Bewertung

Review: #4.09 Vaterkomplex

Foto: Jemima Kirke, Girls - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved.
Jemima Kirke, Girls
© 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved.

"I'm faking everything." – Der kurze Austausch zwischen Hannah und Ray am Ende von #4.09 Daddy Issues fasst perfekt zusammen, was das Problem sämtlicher Charaktere ist: ihre Unaufrichtigkeit, gegenüber sich selbst als auch gegenüber allen anderen. Wir alle sind am Ende des Tages Faker, wir geben vor, wir behaupten und tun als ob, doch das meiste ist Fassade. Es ist Fassade, wenn Hannah behauptet, mit dem Lebenswandel ihres Vaters kein Problem zu haben, wenn Jessa sich aus Höflichkeit zu einem abtrusten Dinner mit Ace' Ex-Freundin einlässt, wenn Shoshanna sich in Rays Kampagne hineinsteigert in der Behauptung, sie würde ihn voll unterstützen, letztlich aber vor allem für sich eine Art sinnvolle Beschäftigung sucht, wenn Ray sich für Marnies Verlobung freut.

"Girls" war schon immer großartig darin, ja lebt prinzipiell davon, die Unzulänglichkeiten seiner Protagonisten offenzulegen und tut dies auch in dieser Episode auf schonungslose Art und Weise. Dabei wird diesmal eine ganz zentrale Eigenschaft Hannahs näher thematisiert, die sie schon immer ausgezeichnet hat und die eine ihrer größten Stärken und Schwächen gleichzeitig ist: ihre Unverblümtheit. Positiv ausgelegt kann man Hannahs Direktheit als entwaffnende Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bezeichnen, im Negativen ist diese aber ein ungefiltertes Herumschleudern viel zu persönlicher Informationen, mit dem sie einem meist eher vor den Kopf stößt. Gerade in dem (herrlichen!) Gespräch mit ihrem Vorgesetzten wird immer wieder deutlich, dass Hannah einfach nicht das Konzept der Trennung von Privatem und Öffentlichem kapiert, dass sie immer wieder extreme Grenzen überschreitet (siehe am Falle Cleo – es handelt sich hier immerhin um eine Lehrerin und ihre Schülerin!) und sich dessen nicht einmal bewusst ist. Sie verhält sich hier – wie in der letzten Folge schon unmissverständlich impliziert wurde – wie ein Kind. Das erkennt ihr Vater, wenn er ihr klarmacht "Basically you're a child!" und das versucht der Direktor ihr zu verstehen zu geben mit seinem "You're not a kid anymore [...] you need to be mindful of boundaries." Hannah hat noch einiges zu lernen im Bereich des halbwegs erwachsenen Verhaltens und dem Einhalten von Grenzen.

Wenn man dann aber das Telefongespräch zwischen Hannah und Loreen mitbekommt oder auch die Unterhaltung zwischen ihr und Tad, wird einem wieder klar, woher Hannah das hat: Ihre Eltern sind nicht gerade Glanzbeispiele für diskretes Verhalten. Loreen wirkt als verzweifelte, zurückgelassene Ehefrau mit Zigarette und Dosenbier wie eine düstere Vorahnung von Hannah in 30 Jahren, die natürlich über sich selbst spricht als sie zu Hannah sagt: "How can you be okay? Your life is falling apart. It's basically all been a lie!" Als Hannah dann auch noch dank Elijah und Tad viel zu viele Informationen über das Sexualleben ihres Vaters erhält, die sie eigentlich nicht wissen will, platzt ihr schließlich selbst der Kragen und am Ende des Tages prangert sie genau das an, was ihr selbst vorgeworfen wurde: das Nichteinhalten von Grenzen. Grenzen in diesem Fall zwischen Elternteil und Kind, die es zwangsläufig geben sollte. "Girls" gelingt es hier wieder sehr gut, ein typisches menschliches Verhalten aufzuzeigen: das Anprangern von Fehlverhalten bei anderen, das einen umso mehr stört, je mehr man dazu neigt, es selbst zu tun.

Nicht ganz unähnlich verhält es sich mit Jessa und Mimi-Rose, zwei Frauen, die die Kunst der hinterlistigen Manipulation perfekt beherrschen und sich deshalb umso unsympathischer sind. Das kleine Kammerspiel à la "Jessa & Ace & Adam & Mimi-Rose" (in Anlehnung an den Titel der letzten Episode), das sich zwischen den zwei Paaren abspielt, ist überaus unterhaltsam und man wünscht sich hier, dass man noch mehr von diesem Abendessen mitbekommen hätte. Nicht nur erhalten wir den längst überfälligen Einblick in Jessa und Aces oberflächliche Beziehung, es wird vor allem auch klar, dass sowohl Jessa als auch Adam eigentlich nur von Ace bzw. Mimi-Rose benutzt werden. Im Endeffekt befinden sich Jessa und Adam in sehr ähnlichen Situationen – beide sind gestrandet, sie sind allein, ohne bedeutsame menschliche Beziehungen in ihrem Leben und haben dies nur sich selbst zu verschulden. Gerade Jessa ist in dieser Episode zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder halbwegs annehmbar und erinnert in ihrer Mischung aus Arroganz und Verletzlichkeit wieder an den eigentlich interessanten Charakter, der sie zu Beginn der Serie einmal war. Hoffentlich bleibt man auf diesem Weg, um Jessa als Charakter wieder einigermaßen zu rehabilitieren angesichts ihres hochgradig nervenaufreibenden und unsympathischen Verhaltens in dieser Season.

Wie sehr sich die vier Frauen mittlerweile voneinander entfernt und entfremdet haben, wird ganz besonders am Ende deutlich, als sich alle zu Rays Wahlfeier einfinden. Es gibt kaum gemeinsame Szenen, über vordergründigen Smalltalk gehen die meisten Unterhaltungen nicht hinaus, Jessa kommt viel zu spät, und Marnie stößt besonders Hannah mit ihrer Ankündigung über ihre Verlobung mit Desi vor den Kopf. Hannah und Marnie wissen nichts über die Ereignisse im Leben der jeweils anderen, genausowenig wie Shosh und Jessa. Am meisten trifft Marnies Neuigkeit jedoch Ray, der ganz offensichlich noch sehr an Marnie hängt, was man als Zuschauer jedoch überhaupt nicht nachvollziehen kann, da weder Marnie eine wirklich interessante Person ist, noch die Affäre zwischen Ray und Marnie in Staffel 3 als eine wirklich tiefgründige ausgelegt war.

Ernüchtert sitzen Hannah und Ray also am Ende da, Begeisterung fingierend, in Wirklichkeit aber todunglücklich und enttäuscht: "I'm faking everything." Die Charaktere haben sich so in ihre eigenen Probleme verstrickt, dass sie da alleine nicht mehr rauskommen können und stattdessen so tun, als ob alles unter Kontrolle wäre. Doch das ist fake, eine große Lüge. Vielleicht ist für das Finale von Staffel 4 der große Moment gekommen, in dem eine Annäherung der Freunde reinitiiert werden kann, in der sie wieder aufrichtig zueinander sind und den Kontakt suchen. Wenn "Girls" es schafft, einige der alten Bande wiederherzustellen, wieder mehr Emotion zu schüren, dann würde nicht nur eine gute und unterhaltsame Episode wie diese, sondern auch mal wieder eine wirklich sehr gute Folge rausspringen.

Maria Gruber - myFanbase

Die Serie "Girls" ansehen:


Vorherige Review:
#4.08 Tad & Loreen & Avi & Shanaz
Alle ReviewsNächste Review:
#4.10 Hausgeburt

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Girls" über die Folge #4.09 Vaterkomplex diskutieren.