darin bestärkt, dass Nathan sie liebt. Doch auch hier ist wohl auch nicht das letzte Wort gesagt: Selbst wenn Nathan in einer Nacht- und Nebelaktion Farouk für Megan aus dem Irak nach Seattle bringt und so Mutter und Sohn wiedervereint, so ist es doch Meredith, die er zuerst anruft, Meredith, die er um Hilfe bittet und der er vertraut. Megans Zweifel kann ich hier also gut nachvollziehen, obwohl Merediths Engagement sowie ihre Genervtheit Nathan gegenüber dafür sprechen, dass sie hier ganz sicher nicht einmischen wird. Der Blick, den sie nach Verlassen von Megans Zimmer nach oben wirft, deutet ohnehin darauf hin, dass das Ganze sie an Derek erinnert. Was? Nein, ich weine nicht, mir ist nur etwas ins Auge gekommen…

Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich Greg Germann in der Rolle des Tom Koracick liebe? Nein, dann hole ich es hiermit nach: Ich liebe ihn in dieser Rolle! So herrlich arrogant haben wir seit Cristina wohl keinen Arzt mehr im Krankenhaus erleben dürfen. Nicht nur, dass er bei Amelias Behandlung für witzige One-Liner sorgt und mir die schlimmsten Ohrwürmer verpasst, nein, er schafft es auch, Webber eifersüchtig zu machen, da er wohl mal etwas mit Catherine hatte. Einfach nur herrlich! Catherine und Webber zeigen sich in dieser Folge sowieso von ihrer temperamentvollen Seite: Vor dem Familiendinner, zu dem Webber zum ersten Mal seine Tochter Maggie mitbringt, streiten sich über die Tatsache, wie man Jackson mitteilen sollte, dass er 25 Millionen Dollar von seinem Großvater geerbt hat. Nach den 8 Millionen Dollar, die Izzie einst von Denny vererbt bekam und den 15 Millionen Dollar, die jedem der Seattle 5 nach dem Flugzeugabsturz zustanden, ist das wohl die konsequente Steigerung vonseiten der Autoren. Jackson ist von diesem Betrag natürlich komplett überfordert, was von Catherine natürlich nicht verstanden, aber von Maggie auf eine wirklich süße Weise verteidigt wird. Was zunächst aber nach einer erstmaligen, richtigen Annäherung zwischen den beiden aussah, wird von Catherine allerdings sofort als Geschwistersolidarität abgestempelt. Awkward. Diesen Status haben Jackson und Maggie leider immer noch. Es scheint, als wüssten die Autoren noch nicht genau, was sie mit dieser Kombination eigentlich machen sollten, denn nach vier Folgen drehen sich die beiden immer noch im Kreis. So langsam muss sich hier was ändern, Potential ist nämlich vorhanden.

Entwicklungen sind ein gutes Stichwort, denn diese scheinen sich bereits ihren Weg zu bahnen. Neben den neuen Anfängern, die von Bailey und Webber interviewt werden und die für den notwendigen Comic Relief (Glasses wird ausnahmsweise von der Dame mit dem Pudel übertroffen), sorgen, ist es auch Baileys Ehemann Ben, bei dem sich etwas anbahnt: So steht er Verwunderung seiner Frau nun morgens immer früher auf, um seine Runden zu drehen und steckt seiner neuen besten Freundin Jo, dass er einen geheimen Plan habe. Spekulieren ist hier nicht notwendig; es ist klar, dass hier Jason Georges Ausstieg und Wechsel zum Spin-Off vorbereitet wird und ich muss sagen, dass das bis jetzt gut funktioniert. Vor allem, weil er sich hier Jo öffnet, nachdem diese ihm einfach so das Geheimnis um ihren Ehmann verrät. Der kann ihr immer noch eine so große Angst einjagen und hat immer noch eine so große Macht über sie, dass sie darauf verzichtet, in Merediths Artikel erwähnt zu werden. Auch hier höre ich eine Nachtigall trapsen und bin gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Arizona, die in dieser Folge vor allem in ihrer wunderbaren Freundschaft zu April überzeugen kann, darf sich hingegen über die Rückkehr ihrer Tochter freuen, die wieder nach Hause ziehen möchte.

Es bleibt also spannend in "Grey's Anatomy" und ich muss sagen, dass ich von dem Tempo, das hier vorgelegt wird, ziemlich beeindruckt und begeistert bin. Fast jede Figur konnte sich bereits in den letzten vier Folgen weiterentwickeln, hat eine Storyline und eine Entwicklung, die sich langsam, aber deutlich vollzieht. Staffel 14, du machst so einiges richtig.

Lux H. - myFanbase

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